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Einstürzende Neubauten  Einstürzende Neubauten: Kultband feiert 40. Jubiläum mit Konzert in Leipzig

Von Steffen Könau 11.06.2017, 17:48
N.U. Unruh, der beim Konzert in Leipzig seinen 60. Geburtstag feierte, und Sänger Blixa Bargeld.
N.U. Unruh, der beim Konzert in Leipzig seinen 60. Geburtstag feierte, und Sänger Blixa Bargeld. Könau

Leipzig - Der große Mann in Schwarz schiebt sich eine Strähne hinters Ohr, holt Luft und schreit im höchsten Diskant. Hinter ihm trommelt und scheppert es, der Bass brummt, die Melodie wird zerlegt, das Lied sorgsam skelettiert. Für einen Moment klingt die Berliner Kult-Kapelle Einstürzenden Neubauten bei ihrem Konzert auf der Leipziger Parkbühne wie früher, als das Sextett mit seinen aus Schrott und Baustahl selbstgebauten Instrumenten atonal in die aufgesetzte Fröhlichkeit der Neuen Deutschen Welle grätschte.

Einstürzende Neubauten feiern 40 Jahre Bandgeschichte

Gleich danach aber ist wieder Ruhe. Sänger Blixa Bargeld, der große Mann in Schwarz, kehrt in die tiefen Tonlagen zurück. Bassist Alexander Hacke entlockt seinem Instrument sanfte Töne. Und Percussionist N.U. Unruh klappert nur noch ein bisschen auf ein paar Metallteilen herum. 40 Jahre nach ihren Anfängen sind die sechs Musiker auf einer selbstironisch „Greatest-Hits-Tour“ genannten Konzertreise unterwegs. Und wo ihre Musik früher manchmal an eine Mischung aus Poesie und Baulärm erinnerte, interpretieren die einstigen Rock-Revolutionäre ihr Werk heute eher balladesk.

Die Neubauten, neben den Elektronikern Kraftwerk die deutsche Band, die international höchste Wertschätzung erfahren hat, inszenieren sich im 40. Bandjahr als milde Sorte. Doch der Wucht ihrer Vorstellung nimmt das nichts. Die Fans in der prallvollen Parkbühne, die am Anfang des Konzerts noch in hellem Tageslicht liegt, wiegen sich zu „The Garden“, beklatschen „Nagorny Karabach“ und summen bei „Befindlichkeit des Landes“ die Zeile mit, in der „Mela-Mela-Melancholia“ über dem Land schwebt.

Blixa Bargeld mit einer Stimme zwischen Nick Cave und Johnny Cash

Mittelpunkt der Show, in der herabfallende Stahlteile, singende Ventilatoren und zu Trommeln umfunktionierte Abwasserrohre zu Musik werden, ist der 58-jährige Blixa Bargeld. Mit einer Stimme zwischen Nick Cave und Johnny Cash singt er vom „Halben Menschen“, von der „Sonnenbarke“ und „Träumen, die sich über den Rand lehnen“. Jochen Arbeit streichelt die Gitarre dazu, N.U. Unruh und der zweite Schlagwerker Rudolf Moser trommeln auf Haushaltsgegenständen und Baumarktartikeln und im Publikum sprechen altgediente Anhänger die ellenlangen Texte Wort für Wort mit.

Auch wenn die einstige außermusikalische Opposition mittlerweile Harmonie gelernt hat, ist Neubauten-Musik noch immer mehr Brecht als Rock, mehr Goethe-Institut als Punkschuppen, mehr Poetikvorlesung als Aufforderung zum Tanz. Kein Pogo, kein Tango, während Bargeld seine Textmonster spazieren führt und die „Total eclipse of the sun“ beschwört.

Da ist die Sonne dann wirklich untergegangen, die Silberfäden im Anzug des Sängers blitzen im grellen Scheinwerferlicht und bei „Silence is sexy“ herrscht minutenlang Stille im Amphitheater im Zetkin-Park. Weltmusik, selbst wenn kein Ton erklingt. Aus Sachsen fahren die Neubauten übrigens gleich weiter nach Australien.

Starparade auf der Parkbühne in Leipzig

Auf der Parkbühne im Leipziger Zetkin-Park finden auch in diesem Sommer wieder zahlreiche hochkarätige Konzertabende statt. Bereits am Mittwoch tritt der langjährige Springsteen-Gitarrist Little Steven mit seiner Band The Disciples of Soul auf, am 23. Juni folgt der schräge Schlagerbarde Dieter Thomas Kuhn, einen Tag später der frühere Frontmann von Reamonn, Rea Garvey. Im Juli stehen Brian Setzer, Canned Heat und Nena auf dem Programm, im August folgen Sweet, Anna Depenbusch, Helge Schneider und Max Giesinger. (mz)