Matthias Winkler Matthias Winkler: Hallescher Unternehmer im Haus am (Auen)See
Leipzig/MZ. - Dann kommt dieser Bass und der abgezockte Profi wird für einen Moment wieder, was er ganz zu Anfang war. Matthias Winkler krümmt sich nach unten weg und verdreht genüsslich die Augen. So ging der Bass direkt in den Bauch. "Das Beste, was ich seit langem erlebt habe", sagt der Fan, über die Show, die Peter Fox und das Berliner Reggae-Orchester Seeed in der ausverkauften Arena Leipzig geboten hatten. Die Show hat Winkler, 47 Jahre alt, zurückgekämmtes Haar und Hände, die dauernd in Bewegung sind, natürlich selbst organisiert, wie etwa 250 andere kleine, größere und ganz große Konzerte in den vergangenen zwölf Monaten. Und wie weit mehr als 3.000 seit Ende der 80er Jahre.
Damals, in den letzten Monaten der DDR, war Matthias Winkler noch Student der Pflanzenproduktion auf dem vorgezeichneten Ackerweg in die sozialistische Landwirtschaft. Als die Uni jemanden sucht, der den Fakultätsball organisiert, meldet er sich. Und als die Party ein Erfolg wird, hat Winkler schon Geschmack an der Sache gefunden. "Ich habe dann neben dem Studium für unbekannte Gruppen Auftritte rangeschafft."
Die große weite Welt des richtigen Rock'n'Roll öffnet sich dem Hobby-Veranstalter mit dem Mauerfall. Nur ein paar Tage danach stiefelt Winkler ins Rathaus, um sich eine Gewerbegenehmigung als Konzert-Promoter zu holen. Die Erlaubnis, bis dahin der staatlichen Konzertagentur vorbehalten, wird schnell auf ein Blatt Papier getippt. Erledigt. "Plötzlich hat keiner mehr gefragt, ob du das darfst."
Statt der Europameisterin der Kosmetikerinnen, für die er bis dahin Engagements besorgt hatte, betreut der fast fertige Landwirt, der "eigentlich sowieso nie Lust hatte, nach dem Studium aufs Dorf zu ziehen", nun Stars wie Billy Bragg, Nirvana, Willy de Ville oder die Metalgötter Manowar. 25 Jahre alt ist der Chef von Mawi-Concert, aber er ruft Agenturen in den USA an und pokert mit Managern in London wie ein Alter. Viel zu verlieren hat er nicht, denn das Finanzpolster für ein Konzert besteht anfangs immer nur aus den Einnahmen des vorherigen. "Kredite hat einem damals in diesem Geschäft keiner gegeben."
Das ist zwanzig Jahre später ganz anders. Matthias Winkler, der nach wie vor mit Frau und seinen beiden Kindern in Halle wohnt, hatte keine Probleme, den Traum finanzieren zu lassen, den er schon lange hegte. Ein Traum wie aus dem Lied von Peter Fox: Am Ende der Straße steht ein Haus am See, zwar ohne Orangenbaumblätter auf dem Weg, aber mit jeder Menge neuer Möglichkeiten.
Zwei Millionen Euro investiert
Das Haus heißt Auensee. Und nachdem Winkler das altehrwürdige Gebäude am Leipziger Stadtrand vom Insolvenzverwalter des früheren Betreibers gekauft hat, werkeln derzeit Handwerker-Kolonnen daran, den knapp hundert Jahre alten, denkmalgeschützten Saal zu einem modernen Konzerttempel umzubauen. Zwei Millionen Euro investiert Mawi Concert in das frühere Hauptgebäude des Freizeitgeländes Luna-Park, das ein Leipziger Unternehmer Anfang des vorigen Jahrhunderts an der Grube errichtet hatte, aus der der Kies für den Bau des Leipziger Hauptbahnhofes gebaggert worden war. Winkler hat sich mit der Geschichte beschäftigt und ist fasziniert. "Mit seiner Gebirgsbahn und dem Hippodrom war der Luna-Park sogar moderner als alles, was es damals in den USA gab." Auch die Geschichte seit der Wende ist imposant, trotz aller Betreiberwechsel und trotz der langen trüben Jahre als stumpfe Großraumdisko. "Wer hier schon alles gespielt hat", schwärmt Rock-Fan Matthias Winkler, "von den Pet Shop Boys über Rammstein bis zu Kraftwerk und Alice Cooper."
Für das neue Haus Auensee baut der Mann mit dem fast pausenlos klingelnden Handy auf eine Kombination aus altem Flair und zeitgemäßem Konzerterlebnis. "Wir haben Wände rausgebrochen und eine zusätzliche Galerie eingebaut", beschreibt er. Fünfzehn Meter tief in die feuchte Auen-Erde reichen die Pfähle, auf denen der neue Rang ruht, von dem aus 800 zusätzliche Zuschauer besten Blick auf die Bühne unter dem sanierten Stuckband haben. "Herbert Grönemeyer war bei seinem Konzert hier total begeistert vom Ambiente", sagt Winkler.
Konzert auf der Baustelle
Ihm ist die Begeisterung über das riesige Glasfenster an der Bar, die Extra-Treppe für den Rang und die neue Raumaufteilung anzumerken. "Ich habe mir das ja alles ausgedacht", erzählt er, "weil ich finde, dass diese Halle nur das Beste verdient." Bei Grönemeyers Auftritt war die Farbe an den Trägern der Galerie noch feucht. Vormittags hatten sie die Baustelle aufgeräumt, nachmittags war Soundcheck, abends dann das Konzert. "Danach kamen die Bauarbeiter zurück."
Eine Operation am offenen Herzen, die im Frühjahr beendet sein soll. Matthias Winkler verspricht sich viel vom Haus am See, neben dem künftig auch seine Firmenzentrale stehen soll. "Mit den 3.500 Menschen, die reinpassen, schließt es endlich die Lücke unterhalb der Arena in Leipzig." Dort, in der gigantischen 12.000 Zuschauer fassenden Halle, können zwar auch Konzerte mit Bands veranstaltet werden, die nur 3.000 oder 4.000 Fans anziehen. "Aber die Kosten sind dann so hoch, dass Musiker und Veranstalter kaum noch etwas verdienen."
So blieben viele Konzerte in der Region bisher ungespielt, obwohl das Geschäft mit Live-Erlebnissen selbst in der Wirtschaftskrise boomt wie nie. Winkler, der inzwischen 16 Mitarbeiter beschäftigt, ist darüber nicht weiter verwundert. "Das ist wie in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts", analysiert er, "wenn das Geld knapp wird, gehen die Leute tanzen."
Mit dem neuen Auensee will Winkler dem wachsenden Bedarf entgegenkommen und eine Tradition weiterführen, von der der Mann, der schon Stones-, The Who- und - McCartney-Konzerte veranstaltet hat, mit einer gewissen Ehrfurcht spricht. "Wir bekommen hier in Zukunft Bands und Künstler unter, für die es bisher keine Adresse in Mitteldeutschland gab." Mit einigen davon ist der Konzertveranstalter in Verhandlungen, mit anderen stehen die Verträge schon (siehe "Viele Höhepunkte").
Neue Superstars
Angst vor Zeiten, in denen alte Helden wie die Stones, Paul McCartney oder Depeche Mode nicht mehr die Stadien füllen und Status Quo, Joe Cocker oder Joe Satriani nicht mehr für volle Säle sorgen, hat Winkler nicht. "Es kommen immer neue Superstars nach". sagt er, "auch wenn es nie so aussieht". Doch Bands wie Coldplay, The Killers oder auch die Deutschen Clueso, Peter Fox und Philipp Poisel seien jetzt schon in der Lage, große Arenen zu füllen. Poisel etwa gastiert im Januar noch einmal im Auensee, bespielt im Sommer dann aber schon die riesige Freifläche vor dem Völkerschlachtdenkmal. "Dabei ist der Junge noch nicht einmal 30", zieht Matthias Winkler den imaginären Hut.
Das Haus am See wird gut gebucht sein, auch wenn eine neue Generation das Zepter von heutigen Größen wie Peter Maffay, Alice Cooper oder Fanta 4 übernimmt. "Es geht immer weiter", sagt Winkler, "und das schöne daran ist: Die Bands und ihre Shows werden immer besser."