Nienhagen im Harzkreis Nienhagen im Harzkreis: Friedlicher Protest gegen Rechtsrock
Nienhagen/MZ - Rund 200 Menschen haben am Sonnabendnachmittag in Nienhagen (Harzkreis) friedlich gegen ein Neonazi-Konzert demonstriert, das am Abend in dem 380-Einwohner-Ort bei Halberstadt stattfand. Mit Trillerpfeifen und Plakaten wie „Nienhagen rechtsrockfrei“ zogen die Demonstranten durch das Dorf. „Gegen Rechtsrock müssen wir zusammenstehen, sonst haben wir verloren“, sagte der Sprecher des Bürgerbündnisses „Nienhagen rechtsrockfrei“, Hans-Christian Anders. Der Staatssekretär im Innenministerium, Ulf Gundlach (CDU), wies darauf hin, dass es sich bei dem Konzert auch um eine politische Demonstration der rechtsextremen Szene handele. „Davon müssen wir uns distanzieren.“
Zu dem Konzert auf einem Veranstaltungsgelände am Dorfrand wurden rund 1.300 Besucher aus ganz Europa erwartet. Sieben Bands aus den USA, Finnland und Deutschland sollten auftreten. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hatte das Konzert am Mittag genehmigt und damit eine Beschwerde des Landkreises abgewiesen, der ein Verbot hatte durchsetzen wollen.
1300 Neonazis wurden erwartet
Nienhagen glich schon ab dem Vormittag einer Festung. Nach Polizeiangaben waren über den Tag verteilt bis zu fünf Hundertschaften der Bereitschaftspolizei im Einsatz. Als die Neonazis am späten Nachmittag nach und nach in kleinen Gruppen durch den Ort zum Veranstaltungsgelände liefen, riegelte die Polizei die Route ab. Die Gegendemonstranten konnten aber in Hör- und Sichtweite protestieren und empfingen die Rechtsextremisten mit „Nazis raus!“-Rufen. Zwischenfälle habe es nicht gegeben, sagte eine Polizeisprecherin.
Nienhagen ist schon seit mehreren Jahren regelmäßig Schauplatz von Neonazi-Konzerten. Ihr Veranstalter wohnt in dem Ort. Erst im vergangenen Jahr hatte das Bürgerbündnis „Nienhagen rechtsrockfrei“ dem Eigentümer des Veranstaltungsgeländes mit einer Unterschriftensammlung die Zusage abgetrotzt, nicht mehr an Rechtsextremisten zu vermieten. Daraufhin suchte der Konzertveranstalter nach einer Ausweichmöglichkeit. Fündig wurde er in Groß Germersleben (Börde), nicht weit von Nienhagen. Dort kaufte er vor kurzem ein Schloss, das zum Veranstaltungszentrum ausgebaut werden sollte. Doch die örtlichen Behörden konnten ein Konzert dort bislang verhindern. Auch in Groß Naundorf bei Wittenberg und Ballenstedt (Harz) scheiterte der Auftritt der Rechtsrock-Bands.
Daraufhin wurde das Konzert Anfang dieser Woche kurzfristig wieder nach Nienhagen verlegt. „Der Eigentümer des Geländes hat sein Versprechen gebrochen, nicht mehr an Nazis zu vermieten“, kritisierte Hans-Christian Anders vom Bürgerbündnis. Der Landkreis Harz hatte ein Verbot den Konzertes mit bauordnungsrechtlichen Mitteln durchsetzen wollen, war damit aber schon vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Die zweite Instanz, das Oberverwaltungsgericht, erklärte die Veranstaltung am Sonnabendmittag dann endgültig für rechtens.
Die Gegendemonstration war von Gewerkschaften, Parteien, Bürgerinitiativen und Vereinen organisiert worden. „Ich bin begeistert, wie viel wir in kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben“, sagte Anders. Die Ereignisse hätten Nienhagen überrollt, erst am vergangenen Dienstag sei die Gemeinde offiziell wieder als Veranstaltungsort angemeldet worden.
Polizei war mit fünf Hundertschaften vor Ort
Die rund 200 Teilnehmer der Gegenkundgebung kamen aus mehreren Orten der Region, darunter auch aus Groß Germersleben. Aus Nienhagen selbst beteiligten sich nach Angaben des Bürgerbündnisses nur etwa 40 Menschen an der Kundgebung. „Da hätte ich mir mehr gewünscht“, räumte Anders ein. „Nienhagen ist aber ein schwieriges Pflaster.“ Viele Einwohner seien immer noch eingeschüchtert durch die massive Präsenz von Neonazis in den vergangenen Jahren. Zu den bisherigen Konzerten waren bis zu 1 800 Besucher in den kleinen Ort gekommen.
Das Bürgerbündnis und die Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins „Miteinander“ kritisierten die Behörden und die Politik für den Umgang mit Neonazi-Konzerten. „Die Behörden haben offensichtlich keine Idee, wie mit solchen Konzerten umzugehen ist“, sagte Torsten Hahnel von „;Miteinander“. Zwar sei Nienhagen als Austragungsort für das jetzige Konzert erst vor wenigen Tagen ins Spiel gekommen. „Dass es ein Konzert geben wird, war aber seit Monaten bekannt.“ Bei der Genehmigungspraxis sei es nicht damit getan, „zu prüfen, ob die Zahl der Toilettenhäuschen stimmt“. Die Konzerte hätten eine politische Dimension.
Anders kritisierte, das örtliche Ordnungsamt sei von übergeordneten Behörden „völlig allein gelassen worden“. Offenbar fehle es am politischen Willen, Rechtsrock-Konzerte zu verhindern. „Ich würde mir wünschen, dass die Politik zumindest rechtssichere Einschränkungen vornimmt, was die Größe solcher Konzerte angeht“, sagte der Bürgerbündnis-Sprecher. So sei es etwa denkbar, die Zahl der Besucher an die Zahl der Einwohner des jeweiligen Ortes zu knüpfen.