Martin Bormann Martin Bormann: Hilters Patenkind auf langer Mission
Halle/MZ. - "Es muss ja nicht gleich ein Himmler sein, aber ein Göring oder so." Da wisse man wenigstens schon beim Namen, was Sache sei. Das Mädchen in der letzten Reihe flüstert ihrer Freundin ins Ohr, was an diesem Morgen auch anderen Schülern in der Aula des halleschen Elisabeth-Gymnasiums durch den Kopf zu gehen scheint: Den Sohn eines der schlimmsten Nazi-Bonzen des Dritten Reichs haben sie sich anders vorgestellt.
Was nicht allein daran liegt, dass der mittlerweile 73-jährige Martin Bormann junior einen Namen trägt, der auf Anhieb ohnehin nur noch älteren Deutschen geläufig ist. Und selbst von denen bekommen heute viele nur mit Mühe zusammen, dass NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann senior einst Freund und Feind als Hitlers treuster Vasall gegolten hat.
Doch der Gast weiß, zu wem er an diesem Mittwochvormittag spricht. Nicht Historiker oder Zeitzeugen sind es, die da trotz der Länge des Vortrags so diszipliniert, weil neugierig an seinen Lippen hängen. Es sind Mädchen und Jungen, die sich partout nicht vorstellen können, dass er in ihrem Alter stolz darauf war, Hitlers Patenkind zu sein.
Und so weiht Martin Bormann, der nach dem Krieg sein Heil im Übertritt zum Katholizismus gesucht und gefunden hat, die Elisabeth-Schüler in seine ganz persönliche Familiengeschichte ein. Dabei versucht er über weite Strecken so verlegen einem roten Faden zu folgen Z-TITEL: "Niemand kann sich seine Eltern aussuchen, und niemand kann sie jemals loswerden." Martin Bormann junior
wie manch sonst so cooler Gymnasiast bei der mündlichen Abitur-Prüfung. Erzählt vom alten Bormann, dem er "als Vater nichts vorzuwerfen" habe, vor dessen politischer Verantwortung für den Massenmord an fremden Völkern und am eigenen Volk ihm aber bis heute graut. Er versucht, Gründe für dessen Irrweg auch in der unglücklichen Kindheit zu finden. "Schlimm ist, dass mein Vater und seine Geschwister bei ihrem Stiefvater nie das Herz entdeckt haben."
Damit haben Bormanns junge Zuhörer bei ihm keine Schwierigkeiten. Anfangs etwas zögerlich, dann jedoch mit Enthusiasmus fragen die Schüler den Gast darüber aus, was ihnen im Vortrag zu kurz gekommen schien. Etwa, ob er eine persönliche Schuld oder Verantwortung empfinde. Schuld - nein. "Niemand kann sich seine Eltern aussuchen, und niemand kann sie jemals loswerden."
Verantwortung - ja. Schon früh habe er sich gemeinsam mit anderen Nazi-Kindern um eine Aussöhnung mit den Nachkommen der Opfer des von seinem Vater mit angezettelten Holocaust bemüht. Aus dieser Initiative sei mittlerweile eine weltweite Bewegung geworden, in der sich Protestanten und Katholiken aus Nordirland, Israelis und Palästinenser ebenso engagierten wie etwa ehemalige Apartheid-Verfechter und -Opfer aus Südafrika.
Dem Schicksal von Martin Bormann und anderen Kindern prominenter Nazis widmet sich das im Blessing-Verlag München erschienene Buch "Denn Du trägst meinen Namen".