Linksextremismus-Prozess Kronzeuge widerspricht sich - Plädoyers im Fall Lina E. unterbrochen
Der Prozess gegen mutmaßliche Linksextremisten am Oberlandesgericht in Dresden verzögert sich. Der Kronzeuge soll in einem anderen Verfahren zu einem Sachverhalt andere Angaben gemacht haben, als im Dresdner Prozess.
Dresden/DPA - Der Prozess gegen mutmaßliche Linksextremisten am Oberlandesgericht in Dresden verzögert sich. Nachdem am Donnerstag Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen auftauchten, wurden die Plädoyers der Verteidigung unterbrochen.
Der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats stieg wieder in die Beweisaufnahme ein. Am 10. und 11. Mai sollen zunächst weitere Zeugen gehört werden. Ursprünglich war an diesen Tagen mit dem Urteil gerechnet worden. Das Gericht setzte nun vorsorglich Termine bis zum 22. Juni an. Schlüter-Staats äußerte aber die Hoffnung, dass Verfahren noch im Mai abzuschließen.
Bundesanwaltschaft hat acht Jahre Haft für Lina E. gefordert
In dem Prozess sind neben der 28 Jahre alten Studentin Lina E. drei Männer aus Leipzig und Berlin angeklagt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, zwischen 2018 und 2020 Angehörige der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach zusammengeschlagen zu haben. Zudem werden sie der Bildung einer kriminellen Vereinigung beschuldigt, als deren Kopf Lina E. gilt.
Für sie hatte die Bundesanwaltschaft acht Jahre Haft gefordert, für die Mitangeklagten Haftstrafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten und drei Jahren und neun Monaten. Die Verteidigung erhob am Mittwoch schwere Vorwürfe gegen die Bundesanwaltschaft und den Senat und sprach von „politischer Justiz“.
Aussage des Kronzeugen ist von besonderer Bedeutung
Die Verzögerung kam zustande, weil der Kronzeuge in einem anderen Verfahren Ende Februar in Meinigen zu einem Sachverhalt andere Angaben gemacht haben soll als im Dresdner Prozess. Während er in Dresden schilderte, die Gruppe um Lina E. habe gezielt Szenarien für Angriffe auf Rechtsextreme trainiert, soll er in Meiningen die Motivation für das Training mit „Sport“ und „sozialen Kontakten“ beschrieben haben. Schlüter-Staats will deshalb nun den Staatsanwalt und den Richter aus dem Meiniger Prozess als Zeugen laden.
Die Aussage des Kronzeugen ist deshalb von Bedeutung, weil ein gezieltes Training ein Beleg für die Annahme der Bundesanwaltschaft ist, dass die Beschuldigen Mitglieder einer kriminellen Vereinigung waren. Am Donnerstag vernahm Schlüter-Staats einen Zeugen, der zuvor im Publikum gesessen hatte und bei dem Prozess in Meiningen als Protokollant für eine Website der Antifa Ost im Gerichtssaal saß.
Der Kronzeuge war im Februar verurteilt worden
Er hatte zuvor die Vereidigung auf Ungereimtheiten in den Aussagen des Kronzeugen aufmerksam gemacht. Der Kronzeuge war im Februar für seine Beteiligung an einem Überfall auf eine rechte Szene-Kneipe in Eisenach zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt worden.