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Oscherslebener Motorsport-Arena Oscherslebener Motorsport-Arena: Vier tödliche Unfälle seit April

Von Alexander Schierholz 25.08.2015, 07:52

Oschersleben - Er war erst 15. Und doch schon ein alter Hase. Er hatte sein Leben noch vor sich sich. Und doch schon eine Menge Erfahrung als Nachwuchs-Motorradpilot. Am Samstag verunglückte Jonas H. auf der Strecke der Motorsport-Arena in Oschersleben, direkt nach dem Start des ADAC Junior-Cups. Am Abend erlag er in der Magdeburger Uniklinik seinen schweren Verletzungen. „Jonas hat als Rennfahrer seinen letzten Kampf verloren“, schrieb sein Team auf seiner Facebook-Seite. Sein Team, das ist seine Familie aus dem Erzgebirge.

Vier Tote binnen weniger Monate

Jonas H. ist der vierte Tote auf der Oscherslebener Rennsport-Strecke binnen weniger Monate. Erst im April waren zwei Motorrad-Fahrer bei einem Training ums Leben gekommen. Einer hatte das Tempo verringert, der andere war aufgefahren. Im Juni fuhr ebenfalls ein Mann auf ein Motorrad auf, stürzte und starb. So ähnlich war es, nach allem, was man bisher weiß, auch am Samstag. Nach Medienberichten kommt einer der Fahrer beim Start nicht richtig vom Fleck. Jonas kracht auf ihn drauf, stürzt, wird von zwei weiteren Motorrädern überrollt.

Vier Tote in vier Monaten. Wie kann das sein? Die Antwort ist so traurig wie banal: Das Risiko fährt immer mit. „So etwas kann jeden Tag bei jedem Rennen passieren“, sagt der ehemalige Motorrad-Profi Marco Apel aus Sangerhausen, zweimaliger deutscher Langstreckenmeister.

Die Motorsportarena Oschersleben wurde 1997 eröffnet, damals firmierte sie noch als Motopark. Über die Jahre hat sich der rund 3,6 Kilometer lange Rundkurs, die dritte permanente Rennstrecke nach dem Nürburg- und dem Hockenheimring, im Spitzen-Rennsport einen Namen gemacht. Regelmäßig werden in der Börde unter anderem Läufe der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft ausgetragen, daneben auch immer wieder Motorrad-WM-Veranstaltungen. Zudem ist die Arena an 70 bis 80 Tagen im Jahr Austragungsort für private Motorrad-Trainings. Zu der Anlage gehört auch ein Vier-Sterne-Hotel und eine Kartbahn.

In Oschersleben kommen alljährlich aber auch die Liebhaber ganz anderer Fahrzeuge zusammen - beim weltgrößten Opel-Treffen mit bis zu 20 000 Fahrzeugen. Bei Fans firmiert die Stadt nahe Magdeburg dann liebevoll nur noch als „Opelsleben“.

Jonas H. war für sein Alter kein unerfahrener Fahrer. Seine Motorsport-Laufbahn begann er mit acht Jahren, damals auf einem sogenannten Pocket-Bike, einer Mini-Maschine für Kinder und Jugendliche. Er fuhr sich nach oben, erwarb sich Lizenz um Lizenz, qualifizierte sich in einem strengen Regelsystem. „Dabei geht es immer darum, Erfahrungen zu sammeln“, sagt Michael Kramp vom Deutschen Motorsportbund.

Dann kam der Samstag, ADAC Junior Cup für Fahrer der Jahrgänge 1994 bis 2002, der vorletzte von acht Rennläufen. Was genau sich in Oschersleben am Start abgespielt hat, was genau zum Tode von Jonas H. führte, das werden die Gutachter klären müssen. Der Start aber, sagt Motorsport-Experte Kramp, sei eine der kniffligsten Situationen überhaupt. Wenn dort jemand nicht richtig vom Fleck komme oder wieder stehen bleibe, dann bekämen das zwar die Fahrer direkt hinter ihm mit, aber nicht die Starter, die von weiter hinten kämen. „Die sehen dann die Motorräder direkt vor sich“, schildert Kramp, „aber nicht, was drei oder vier Reihen vor ihnen passiert.“ Er nennt es eine „besondere Gefahrensituation“. In Oschersleben sprechen sie von „Verkettungen unglücklicher Umstände beim Start“; der Unfall, sagt Sprecher Jens Galkow, sei von außen nicht zu beeinflussen gewesen. Dass die Strecke an sich eine Rolle gespielt haben könnte, schließt er aus: „Solch ein Start verläuft auf jeder Rennstrecke der Welt identisch.“

Konsequenzen? Die Motorsport-Arena verweist auf den Motorradsport-Weltverband und den Deutschen Motorsportbund. Beide Verbände hätten die German Speedweek mit WM-Läufen als Rahmenveranstaltung für den Junior Cup reguliert. Sie hätten die Strecke abgenommen und Sicherheitsvorkehrungen vorgegeben. Mit ihnen werde gegebenenfalls auch über „Vermeidungs- und Verbesserungsmaßnahmen“ entschieden. Doch dafür sei es nach dem Unglück vom Samstag zu früh, sagt Michael Kramp vom Motorsportbund: „Solche Unfälle sind immer ein Anlass zu schauen, was man verbessern kann.“ In diesem Fall müssten aber zunächst der Unfallhergang und die Ursache analysiert werden.

Kurs auf der Motorsport-Arena gilt als sicher

Trotz der vier Toten in vier Monaten gilt der Kurs auf der Motorsport-Arena bei Funktionären und Fahrern als sicher. Arena-Sprecher Galkow beteuert, auch bei privaten Trainingsläufen wie im April würden die Piloten eingewiesen und geschult. Ein Sprecher der ADAC-Motorsportabteilung stellt Oschersleben ebenfalls ein gutes Zeugnis aus: Die Strecke sei seit Jahren Bestandteil des Junior Cups, noch nie habe es Probleme gegeben. Auch Marco Apel, der ehemalige Rennprofi aus Sangerhausen, hat die Arena in seiner aktiven Zeit als sicher erlebt: „Das ist keine Hochgeschwindigkeitsstrecke wie viele andere.“

In Oschersleben blicken sie jetzt mit Spannung auf die prestigeträchtige Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft Mitte September. Der ADAC Junior Cup bereitet sich auf die Endrunde in Hockenheim vor.

Der Zirkus geht weiter. Ohne Jonas H. (mz)