Molmerswende Molmerswende: Kampf um die Grube
Molmerswende/MZ. - Rotes Harzer Höhenvieh ist kein Schmähbegriff für einen linken Politiker mit Wahlkreis im Mittelgebirge. Alberner Städterhumor. Tatsächlich ist das der korrekte Gattungsbegriff für Kuro, den Ochsen, wie Klaus Damert erklärt. Das Höhenvieh ist einige hundert Kilo schwer und verdankt einen Teil seiner Artbezeichnung dem rotbraun schimmernden Fell. Kuro kaut bedächtig und lässt sich auch nicht stören, als Klaus Damert ihm einen klatschenden Klapps zwischen die Hörner gibt. Man darf dem ersten Eindruck nicht trauen, zwischen dem Rindvieh mit der überbreiten Stirn und seinem hageren Herren ist noch nicht abschließend geklärt, wer den dickeren Schädel hat.
Das ahnt man, als Damert seinem Gast mit der Ich-habe-da-mal-was-vorbereitet-Geste eines Fernsehkochs einen Stapel Kopien übergibt. Vor der letzten Wahl hat der 65-jährige Rentner, promovierte Naturwissenschaftler und Vater zweier erwachsener Kinder allen Magdeburger Landtagsfraktionen geschrieben. Auch dem Petitionsausschuss. Dem Landesverwaltungsamt sowieso. Und Leserbriefe hat er verfasst, mit Politikern gesprochen, auch Nachbarn mobilisiert. Keine Frage, der Mann meint es ernst. Er hat eine Mission: Damert kämpft für eine Klärgrube.
Hohe Anschlusskosten
Und dagegen, dass durch Molmerswende Abwasserkanäle verlegt werden, um das Dorf an eine neue Kläranlage anzuschließen. "Das könnte mich 10 000 Euro und mehr kosten, dann müsste ich das erste Mal in meinem Leben Schulden machen. Ich kämpfe um mein finanzielles Überleben."
Anderthalb Stunden dauert die Fahrt von Halle in den Nordwestzipfel des Mansfelder Landes, es geht von 87 auf 322 Meter über Normalnull. Nicht die Luft, die Besiedlung wird merklich dünn. In Halle kommen auf einen Quadratkilometer 1 700 Einwohner, in Molmerswende 65 - Tendenz fallend. Seit 1994 hat das Dorf 60 Einwohner verloren, von den 260 Bewohnern sind 100 Rentner.
Bürgermeister Henry Strache sitzt in der Gaststätte "Zur Tenne". Der 52-Jährige ist auch Wirt und die Tenne ein rustikal-skurriler Ort. Hoher Saal, viel Holz, am Rande steht eine mannshohe Nachbildung des Pariser Eiffelturms, gebastelt aus 1 700 Schnapsfläschchen - das Geschenk eines Gastes. Strache verbreitet im Schatten des Eiffelturms Optimismus. "Unser Dorf wird nicht sterben, wir haben eine wirtschaftliche Basis." 19 Betriebe gebe es - vom Fleischer bis zum Dachdecker. "Die Bäckerei hat gerade die Tochter übernommen - die ist erst in den 30ern." Es gibt also Hoffnung. Allein die Abwasserfrage sorgt für Verunsicherung. Er könne sich für Kanal-Anschlusskosten noch verschulden, sagt Damert. "Aber einige hier leben von Hartz IV." Die müssten dann wohl wegziehen.
1997 wurde Ingenieur Damert frühpensioniert. Er saß in Merseburg im Zweifamilienhaus, hatte viel Zeit und Energie, etwas auf der hohen Kante und fragte seine Frau: "Und was machen wir jetzt?" Das Paar fand in der MZ eine Anzeige: Verfallenes Gehöft in Molmerswende billig abzugeben. Die Städter griffen zu, zogen aufs Land. Nach zehn Jahren ist auf 3 500 Quadratmetern Grundstück ein schmucker Hof entstanden. Und Damerts wollen ihr Alterswerk genießen. Doch da ist die Sache mit der Klärgrube. Damert ist überzeugt, dass seine Grube genügt. Sie müsse zwar mit einer biologischen Reinigungsstufe ausgerüstet werden, um modernen Anforderungen zu genügen. Das koste aber nur 2 000 Euro. Dass der Anschluss an eine Kläranlage viel teurer käme, liege an der Grundstücksgröße, die zähle bei den Anschlusskosten.
Zweifel an Klärgruben
Ob die vom Land ermöglichte Abwasser-Trendwende in Molmerswende ankommt, ist offen. Der zuständige Abwasserzweckverband hat sein neues Konzept noch nicht verabschiedet. Es gibt Zweifel, ob Klärgruben das Abwasser so gut reinigen, dass versickerndes Wasser einen nahen Bach nicht belastet. Ein Ergebnis soll die nächste Verbandsversammlung bringen. Klaus Damert hat Hoffnung geschöpft. Doch der lange Kampf ums Abwasser hat ihn auch misstrauisch gemacht. "Hoffentlich kommt als nächstes nicht einer auf die Idee, hier die Straßen zu erneuern."