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Größte Arktis-Expedition aller Zeiten Tropos Institut Leipzig: Forscher aus Leipzig reist ins Nordpolarmeer

Von Christian Schafmeister 25.11.2018, 17:57
Der deutsche Forschungseisbrecher „Polarstern “ startet 2019 zur  bisher größten Arktis-Expedition.
Der deutsche Forschungseisbrecher „Polarstern “ startet 2019 zur  bisher größten Arktis-Expedition. Alfred-Wegener-Institut, Helmhol

Leipzig - Andreas Macke kommt an diesem November-Tag ein wenig genervt in seinem Büro im Leipziger Osten an. „Mein Zug aus Kiel hatte Verspätung“, entschuldigt sich der Direktor des Leibniz-Institutes für Troposphärenforschung (Tropos).

In eineinhalb Jahren, im Sommer 2020, wird er an solche Tage aber wohl mit einem entspannten Lächeln zurückdenken - und das aus gutem Grund. Mitte Juni 2020 fährt Macke mit einem schwedischen Eisbrecher - statt einem ICE - zu seinem Arbeitsplatz. Der liegt dann im Nordpolarmeer. Die Anreise dauert sieben Tage - mögliche Verspätungen nicht eingerechnet. Wofür aber so ein Aufwand?

Macke, Physiker und Meteorologe, nimmt auf dem deutschen Forschungseisbrecher „Polarstern“ an der größten Expedition teil, die es jemals in der Arktis gegeben hat. Insgesamt 600 Wissenschaftler und Besatzungsmitglieder lassen sich - fest eingefroren im Eis - ein Jahr durch das Nordpolarmeer treiben. In der Zeit erheben sie Unmengen an Daten. Sie hoffen, damit die Folgen des Klimawandels besser verstehen zu können.

Versorgt werden Forscher und Besatzung von mehreren Eisbrechern und Flugzeugen, für die in der Arktis eigens eine Start- und Landebahn errichtet wird.

Die „Polarstern“ wird im September 2019 vom norwegischen Tromsø starten. Macke ist zwei Monate an Bord, von Mitte Juni bis Mitte August 2020. In der Zeit hat er mit einem Kollegen vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) eine besondere Aufgabe: Sie sind in dem fünften von sechs Expeditionsabschnitten Fahrdienstleiter, das heißt, sie sind verantwortlich für die 50 Wissenschaftler auf der „Polarstern“.

„Natürlich ist das der Höhepunkt meiner wissenschaftlichen Karriere“, betont der Physiker. Ende 2017 habe er die Anfrage bekommen.

Eine Woche habe er das Thema mit seiner Familie in Kiel besprochen und dann zugesagt. „Das ist so eine große Sache, da konnte ich einfach nicht Nein sagen.“ Dennoch blickt Macke der Expedition mit gemischten Gefühlen entgegen. „Natürlich sind viel Freude und Neugierde dabei, aber auch ein wenig Nervosität.“

Forschung im Nordpolarmeer: Das haben der Leipziger vom Tropos Institut und seine Kollegen vor

Nach dem Start im September 2019, so der Plan, suchen sich die Wissenschaftler zunächst eine passende Eisscholle. Diese sollte einen Durchmesser von einigen Kilometern und eine Stärke von mindestens 1,50 Metern haben.

„Die Auswahl erfolgt mittels Satelliten-Aufnahmen. Die Bilder haben eine Auflösung von wenigen Metern.“ An dieser Scholle wird das Schiff festgemacht und danach durch das immer dicker werdende Eis treiben. Dabei befindet sich das Schiff meist sogar nördlich des 87. Breitengrades.

Andreas Macke und seine Kollegen schreiben damit Forschungsgeschichte fort. Vor 125 Jahren war Fridjof Nansen mit seinem Segelschiff „Fram“ zur ersten Drift-Expedition aufgebrochen. „Das war eine echte Pionierleistung, eine Fahrt ins Unbekannte.“ Nie zuvor war jemand so weit im Norden. Nansen hatte neben einem Thermometer aber kaum Instrumente dabei. Die „Polarstern“ indes ist voll mit modernsten Messgeräten. Und die sollen bestmöglich eingesetzt werden.

So errichten die Forscher in der Arktis, die als Wetterküche und Frühwarnsystem für den Klimawandel gilt und sich viel schneller erwärmt als der Rest der Erde, in einem Umkreis von 50 Kilometern um die „Polarstern“ ein Netzwerk von Forschungscamps. Dort werden Messstellen aufgebaut, um Ozean, Eis, Atmosphäre und das Leben in der Arktis erforschen zu können.

Zu Mackes Aufgaben gehört aber auch, Wissenschaftler bei schlechten Wetterbedingungen zurück an Bord zu beordern. „Bisher haben mir die Kollegen bei Expeditionen stets gehorcht, auch wenn sie in so einem Fall meist nicht besonders glücklich sind“, sagt Macke.

Und auch auf Eisbär-Angriffe müssen die Forscher vorbereitet sein. „Daher haben wir nicht nur eine Eisbärwache an Bord, sondern auch professionelle Jäger.“ Letztlich sind Macke und sein Kollege rund um die Uhr gefordert. „Wir sind jeden Tag 24 Stunden im Dienst, einer von uns muss ständig präsent sein.“ Dafür genießen beide ein Privileg: Sie haben als einzige Forscher Einzelkabinen an Bord.

So läuft der Tag des Wissenschaftlers vom Tropos Institut im Nordpolarmeer ab

Dort beginnt der Tag um 7 Uhr. Auf der Brücke wird besprochen, welche Forscher an dem Tag mit welchen Geräten arbeiten. Nach dem Frühstück um 7.30 Uhr folgen Beratungen mit Meteorologen und Piloten. „Da geht es darum, ob die Hubschrauber starten können und welche Wissenschaftler mitfliegen“, sagt Macke.

Danach sind die Wissenschaftler möglichst den gesamten Tag bei der Arbeit. Um 19 Uhr wird der Tag ausgewertet und der nächste Tag besprochen.

Das Leipziger Tropos-Institut ist aber nicht nur durch Andreas Macke als Fahrdienstleiter in der Arktis mit dabei, sondern beteiligt sich auch mit zwei großen Messungen an der Expedition.

Mittels Radar und Laser werden zum einen Verteilung und Konzentration sogenannter Aerosole in der Atmosphäre erfasst. Die feinen Staubpartikel sind von großer Bedeutung für die Wolkenbildung, da sich jedes Wassertröpfchen zunächst um ein solches Staubteilchen herum bildet.

Zum anderen bringt ein 90 Kubikmeter großer Fesselballon im Sommer 2020 mehrere Messsysteme bis in 1.500 Meter Höhe. Erfasst werden unter anderem Daten zu Wasser, Eis, Aerosolen, Temperatur und Feuchtigkeit. „Wir messen praktisch die arktische Bewölkung“, erläutert Macke.

Und damit in der Arktis alles perfekt funktioniert, wird schon Anfang 2019 trainiert. Nahe Torgau lassen Tropos-Wissenschaftler jeden Tag ihren Fesselballon mit Messgeräten aufsteigen.

„Jeder Handgriff muss sitzen, damit der Ballon im Notfall schnell heruntergeholt werden kann“, sagt Macke. Damit die Bedingungen denen in der Arktis nahe kommen, tragen die Forscher bei ihren Tests schon Polarkleidung.

An Bord geht Macke dann aber nur mit kleinem Gepäck. „Ich muss nicht zwei Monate aus dem Koffer leben, es gibt es einen Wäscheservice.“ Aber nicht nur das Gepäck, auch die Zahl der bekannten Kollegen ist überschaubar,.

„Auf so einer Expedition werden Wissenschaftler aber schnell zu einer großen Familie.“ Der Austausch ist für Macke auch das, worauf er sich am meisten freut. „Das Schiff ist dann wie ein Vier-Sterne-Hotel voll mit Experten aus insgesamt 17 Ländern.“

Geht alles gut, tritt Macke Mitte August 2020 die Heimreise an. Zurück geht es auf einem chinesischen Eisbrecher. Und ab dann wieder mit dem ICE aus Kiel zur Arbeit nach Leipzig. (mz)