Mindestlohn für Friseure Mindestlohn für Friseure: Preise steigen um bis zu 30 Prozent

Halle (Saale)/MZ - Die Kuhgasse in Halle ist gerade einmal 150 Meter lang und doch ist sie etwas Besonderes. Drei Friseure haben hier hintereinander ihre Studios. Eines am Beginn, eines in der Mitte, eines am Ende der Gasse. Diese 150 Meter verdeutlichen ein grundsätzliches Problem der Branche. Der Konkurrenzdruck ist hoch, die Kosten für den Wareneinsatz sind fix. Flexibel ist nur eines: der Lohn der Angestellten.
Doch damit ist seit gestern Schluss. Zumindest nach unten. Seit dem 1. August gilt im Friseurhandwerk ein Mindestlohn von 6,50 Euro in Ostdeutschland und 7,50 Euro in Westdeutschland. „Wir begrüßen den Mindestlohn“, sagt die Obermeisterin der Friseurinnung Halle-Merseburg-Saalkreis, Bettina Pfeiffer: „Das ist gut für die Angestellten, die endlich einheitlich anständig bezahlt werden.“ Doch Pfeiffer rechnet auch mit deutlichen Preiserhöhungen für die Kunden. In ihrem eigenen Salon in Schkopau (Saalekreis) hat sie gerade die Preise für alle Haarschnitte um 20 Prozent nach oben korrigiert.
Das liegt noch weit unter der Erhöhung, die Carmen Brühl machen musste. Bei ihr kosten jetzt alle Haarschnitte 30 Prozent mehr. Sie betreibt den mittleren Salon in der halleschen Kuhgasse. Er ist klein, eine Handvoll Frisierplätze, dazu ein großes Spiegeldreieck in der Mitte und zwei Waschbecken. „Ich zahle jetzt für meine zwei Angestellten Mindestlohn“, sagt sie. Vorher habe sie sich immer davor gescheut, da sie unsicher war, ob ihre Stammkunden die höheren Kosten mitmachen. „Es ist eine Frage des Wertes unserer Arbeit“, betont Brühl. Dazu zählt sie sich selbst auch, denn „der Chef arbeitet am meisten und bei den alten Preisen blieb da auch sehr wenig.“
Zu ihrer Überraschung ist der überwiegende Teil ihrer Stammkunden die Preiserhöhung mitgegangen. Brühl sagt, dass gerade zwei gesagt hätten, dass sie nicht mehr kommen wollen. Eva Deseife, die sich seit 25 Jahren bei Brühl die Haare schneiden lässt, ist auch bereit mehr Geld zu zahlen: „Sicherlich findet es jeder schlimm, wenn es mehr kostet, aber die Friseurinnen sind vorher einfach unter Wert bezahlt worden.“
In kleineren Städten sind die Preise niedriger
Auch in anderen Friseurläden in Halle sind die Kunden sich einig. „Ich bin auf jeden Fall bereit, mehr für eine gute Leistung zu zahlen“, sagt Vanessa Massholder. Die 27-Jährige geht alle zwei Monate zum Friseur. „Mir kommt es vor allem auf die Qualität an“, sagt sie. Auch Carl Schumann zahlt ohne zu murren mehr. Sein Friseur hat vor Kurzem erst die Preise um fünf Euro erhöht. „25 Euro bin ich bereit, für einen Schnitt zu zahlen“, sagt der 18-Jährige.
Auch Friseur Jens Koegel kennt diese Bereitschaft der Kunden. Der 57-Jährige nimmt schon seit Jahren höhere Preise. Ein Herrenhaarschnitt kostet bei ihm zwischen 25 und 30 Euro, ein Damenhaarschnitt 40 bis 50 Euro. „Wir müssen einfach anständige Preise nehmen: Für eine halbe Stunde Arbeit einer Angestellten brauchen wir 50 Euro Deckung“, sagt er. Darum kann Koegel beinah allen seinen Angestellten schon jetzt mehr als den Mindestlohn zahlen. „Bei ein oder zwei Neuen muss ich nachlegen, ansonsten ist das nicht unser Thema.“ Allerdings weiß er um die Angst, höhere Preise zu nehmen. Koegel hat noch einen Salon in Weißenfels, da ist er mit den Preisen 15 Prozent niedriger. „Es ist in kleineren Städten einfach schwieriger“, sagt er.
Doch auch in Halle geht in einigen Salons die Angst vor ausbleibenden Kunden um. In einem anderen Friseurgeschäft nahe dem Leipziger Turm will eine Angestellte, die gleichzeitig Filialleiterin ist, nichts vom Mindestlohn wissen. „Die Preise sind jetzt schon zu hoch“, sagt sie: „Wir sehen an unseren Umsätzen doch, was geht und was nicht.“ Sie hat Angst um ihren Arbeitsplatz. Im Januar habe der Salon schon seine Preise wegen der höheren Kosten anheben müssen, da blieben sofort einige Kunden weg. Auch jetzt, um die Mittagszeit, ist es eher ruhig, kaum einer der Frisierplätze ist besetzt. Bisher wird bei ihr im Salon kein Mindestlohn gezahlt, schließlich sei man nicht in der Friseurinnung.
Angst vor steigender Schwarzarbeit
Das ist allerdings ein Trugschluss, wie Obermeisterin Pfeiffer sagt. „Wir gehen davon aus, dass der Mindestlohn demnächst für allgemeinverbindlich erklärt wird.“ Das heißt, dass dann alle Angestellten eines Friseursalons von der Kosmetikerin bis zur Reinigungskraft den Mindestlohn bekommen – unabhängig davon, ob der Betrieb in der Innung ist. Für diejenigen, die jetzt noch nicht auf den Mindestlohn umgestellt haben, kann es dann teuer werden. „Wenn die Allgemeinverbindlichkeit kommt, dann müssen die höheren Löhne rückwirkend zum 1. August gezahlt werden“, sagt Pfeiffer. Eine große Angst hat die Innungsmeisterin aber: Die Schwarzarbeit könnte wegen des Mindestlohns steigen.
Diese Gefahr sieht die Gewerkschaft Verdi, die den neuen Tarifvertrag mit ausgehandelt hat, nicht. „Viele haben doch erst mit der Schwarzarbeit angefangen, weil der Lohn nicht reichte“, sagt Gewerkschaftssekretär Dieter Seyfarth. Für ihn ist der Mindestlohn ein Segen, auch wenn er weiß, dass es für einige Geschäfte schwierig wird. „Es werden sicher einige Billigläden sterben.“



