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Honig aus der Autofabrik Honig aus der Autofabrik: 1,5 Millionen Bienen am Porsche-Werk Leipzig

Von Steffen Höhne 31.05.2017, 10:00
Der Leipziger Imker Günther Beer (links) zeigt dem Porsche-Werkchef Siegfried Bülow einen Fächer mit Honigwaben.
Der Leipziger Imker Günther Beer (links) zeigt dem Porsche-Werkchef Siegfried Bülow einen Fächer mit Honigwaben. dpa

Leipzig - Die Beziehung zwischen Porsche und der Biene ist bisher nicht gerade gut. Zumindest aus Sicht der Biene. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde gelingt es dem Insekt oft nicht, den heranrauschenden Sportwagen auszuweichen. Anders sieht das schon auf dem Leipziger Porsche-Werksgelände aus.

Dort fahren auf einem großen Offroad-Areal täglich meist nur 20 Geländewagen in gemächlichem Tempo über künstliche Hindernisse. Am Dienstag hat der Autobauer dort nun 25 Bienenvölker mit jeweils rund 60.000 Tieren angesiedelt - insgesamt 1,5 Millionen. „Wir möchten damit einen Beitrag zum Schutz heimischer Tiere leisten“, sagt Werkschef Siegfried Bülow.

Das Ganze könnte man schnell als gelungene Imagepflege des Autobauers abhaken. Doch steht die Ansiedlung auch als Symbol für eine Veränderung in der Imkerei - ja im Verhältnis zwischen Stadt und Land. „Inzwischen finden unsere Bienen auf dem Werksgelände von Porsche mehr Nahrung als in vielen landwirtschaftlich geprägten Regionen“, sagt Imker Richard Beer.

Das Porsche Offroad-Gelände befindet sich direkt am Werk und erstreckt sich auf 99 Hektar Weidefläche. Dort grasen 75 Auerochsen und 27 Wildpferde, und auch Füchse, Hasen oder Igel fühlen sich wohl. „Wir haben hier unter anderem Linden, Robinien und Weißdorn, die den Bienen über das Jahr ausreichend Nahrung liefern“, erklärt Beer.

Zuwachs in Sachsen-Anhalt

Die Bienenstöcke bestehen aus einfachen Holzkästen, in denen senkrecht die Fächer hängen. Vorsichtig beugt sich der Imker über einen Kasten und zieht einen Fächer heraus. In diesen bauen die Bienen die Waben, die für sie eigentlich ein Vorratsspeicher sind. Einige Waben sind bereits vorgegeben, die Bienen bauen diese dann akkurat nach. „So wird verhindert, dass die Tiere beim Bau kreativ werden“, sagt Beer mit einem Schmunzeln. Rund 55 Kilogramm Honig produziere ein Bienenvolk durchschnittlich pro Jahr. Die erste „Ernte“ könne bereits in drei Wochen erfolgen.

Nicht nur das Porsche-Gelände ist für die Insekten attraktiv. Richard Beer hat zusammen mit seinem Vater Günther in und um Leipzig Bienenstöcke aufgestellt. „Die zahlreichen Parks der Stadt und Blumenrabatten vor Häusern bieten viel Pollen“, erläutert Beer, der die Imkerei nur im Nebenberuf betreibt.

Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise auch Bienen auf dem Dach der Leipziger Oper angesiedelt. Die Deutsche Bahn bietet Imkern unter anderem Bahnhofsgelände als Standort an. „Imkern in der Stadt liegt im Trend“, sagt Petra Friedrich vom Deutschen Imkerbund. Ein großes Bienensterben 2008/09 habe viele Menschen sensibilisiert. Seither würde die Zahl der Imker und damit auch die Bienenvölker von Jahr zu Jahr wieder steigen - viele seien im städtischen Bereich. Dafür gibt es auch einen Namen: „Urban Gardening“. „Viele junge Menschen fühlen sich wieder mehr mit der Natur verbunden“, meint Friedrich. Das sei auch mit Problemen verbunden. Häufig fehlten die genauen Kenntnisse zur Bienenzucht.

Für 500 Gramm Honig  müssen Arbeitsbienen rechnerisch rund 40.000 mal ausfliegen und dabei eine Flugstrecke von rund 120.000 Kilometern zurücklegen. An guten Tagen können die Sammlerinnen eines Volkes mehrere Kilogramm Blütennektar einfliegen.

Insgesamt gibt es in Deutschland rund 800 000 Völker. Doch diese können den Appetit der Deutschen  nicht befriedigen. 1,1 Kilogramm Honig isst jeder Deutsche pro Jahr. Nur 20 Prozent stammen davon aus heimischer Produktion. Der Großteil  wird importiert - vor allem aus Südamerika und China.

Obwohl die Zahl der Imker und der Völker seit einigen Jahren wieder steigt, ist die Produktion weit von der einstigen Erzeugung entfernt. 1952 soll es allein in Westdeutschland 2,5 Millionen Völker gegeben haben. Heute hat jeder der deutschen Imker im Schnitt nur 7,3 Völker.

Auch im eher ländlich geprägten Sachsen-Anhalt hat sich die Zahl der Imker von 1 200 auf nun wieder 1 900 erhöht. Nach Worten von Falko Breuer, Vorsitzender des Imkerverbandes Sachsen-Anhalt, liegt das auch an der Nachwuchsarbeit. „An sieben Standorten bieten wir inzwischen Schulungen an. Die Angebote werden sehr gut angenommen“, so Breuer. Insgesamt gebe es im Bundesland damit rund 15.000 Bienenvölker. Die Dichte sei in Sachsen-Anhalt jedoch deutlich geringer als in anderen Bundesländern. In Deutschland sind es rund 800.000 Völker - Anfang der 90er Jahre waren es allerdings noch 1,2 Millionen.

Ohne das große Engagement der Imker, die zu 98 Prozent die Zucht nur als Hobby oder im Nebenerwerb betreiben, wäre die Lage noch deutlich dramatischer. Für das Bienensterben gibt es laut Breuer viele Erklärungen. Als Ursachen werde von Wissenschaftlern wahlweise fehlende Nahrungsquellen, Klimawandel, Pestizide, die Varroamilbe oder die Zerstörung der Lebensräume genannt. Imker Beer nennt es einen „Ursachen-Cocktail“: „Große Rapsfelder bieten im Mai viel Pollen für die Bienen. Doch danach gibt es kaum noch Nahrung auf den Feldern.“ Durch Pestizide würden Wildkräuter verschwinden, gleichzeitig nehmen die Bienen die Pflanzenschutzmittel mit auf. „Die Tiere werden so geschwächt und anfälliger für die Varroamilbe“, erklärt Beer.

Der Ende der 70er Jahre aus Asien eingeschleppte zeckenartige Parasit ist aktuell der Hauptfeind der Biene. In Sachsen-Anhalt lagen die sogenannten Winterverluste im Jahr 2016 bei rund einem Fünftel. „Bei keiner anderen Nutztierart würde man solche Verluste hinnehmen“, sagt Imker-Chef Breuer aus Nebra (Burgenlandkreis) Doch für viele seien es ja „nur“ Insekten.

Honig für die Porsche-Mitarbeiter

Dabei liegt die große Bedeutung der Bienen nicht in der Honigproduktion, sondern darin, dass sie 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen bestäuben. Der volkswirtschaftliche Beitrag wird in Deutschland auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt. Den liefern die Bienen beziehungsweise die Imker unentgeltlich. Breuer bedauert es, dass es häufig ein Gegeneinander von Bauern und Imkern gibt - denn die Landwirtschaft ist für die Imker weiter von großer Bedeutung. „Beide sind voneinander abhängig“, sagt er. So sei es bei Obstplantagen wichtig, dass die Wiesen nicht zu oft gemäht werden.

Breuer mahnt auch an, dass es größere Feldraine zwischen den Äckern kaum noch gibt. Die Tracht werde daher an einigen Standorten immer geringer. Die Tracht ist der Honig, den die Honigbienen in den Bienenstock eintragen und nicht selbst verbrauchen, so dass dieser Anteil durch die Imkerei „geerntet“ werden kann. Nicht selten müssen die Imker verteilt über das Jahr sogar zufüttern, damit die Völker nicht verhungern. Besonders bedroht sind daher die Wildbienen - die diesen „Luxus“ nicht genießen. Das führt dazu, dass die Hälfte der 560 in Deutschland lebenden Bienenarten nach Angaben von Umweltschützern vom Aussterben bedroht sind.

Auf dem Werksgelände von Porsche ist nach Ansicht von Imker Beer dagegen noch mehr Platz für Bienen. „Wir werden nun schauen, wie viel die Tiere produzieren.“ Eine weitere Aufstockung der Völker hat Beer bereits fest im Visier. Die Abgas-Emissionen auf dem Gelände seien so gering, dass sie keine Rolle spielen. Um die Vermarktung kümmert sich in diesem Fall Porsche selbst. Der Honig wird zuerst für die Mitarbeiter-Verpflegung in der Küche des Werkes eingesetzt. Außerdem ist geplant, den Honig von Herbst an im Kundenzentrum Leipzig zu verkaufen. Wie die Sportwagen ist dieser dann auch echt „Made in Germany“ .