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Nach dem Hochwasser Nach dem Hochwasser: Geld stinkt doch

Von Marcel Burkhardt 12.07.2013, 20:02
Verschlammt und möglicherweise mit Bakterien kontaminiert - so kommt das Flutgeld dieser Tage bei der Bundesbank in Mainz an.
Verschlammt und möglicherweise mit Bakterien kontaminiert - so kommt das Flutgeld dieser Tage bei der Bundesbank in Mainz an. marcel burkhardt Lizenz

Halle/Mainz/MZ - Die Herren tragen Gummihandschuhe und lange Kittel und sie sehen darin auf den ersten Blick aus wie ein Arzt und sein Assistent. In einem kleinen Raum sitzen sie im hellen Licht einer Neonröhre. Es ist kein Operationssaal, eher eine schlichte Kammer, in der sich Damian Machura und Ulrich Paeth um ihre ganz speziellen „Patienten“ kümmern: große Mengen roter, blauer, rotbrauner und grüner Euroscheine - vom Hochwasser der Elbe und Mulde durchweicht, schlammüberzogen und zusammengepappt zu festen, klebrigen Bündeln.

Machura und Paeth sind Mitarbeiter des Nationalen Analysezentrums der Deutschen Bundesbank in Mainz. In diesen Tagen tauschen sie vor allem gammeliges, modrig riechendes „Flutgeld“ - auch aus Sachsen-Anhalt - in druckfrische Euro-Scheine.

Für die Hochwasseropfer ist das eine gute Nachricht: Sie können ihre beschädigten Euronoten gratis umtauschen. In vielen Fällen nehmen die Hausbanken das Geld an und leiten es an die Bundesbank weiter. Wenn dieser Service nicht angeboten wird, nimmt die Bundesbank das Geld in einer ihrer Filialen an, wenn Betroffene den rechtmäßigen Besitz nachweisen können. In Mainz werden die Geldscheine dann auf ihre Echtheit überprüft, außerdem muss mindestens die Hälfte der Banknote noch vorhanden sein. Stimmen diese Voraussetzungen, bekommen die Hochwasseropfer frisches Geld.

In durchsichtigen Plastikbeuteln, sogenannten „Safebags“, kommt das Geld früher oder später bei Machura und Paeth an. Ganz vorsichtig behandeln sie das wegen der Nässe dünn gewordene Papiergeld, lösen Schein für Schein von den Bündeln und legen sie einzeln auf saugfähiges Küchenpapier. Beim anschließenden Zählen geht es schnell in die Tausende.

Über den Köpfen der Bundesbanker summt eine Dunstabzugshaube, die den Schlammgeruch mindert. Denn viele Geldscheine sind dick verkrustet von braunem Matsch. Das Geld vor ihnen auf dem Tisch stammt aus dem sächsischen Grimma, aus einem Bankautomaten, der nicht rechtzeitig ausgeräumt werden konnte. „Die Wassermassen kamen zu schnell – die Leute konnten nur noch zuschauen, wie ihre Bank vollläuft“, sagt Michael Erbert, Gruppenleiter der Abteilung für beschädigtes Bargeld. Fälle wie diesen bearbeiten sie jetzt täglich in Mainz.

In einem der vielen verschlossenen, noch ungeprüften Safebags ist auch schon der erste „Flutgeld“-Fund aus Sachsen-Anhalt eingetroffen. Erbert schaut auf das Begleitformular und sagt knapp: „Aus Magdeburg, aus einer privaten Quelle.“ Als er den Warnhinweis der Kollegen erblickt – „Gefahr der Kontaminierung durch Schadstoffe“ –, räuspert er sich leicht. Schadstoffe, was das in diesem Fall heißt? „Sind Sie sicher, dass Sie das wirklich wissen wollen“, fragt Erbert und lacht. „Na gut, es geht um Kolibakterien. Den Rest können Sie sich ja denken.“ Auch diesen Fund werden seine Kollegen selbstverständlich mit professioneller Gründlichkeit prüfen, keine Frage.

„In den kommenden Wochen und Monaten erwarten wir noch größere Summen aus den Flutgebieten - ich gehe auch davon aus, dass aus Sachsen-Anhalt noch viel mehr Flutgeld bei uns ankommen wird“, sagt Erbert.

Etwa 100 000 Euroscheine haben die Bundesbanker bis jetzt schon erfasst. Das Registrieren, Zählen und Umtauschen von „Flutgeld“ ist trotz der Masse an Scheinen eine eher leichtere Aufgabe für die insgesamt 13 Mitarbeiter des Analysezentrums.

Schließlich haben sie es hier oft mit schwierigsten Fällen zu tun. Mit Geldbündeln, darunter auch noch D-Mark, die teils jahrzehntelang in feuchter Erde versteckt lagen und völlig vermodert sind, von Insekten, Pilzen und Feuchtigkeit zersetzt. Im Schnitt tauscht die Bundesbank täglich noch 300 000 Mark um.

Aber auch viele Euronoten kommen in erbärmlichem Zustand im Analysezentrum an. Kaum zu glauben, aber wahr, sagen die Geldexperten: Viele Deutsche vergraben ihre Euros in Krisenzeiten im Garten - vor allem aus Misstrauen gegenüber den Geldhäusern. Es kommen aber auch Banknoten, die Flammen in kohlschwarze, hauchdünne Aschefetzen verwandelt haben. Ein alltägliches Bild für die Bundesbanker sind zudem Geldscheine, deren Sicherheitsstreifen in Flammen aufgingen. Vor allem aus der Gastronomie kommt ständig solches „Mikrowellengeld“, sagen die Analysten - etwa von Kellnern, die ihr Trinkgeld im Öfchen versteckt und vergessen haben.

Uwe Holz ist einer der Spezialisten im Team, die schauen, ob sich aus schwerstbeschädigtem Material noch ein Gegenwert herausgewinnen lässt. Der 40-Jährige braucht dafür allerhand Vorstellungsvermögen, Fingerspitzengefühl, Konzentration und ein feines Gedächtnis. Denn was da vor ihm auf einem Haufen in einer Holzkiste liegt, ist ein Riesen-Puzzle aus kleinsten Geldnotenteilen. Zig Zehn-Euro-Scheine zerhäckselt. „Das Geld ging aus Versehen durch einen Aktenschredder“, sagt Holz. Hat der Besitzer von jedem Schein mehr als die Hälfte eingereicht, erhält er den vollen Gegenwert erstattet. Auch wenn dabei viel Zeit vergeht, fügt der Bundesbanker die Schnipsel wieder zu ganzen Geldscheinen zusammen - und der Besitzer hat in diesem Fall gute Chancen auf eine hübsche Überweisung aus Mainz.

Wer den Aufwand sieht, mit dem die Bundesbanker ihre Arbeit betreiben, stellt sich unweigerlich die Frage: Warum das Ganze? Michael Erbert hat dafür eine einfache Antwort: „In Deutschland ist es Aufgabe der Bundesbank, jederzeit Euro-Bargeld in hoher Qualität bereitzustellen. Dazu gehört auch das Ersetzen beschädigter Banknoten.“

Es muss sich also niemand selbst an der Geldreparatur versuchen, faul riechendes Flutgeld mit sich herumtragen oder die verschlammten Scheine sogar daheim waschen.