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Unister-Prozess Unister-Prozess: "Thomas war außer sich vor Wut"

Von Steffen Höhne 17.03.2017, 09:09
Menschen haben Blumen im Juli 2016 am Eingang der Unister Firmenzentrale im Leipziger Zentrum (Barfußgässchen) niedergelegt. Firmengründer Thomas Wagner war am 14. Juli 2016 in Slowenien in einem Privatflugzeug abgestürzt.
Menschen haben Blumen im Juli 2016 am Eingang der Unister Firmenzentrale im Leipziger Zentrum (Barfußgässchen) niedergelegt. Firmengründer Thomas Wagner war am 14. Juli 2016 in Slowenien in einem Privatflugzeug abgestürzt. imago stock&people

Leipzig - Richter Norbert Röger lässt Janka L. ausrufen. In den Gerichtssaal 115 im Landgericht Leipzig kommt eine junge Frau mit langen blonden Haaren, heller Bluse und engen Jeans. Ihr Gesicht ist gerötet. Sie wirkt aufgewühlt. Als Zeugin nimmt sie auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes Platz.

Unister-Prozess in Leipzig: Lebensgefährtin gibt Einblick in die letzten Stunden des Internet-Unternehmers

Die heute 34-Jährige Leipzigerin war die Lebensgefährtin des tödlich verunglückten Unister-Chefs Thomas Wagner und sie bietet in ihrer zwanzigminütigen Aussage einen Einblick in die letzten Stunden des schillernden Internet-Unternehmers. Das Gericht erhofft sich von ihr im Betrugsprozess gegen den Finanzvermittler Wilfried S. nähere Auskünfte, wie es dazu kam, dass Wagner am 13. Juli 2016 durch Betrug in Venedig 1,5 Millionen Euro verlor. Einen Tag später, auf dem Rückflug von Italien nach Leipzig, verunglückten Wagner (38), Mitgesellschafter Oliver Schilling (39), Finanzberater Heinz Horst Beck (65) und der Pilot mit einem Kleinflugzeug in Slowenien tödlich.

Zunächst berichtet die gelernte Reiseverkehrsfrau Bekanntes: Der Leipziger Immobilien-Unternehmer Oliver B. und der Ex-Banker Karsten K. hätten ihm einen Kredit außerhalb von Banken vermitteln wollen. Dabei seien die Finanzberater Heinz Horst Beck und der Angeklagte Wilfried S. kontaktiert worden, die den angeblichen israelischen Diamanten-Händler Levy V. als Kreditgeber für 15 Millionen Euro an der Hand hatten. „Thomas hatte anfangs große Zweifel, doch Oliver B. und Karsten K. vertraute er“, schildert die frühere Lebensgefährtin. Der Darlehensvertrag, der eine Sicherheit von 1,5 Millionen Euro in bar vorsah, schien ihm in Ordnung. Dass Wagner mit dem Kleinflugzeug reiste, hatte laut Janka L. vor allem den Grund, dass er so sehr flexibel reisen konnte und der Flug recht günstig war. Der Vermittler Beck hatte die Piper gechartert. Richter Norbert Röger fragte nach, ob so der Zoll und damit ein sogenanntes Bargeldverbot bei Geschäften über 10 000 Euro in Italien umgangen werden sollte. Er las aus Polizeiprotokollen aus dem Jahr 2016 mit Janka L vor, in denen das bereits thematisiert wurde. Wagners Freundin erklärte, aus ihrer Sicht spielte das keine Rolle.

Thomas Wagner zum Fall in Venedig: „Ich habe nicht gemerkt, dass darunter nur Falschgeld war.“

Was am 13. Juli 2016 in Venedig passierte, berichtet ihr Wagner abends am Telefon. „Thomas war außer sich vor Wut“, erzählt sie heute. Er konnte es nicht fassen, Betrügern aufgesessen zu sein. Wagner schildert ihr den Tag so: Zunächst habe man im Hotel „Antonys Place“ den angeblichen Diamanten-Händler Levy V. getroffen, Beck hätte diesen freundschaftlich begrüßt. Anschließend habe er Levy V. den Koffer mit 1,5 Millionen Euro übergeben und im Gegenzug angeblich vier Millionen Schweizer Franken erhalten. Dann hätte sich Levy V. umgehend verabschiedet, sei zum vereinbarten Bank-Termin dann nicht mehr erschienen.

Am Telefon sagte Wagner später zu seiner Lebensgefährtin: „Es ging alles so schnell.“ Er prüfte in einem Wechselautomaten auch nur einen der oben liegenden Scheine auf Echtheit. „Ich habe nicht gemerkt, dass darunter nur Falschgeld war.“ Das fiel Wagner erst bei der Fahrt zum Airport auf.

„Thomas hatte dann auch den Finanzvermittler S. angerufen, der den direkten Kontakt zu Levy S. vermittelt hatte. Dieser meinte, er könne sich nicht vorstellen, dass Levy so etwas mache“, erzählt Janka L. Es fällt ihr schwer, sich an all das erinnern zu müssen. Die Stimme ist manchmal brüchig. Finanzvermittler S., der keine zwei Meter von ihr auf der Anklagebank sitzt, schaut sie nur mit leerem Blick an. (mz)