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Video "Honeckers Albtraum" und "Honeckers Rache": Wer sich in den Leipziger "Escape Rooms" einsperren lässt will möglichst schnell entkommen

Von Nicolas Ottersbach und Susann Lehmann 17.03.2016, 09:42

Leipzig - Hinter den schweren Türen des Leipziger Kohlrabizirkus, der alten Großmarkthalle, verbirgt sich „Honeckers Rache“. Ein Zimmer, randvoll mit Ostalgie und einem wichtigen Schlüssel, ohne den niemand den Raum verlässt. Wie man ihn findet? Durch Rätselraten.

Überall sind Hinweise versteckt, auf Zetteln, aber auch Gegenstände selbst können das sein - und ein Hinweis führt zum anderen. Und die Uhr tickt, maximal 60 Minuten hat man, um sich aus dem Zimmer zu rätseln - während der ehemalige DDR-Staatschef einen unbeirrt vom Bild an der Wand hämisch beobachtet.

Weltweites Phänomen

Herr über das Rätselreich Honeckers sind zwei Klassenfeinde aus Ost-Westfalen: Die Brüder Nicolas und Falk Niggemeyer. Ihre „Room Escape Challenge“, also die Herausforderung, aus dem Raum zu flüchten, liegt im Trend. Mehr als 50.000 Besucher haben sich in den vergangenen anderthalb Jahren freiwillig von ihnen einsperren lassen. Was für Außenstehende zunächst wie ein Fetisch klingen mag ist ein weltweites Phänomen, das gerade nach Deutschland schwappt.

Hier riecht es förmlich nach DDR

Die Niggemeyers betreiben den ersten, aber nicht mehr einzigen Escape-Room in den neuen Bundesländern. „Die meisten Gäste kommen von hier, richtige Freaks aber auch aus anderen Ländern“, erzählt Nicolas Niggemeyer. Von dem Geschäftsmodell können mittlerweile nicht nur die Brüder, sondern auch einige Angestellte leben. Und zu den bestehenden drei Escape-Rooms kommt bald noch einer dazu.

Werden die Türen zu ihnen geöffnet, riecht es förmlich nach DDR. Das liegt unter anderem an der braunen Sofa-Garnitur und dem Pressspantisch mit Häkeldeckchen. Auf der Hellerau-Kommode steht ein Röhrenradio, das zur Begrüßung „Auferstanden aus Ruinen“ spielt. Falk Niggemeyer hat zwei Computerlautsprecher in das Gehäuse eingebaut, gesteuert werden sie aus der „Leitstelle“.

Per Videokamera alles im Blick

Dort sitzt mindestens ein Betreuer, der jeden Raum mit einer Videokamera im Blick hat. Und notfalls per Funkgerät eingreifen kann, wenn ein Rätselfreund nicht weitergekommt oder die Suche nach Hinweisen eskaliert. „Wir sagen vor Beginn immer, dass keine Möbel umgedreht oder Dinge komplett auseinandergenommen werden müssen“, erzählt Nicolas Niggemeyer. Trotzdem komme das immer mal wieder vor - weil die Rätsel doch sehr knifflig sind.

Talent zur Problemlösung zählt

Wie sie konkret aussehen, darf leider nicht verraten werden. Sonst kommt keiner mehr zum Rätseln. „Wenn man sie einmal kennt, geht logischerweise der Spaß verloren“, sagt er. Aber soviel sei gesagt: Wirkliche jede Stelle im Raum muss abgesucht, jedes Buch umgedreht und jede Schranktür geöffnet werden. Manchmal ist ein Schlüssel das gesuchte Objekt, mal ein Puzzleteil oder ein Hilfsmittel, um etwas entziffern zu können. Allgemeinwissen ist dabei nicht unbedingt nötig, sondern vielmehr das Talent, Problemlösungen zu finden.

Neulinge bekommen Hilfestellungen

„Das ist gewöhnungsbedürftig“, sagt Falk Niggemeyer. Für Neulinge gibt es deshalb eine Einführung und auch Hilfestellungen. So kann man Schwierigkeitsgrade wählen, die beschreiben, wie viele Tipps man während des Spiels erhalten möchte. Profis kommen ohne aus, Anfänger können bis zu zehn kriegen. Wenn lediglich Zettel an der Wand kleben und es daraus eine Zahlenkombination für einen Tresor zu erkennen gilt, wird der Hinweis zu einem erlösenden Gefühl. „Vielen reicht ein kleiner Schubser in die richtige Richtung, weil sie mit einer komplett falschen Denke an die Themen herangehen“, erzählt er. Das habe auch etwas mit der kulturellen Umgebung zu tun. Beispielsweise würden Asiaten, die anders als Europäer rechneten, sich mit dem Klebezettel-Rätsel leichter tun.

Jedes Rätsel im früheren Bürotrakt des Kohlrabizirkus stammt von den Brüdern. „Wir testen sie mit Freunden und nehmen Ratschläge an“, sagt Nicolas Niggemeyer. Sie versuchen sich dabei nicht an anderen Escape-Rooms zu orientieren, um ihren eigenen Stil zu behalten. Die Rätsel-Leidenschaft verband die Brüder schon immer, auch wenn sie komplett unterschiedliche Lebenswege gingen. Falk (31) begann Ausbildungen als Programmierer und Buchhändler, entschied sich dann aber dafür, sein Abitur nachzuholen und in Leipzig Germanistik zu studieren. Nicolas (33) machte eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, verkaufte LED-Lampen und reiste mit seinem Vater, der als Künstler Team-Events für Firmen anbietet, herum.

Firmen nehmen an dem Rätselspaß teil

Heute schaffen sie es weder zu studieren noch zu reisen. „Hier wird alles immer größer, dafür brauchen wir nicht nur Geld, sondern auch jede Menge Zeit“, sagt Nicolas Niggemeyer, der für das Betriebswirtschaftliche zuständig ist. Seine Geschäftsidee war, die Räume so einzurichten, dass Mannschaften gegeneinander antreten können. So mieten sich auch Unternehmen ein, um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

Ein viertes Zimmer ist in Planung, das dann nach „Honeckers Albtraum“ und „Honeckers Rache“ ein neues Thema haben wird. „Wenn das mit den Genehmigungen klappt, wollen wir demnächst auch in den Keller ziehen“, sagt Nicolas Niggemeyer. Da sind nämlich Hallen von mehr als Tausend Quadratmetern, auf denen sie sich austoben können. (mz)

Der Ursprung der Escape Rooms

Escape-Rooms im Trend

Der Ursprung des Escape Rooms (zu Deutsch: Fluchtraum) liegt in den 70er Jahren. Damals war das Rätselraten und der Ausbruch aus einem Raum noch digital – erst auf Konsolen, dann auf dem Computer.

Bei den Online-Spielen galt dasselbe Prinzip wie heute bei den analogen Ausgaben: Der Spieler ist in einem Raum gefangen und muss sich mit Hilfe von Gegenständen und durch das Lösen von Aufgaben befreien.

Eine reale Form des Spiel gab es erstmals in Japan. Dort wurden 2007 sogenannte „Real Escape Games“, also reale Fluchtspiele, veranstaltet: große Events in Sportstadien, verlassenen Krankenhäusern oder Freizeitparks mit mehreren hundert Teilnehmern.

Den ersten stationären Raum gab es 2010 in Kyoto. Entwickelt wurde er von einem Japaner. Der hatte die Idee dazu, als er einer Klassenkameradin dabei zusah, wie sie ein Escape Game im Internet spielte.

Bevor die Escape Rooms Deutschland eroberten, begann der Boom in Ost-Europa. Die erste europäische Variante wurde 2011 in Budapest eröffnet. Allein in der ungarischen Hauptstadt gibt es heute über 30 Varianten des Spiels. Vorreiter in Deutschland waren 2013 die Münchner.

Die Brüder Nicolas und Falk Niggemeyer waren mit der Eröffnung ihres Flucht-Raums 2014 in Mitteldeutschland die Ersten. Die Unternehmen in Magdeburg, Dresden und Weimar gibt es erst seit dem vergangenen Jahr.

Aktuell gibt es 153 Anbieter mit 345 Escape Rooms in 84 Städten Deutschlands – und immer wieder eröffnen neue Räume. Weltweit gibt es das Erlebnis bereits in über 60 Ländern, wobei sich vor allem Ost-Europa zu einer Hochburg entwickelt hat. Einige Touristen machen mittlerweile sogar Reisen, bei denen sie nur in die entsprechenden Länder fahren, um sich dort freirätseln zu können.

Langeweile dürfte dabei nicht aufkommen. Die Macher der Escape Rooms versuchen ihre Gäste mit Kreativität zu beeindrucken. Während es die Besucher in Leipzig mit Honeckers Rache zu tun bekommen, kann man in Dresden aus dem Labor eines Professors flüchten. Und wer es etwas magischer mag, kann beispielsweise in Prag aus einem Harry-Potter-Raum ausbrechen. Gemogelt werden darf aber auch hier nicht.

Mehr zum Raum-Rätseln unter: www.room-escape-challenge.de. Eintrittspreise variieren nach Tag, Personenzahl, Menge der Räume und Spielmodus zwischen 40 und 270 Euro.

Erfahrungsberichte und eine Übersicht der Räume und Spiele findet hier hier: www.escape-game.org

Das Video zum Leipziger Escape Room unter www.mz.de/escape

Der Escape Room im Leipziger Kohlrabizirkus sieht aus wie ein ordentliches DDR-Wohnzimmer. Doch hinter fast jedem Einrichtungsgegenstand verbirgt sich ein Rätsel, ohne dessen Lösung die Flucht auf Zeit nicht gelingt.
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ottersbach
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