"WorldWired"-Tour Metallica "WorldWired"-Tour: Stahlgewitter in der Arena Leipzig
Leipzig - Achtung, Männerüberschuss in der Arena Leipzig! Die US-amerikanische Metal-Band „Metallica“, eine der erfolgreichsten Rockgruppen der Welt, lud am Montagabend in der prall gefüllten Mehrzweckhalle zum schweißtreibenden Stelldichein.
Kaum ist man vorbei an der personalisierten Ticketkontrolle, empfängt kurz vor 21 Uhr eine erregte Atmosphäre. Pfiffe, Vorfreude, Ungeduld, Begeisterung. Und überall diese gehörnte Hand, dieser in der Szene so beliebte Satansgruß, der den kleinen und den Zeigefinger von der Faust abspreizt. Willkommen in der Hölle?
Metallica in Leipzig mit Fans auf Tuchfühlung
Im Publikum ein „Fuck you, Hippie“-T-Shirt hier, ein bedrucktes Bekenntnis zu Elsterglanz und der Musikgruppe Ramones dort. Dann endlich bringt der AC/DC-Klassiker „It's a long way to the top“ erlösende Vibrationen, gleich geht es los, gleich bricht sich der Wahnsinn Bahn.
Ennio Morricones „The Ecstasy of Gold“, ein Dosenöffner, der seit Jahren Metallica begleitet, kommt noch getragen daher.
Dazu schreitet auf den unzähligen Videokästchen, die äußerst beweglich über der Bühne baumeln, ein Mann zwischen Gräbern. Schon sind die Hände oben, die in schwarz gekleideten James Hetfield (Gesang und Gitarre), Kirk Hammett (Gitarre), Robert Trujillo (E-Bass) und Lars Ulrich (Schlagzeug) müssen noch nicht viel tun, das schwül-heiße Klima der Arena lässt sie als Heroen auf jene Bühne schreiten, die dank ihrer mittigen Ausrichtung eine ganz besondere Tuchfühlung ermöglicht.
Metallica präsentieren „Hardwired... To Self-Destruct“
Im Nacken sitzen stolze 37 Jahre Bandgeschichte, „Hardwired... To Self-Destruct“, veranlagt zur Selbstzerstörung, heißt das aktuelle Metallica-Album, der Song „Hardwired“ eröffnet.
Ein Trommelgewitter hier, ein diabolisches Lachen dort. Mal steht Frontmann Hetfield, der sanfte Riese mit Hang zur Selbstironie, breitbeinig und platzbehauptend, mal jagen sich die Bandmitglieder, die Händen an den Gitarren, wie kleine Kinder auf dem Spielplatz über die Bühne.
Metallica präsentieren Klassiker in Leipzig
Es gibt sieben Stücke vom aktuellen Album, mittendrin noch die Klassiker: „Seek & Destroy“, „Motorbreath“, „Creeping Death“, „One“ oder „Nothing Else Matters“. Im Publikum sieht man Männer, die obszön lange und innigst vertieft Luftgitarre spielen, im Foyer halten einige schon während des Konzertes ein Ausnüchterungsschläfchen.
Hetfield spricht von der wilden, schönen und tiefen Metallica-Familie, die quer durch alle Altersschichten und Hautfarben geht. „He, he, he“-, und „Ho, ho, ho“-Chöre, blaue und rote Scheinwerfer.
James Hetfield im schwachen Scheinwerferlicht
Vereinzelt ist es ganz dunkel, dann fällt nur ein schmales Licht auf Frontmann Hetfield, dessen pulsierende Halsschlagadern eine einzige Wahrheit zu verkünden scheinen: die Wut. Es brodelt, es brandet, es tobt, es vibriert. Hart und unerbittlich.
Große Gesten, große Gefühle, gnadenloses Gebrüll. Das ist Lärm als kultische Handlung, das ist Druckabbau in zu engen Hosen. Handkantenansagen des Frontmannes: Wenn man ewig leben will, muss man vorher sterben.
Und immer sorgen die beweglichen Videokästchen, mal fahren sie auf, mal schweben sie ab, für eine optische Reizüberflutung. Da gibt es unendlich viele dynamisch wechselnde Bilderreihen: Mal fügen sie sich wie Puzzleteile, mal reißen sie Zusammenhänge auseinander.
Metallica: Visueller Rausch in Arena Leipzig
Zu sehen sind historische Aufnahmen, Konzerttickets und Mitschnitte vergangener Jahre. Zu sehen sind Live-Einstellungen und die großen Metaphern: Adam und Eva, der Apfel, die Verführung, das Spielkasino, die Rotlichtviertel, die Großstadtbüros, der Teufel, Totenschädel, verzerrte Gesichter, weiße Zähne, die Knarren und der Krieg, es regnet Kreuze, der Metallica-Schriftzug erscheint auf der schwarz-rot-goldenen Deutschlandfahne.
Ein permanenter visueller Rausch. Dann wieder gibt es archaische Szenen, einmal treffen sich alle vier Musiker in der Bühnenmitte zum gemeinsamen Trommeln. Das ist ein Stammesritual, echter Weltschmerz und eine unzerstörbare Familie.
Metallica erzeugen Stahlgewitter in Leipzig
Egal, ob im brennenden Wüstensand oder im eisiger Frost. Nicht zu vergessen: Die kleinen Ruhepausen, in denen es melodisch, fast schon sanft und zärtlich, wird. Alles nur, um danach umso heftiger das Stahlgewitter prasseln zu lassen. Plötzlich tanzen wildromantische Glühwürmchen kreisend über den Schlagzeuger.
Alles nur, um dann noch heftiger auf die Instrumente einzuprügeln. Auf der Bühne zischt Feuer empor. Keine Frage, man kann diese Show auch sinnfrei, monoton und langweilig finden. Nur diese Verausgabung, diese religiöse Energie, die sich schreiend vom Dreck der Tage befreit und alle Fans auf den Knien ihres Herzens beglückt, wird man so nicht verstehen können. Nach gut zweieinhalb Stunden beschließt der Song „Enter Sandman“ die Metal-Messe. Euphorie und Trunkenheit allerorten. (mz)