MZ-Interview mit Verkehrsminister Webel MZ-Interview mit Verkehrsminister Webel: 2023 soll der Betonkrebs beseitigt sein

Halle (Saale)/MZ - Betonkrebs nervt Sachsen-Anhalts Autofahrer - und macht dem Verkehrsminister viel Arbeit. Doch im MZ-Interview nimmt Thomas Webel (CDU) den Begriff nicht in den Mund - weil der Fachausdruck Alkalikieselsäure-Reaktion heißt. Mit Webel sprachen Hans-Jürgen Greye, Sibylle Quenett und Alexander Schierholz.
Herr Webel, Betonkrebs hat die A 14 bei Halle zerfressen, nach Ostern wird dort neu gebaut. Und das ist nur eine von vielen derartigen Sanierungen. Können wir keine Autobahnen mehr bauen?
Webel: Selbstverständlich können wir noch Autobahnen bauen. Dies ist ja auch weiterhin dringend notwendig. Allerdings müssen wir an einigen Stellen solche Schäden sanieren. Konkret geht es um knapp 220 von 956 Kilometern Richtungsfahrbahn, die im Land hiervon befallen sind. Betroffen sind mehrere Abschnitte der A 9, die A 14 zwischen Halle und Bernburg sowie die A 38 zwischen Halle-Süd und der Grenze zu Sachsen.
Woran liegt das?
Webel: Aus heutiger Sicht haben die Firmen damals Material verbaut, dass diese Schäden verursacht. Es wurden natürliche Baustoffe verwendet, deren Reaktionsfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt war. Dies trifft für Kiessande und Zemente zu.
Kann das Land diese Firmen dafür noch in Regress nehmen?
Webel: Das ist leider kaum möglich. Die Regresspflicht läuft nach fünf Jahren aus, die Bauvorhaben liegen in der Regel länger zurück.
Hochwertiger Porphyr-Splitt aus dem Saalekreis wird an der A 8 in Süddeutschland verbaut - und hier bestehen die Autobahnen aus minderwertigem Material. Wie kann das sein?
Webel: Die A 8 wird heute gebaut, die A 14 wurde vor 15 Jahren gebaut. Hätten wir damals die Kenntnisse von heute gehabt, hätten wir sicherlich auch auf die bekannten nichtreaktiven Gesteinskörnungen zurückgegriffen.
Wie lässt sich Betonkrebs künftig verhindern?
Webel: Das Bundesverkehrsministerium hat eine neue Richtlinie erlassen. Demnach müssen Materialien für den Autobahnbau nicht nur bestimmte Anforderungen erfüllen, sie müssen auch vorher jeweils einer Prüfung im Labor unterzogen werden.
Nach Ostern beginnen die Arbeiten an der A 14 bei Halle. Ist das der Auftakt zu einer neuen Serie von Großbaustellen im Kampf gegen den Betonkrebs in Sachsen-Anhalt?
Webel: Wir werden gemeinsam mit dem Bund von diesem Jahr an bis einschließlich 2018 rund 126 Millionen Euro in die Beseitigung solcher Schäden stecken. In diesem Jahr soll außer auf der A 14 bei Halle auch noch auf der A 9 bei Dessau-Roßlau und bei Naumburg gebaut werden.
Wird da nur geflickt oder passiert mehr?
Webel: Die Fahrbahn wird in diesen konkreten Fällen jeweils komplett erneuert, gemäß der neuen Bundesrichtlinie. Unsere Sanierungsstrategie ist jedoch grundsätzlich dreigeteilt. Einige Abschnitte werden grundhaft in Beton erneuert, andere werden durch Asphalt ersetzt, um den Schadensprozess weitestgehend einzudämmen.
Wann ist der Betonkrebs Geschichte?
Webel: 2023 wollen wir durch sein. Ich hoffe, dass das Thema durch den Einsatz geprüfter Materialien dann endgültig der Vergangenheit angehört.
Das gilt auch für die Nordverlängerung der A 14 und die A 143 westlich von Halle, wenn die denn gebaut werden?
Webel: Die werden gebaut. Da bin ich ganz sicher.
Die Naturschutzverbände tun alles, um das zu verhindern.
Webel: Da muss man differenzieren. Bei der A 143, die durch ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang führen soll, hat der Naturschutzbund Nabu zwar geklagt, aber er bringt sich auch in die Planungen ein. Wir können miteinander reden. Bei der A 14, der grünsten Autobahn Deutschlands, setzen wir uns mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auseinander. Der will diese Autobahn aus ideologischen Gründen prinzipiell nicht.
Die Verbände sagen, für die Autobahnen gebe es keinen Bedarf. Ihr Haus hat im vergangenen Jahr Ergebnisse von Verkehrszählungen veröffentlicht, die das zu bestätigen scheinen. Demnach geht das Verkehrsaufkommen auf den betreffenden Strecken zurück. Warum also neue Autobahnen?
Webel: Wir brauchen schnelle und sichere Straßen, das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft schuldig. Eine Autobahn ist die sicherste Straße überhaupt. Bei der A 14 hat das Bundesverwaltungsgericht unsere Verkehrsprognosen nicht nur nicht in Frage gestellt, sondern den Bedarf der Trasse eindeutig bestätigt. Und was die A 143 angeht: Halle muss vom Durchgangsverkehr entlastet werden. Lastwagen fahren von der A 38 nicht über die A 9 auf die A 14, die fahren durch Halle.
Wann wird sich das ändern?
Webel: Wir arbeiten daran, dass das möglichst schnell der Fall sein wird. Allerdings ist es bei der A 143 wegen der Durchquerung des Naturschutzgebietes letztlich die EU, die entscheidet.
Halten Sie das für richtig?
Webel: Es ist so gewollt. Manchmal hielte ich es allerdings für besser, die Dinge stärker vor Ort zu entscheiden. Ich denke, dass unsere Landesverwaltung über genügend Sachkenntnis verfügt.
Wann ist die A 14 durch die Altmark fertig?
Webel: Da werden wir 2020 fahren können.
Das kann aber doch nur klappen, wenn es nicht erneut Klagen gibt?
Webel: Der BUND hat ja bereits erklärt, dass er gegen jeden einzelnen Abschnitt klagen wird, auch wenn er die Planungen dazu noch gar nicht kennt. Weitere Klagen haben wir deshalb eingepreist.
Wo steht Sachsen-Anhalts Verkehrsinfrastruktur 25 Jahre nach der Wende?
Webel: Wir stehen gut da, obwohl bei den Autobahnen die Klagen einiges verzögern. Die Bahn steckt Millionen in das Schienennetz und in neue Bahnknoten, in Halle, in Magdeburg, in Köthen zum Beispiel. Bei den Wasserstraßen müssen wir uns noch um den Saale-Seitenkanal kümmern.
Das heißt?
Webel: Wir haben das Projekt erneut für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet.
Ist das nicht unrealistisch? Da steht der Kanal schon seit 1992 drin. Und nach unserem Eindruck hat der Bund das Projekt mittlerweile zu den Akten gelegt.
Webel: Da haben Sie einen falschen Eindruck. Wir haben mit dem Bund vereinbart, dass wir neu anmelden und er das Projekt wohlwollend prüft. 2015 wird dann darüber entschieden werden.
Herr Webel, Sie mussten sich auch als CDU-Landesvorsitzender kürzlich indirekt mit dem Thema Verkehr befassen - als der Landesfachausschuss Bildung in der Grundschul-Debatte an Ihnen vorbei vorschlug, Lehrer sollten pendeln. Postwendend haben Sie dieses Papier wieder kassiert.
Webel: Die Landesfachausschüsse sind Beratungsgremien. Für die Öffentlichkeitsarbeit ist der Landesvorsitzende oder ein Vertreter zuständig. Das Papier war vom Landesvorstand nicht autorisiert und auch nicht zur Veröffentlichung bestimmt.
Kritik an dem Papier kam auch von Ministerpräsident Reiner Haseloff. Der hat kurz darauf dem Innenminister die Polizeireform entzogen. In der Öffentlichkeit bleibt der Eindruck zurück, Haseloff schurigele seine eigenen Parteifreunde.
Webel: Noch einmal. Wer was an die Öffentlichkeit geben darf, ist in der CDU klar geregelt. Es hat sich schon einmal ein Landesfachausschuss einen Rüffel von mir eingefangen für eine unabgestimmte Veröffentlichung, da ging es um das Thema Steuern. Was für den einen gilt, gilt auch für den anderen. Und bei der Polizeireform hat sich der Innenminister beim Koalitionspartner noch nicht durchsetzen können. Daran müssen wir jetzt arbeiten.
Sie erwähnen Ihren Koalitionspartner. Wird die SPD das auch nach der Wahl 2016 noch sein?
Webel: Die SPD-Landesvorsitzende hat zugesichert, dass die Koalition bis 2016 stabil sein wird. Da vertraue ich ihr. Was danach kommt, entscheidet der Wähler.
Die CDU hat die Linke scharf angegriffen für deren Anerkennung der Antikapitalistischen Linken. Ist das der Versuch, die SPD zu einer Entscheidung zwischen Ihnen und der Linken zu zwingen?
Webel: Die CDU hat einen mit der Gründung der Antikapitalistischen Linken einhergehenden Linksruck innerhalb des Landesverbandes der Linkspartei thematisiert und wird dies auch weiterhin tun, zumal diese Gruppierung auf Bundesebene vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Frage, wie sich die SPD dazu verhält, muss sie für sich selbst klären. Damit verbindet sich auch die Frage, ob Sozialdemokraten mit einer Partei koalieren möchten, die offen ist für Linksextremisten, die unser System überwinden wollen.
Haben Sie die FDP als Koalitionspartner komplett abgeschrieben?
Webel: Wir haben mit der FDP von 2002 bis 2006 gut zusammengearbeitet. An diese erfolgreiche Arbeit ließe sich sicherlich anknüpfen, sollte es die FDP 2016 zurück in den Landtag schaffen. Aber aus heutiger Sicht wird das sicherlich schwierig werden.