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Studenten in der Lichtenburg Studenten in der Lichtenburg: Visionen fürs Schloss in Prettin

Von Sven Gückel 05.06.2019, 10:44
Innerhalb kürzester Zeit hatten sich die Studenten mit dem Komplex Lichtenburg vertraut gemacht.
Innerhalb kürzester Zeit hatten sich die Studenten mit dem Komplex Lichtenburg vertraut gemacht. Sven Gückel

Prettin - Keine Frage, die Lichtenburg Prettin ist in finanzieller Hinsicht ein Fass ohne Boden. Seit Jahren versucht der Bund, das riesige Areal für die Nachwelt zu sichern. Was neben Geld fehlt, ist vor allem eine langfristige Nutzungsstrategie. Einzig die KZ Gedenkstätte weist eine Perspektive auf.

Doch die gilt nur für Teile, nicht das gesamte Schloss. Wie könnte sie also aussehen, die optimale Nutzung der Lichtenburg? Mit dieser Frage beschäftigten sich Architekturstudenten der Fachhochschule Aachen. Unter Anleitung ihrer beiden Professorinnen Anke Fissabre und Heike Matcha ließen die 15 Studierenden (Bachelor) ihren Ideen freien Lauf und machten das Ergebnis im Rahmen der Vortragsreihe „Wo Vergangenheit auf Gegenwart trifft: Das Frauen-KZ Lichtenburg - 80 Jahre danach“ öffentlich.

„Unsere Hochschule bietet den Studenten verschiedene Workshops zur Auswahl an, aus denen sie dann wählen können. Für die, die das Projekt Lichtenburg für sich gefunden haben, gab es in Aachen bereits Einweisungen im Hörsaal“, erläutert Professorin Anke Fissabre. Sie selbst sei vor längerer Zeit schon mal mit Studenten in Prettin gewesen und habe daher ein paar Einblicke ins Schloss vermitteln können. Zudem nutzten die Studenten das Internet, um die Region kennenzulernen.

Vor Ort hatten die 13 jungen Frauen und zwei Männer letztlich nur drei Tage, um ein Konzept zu entwerfen. In Gruppen und mit Fahrrädern ausgerüstet erkundeten sie zu Beginn das Umland Prettins, befragten Passanten nach deren Zukunftswünschen für die Lichtenburg und setzten sich mit der regionalen Kulturlandschaft auseinander. Zudem waren Stippvisiten in gleichartigen Renaissanceschlösser in Dresden, Torgau, Annaburg und Wittenberg angesagt.

Der wechselvollen Geschichte der Lichtenburg näherten sich die Studenten bei Führungen über das weitläufige Areal. „Ein straffes Programm“, bekannte Professorin Heike Matcha. Die Schwierigkeit sei vor allem die Vielschichtigkeit der Lichtenburg. Sowohl was die historischen Aspekte angeht als auch die unterschiedlichen Baustile. Diese Komplexität innerhalb kürzester Zeit zu erfassen und zu verarbeiten, sei schon eine Herausforderung, fügte Matcha an.

Um so erfreuter zeigten sich beide Professorinnen über das Ergebnis. Die Ideenfindung reichte vom Aufbau eines Freilichtkinos, in dem politische Filme gezeigt werden könnten, über eine E-Bike-Station, der Errichtung von Künstlerateliers inklusive Schlafmöglichkeiten für Workshops bis hin zur Wiederbelebung einer landwirtschaftlichen Nutzung. Hier waren es im Besonderen die einstige Schäferei und der ehemalige Weinberg, welche die Studenten vorschlugen zu reaktivieren.

Dass diese und weitere Ideen nicht sofort umgesetzt werden können, sei zweitrangig, betonte Anke Fissabre. „Vielmehr sollten sie ein Gedankensanstoß für Diskussionen sein, insbesondere zwischen den verschiedenen Entscheidungsträgern.“ Und sie fügte an, dass „solange jeder hier nur seinen Interessen nachgeht“, man zu keiner gemeinsamen Lösung kommen werde. Doch genau die sei notwendig, wolle man der Lichtenburg eine Zukunft geben.

Kritisch äußerten sich die Studenten auch zu banaleren Dingen wie einer einheitlichen Beschilderung in der Region. Wer als Radwanderer den Elberadweg entlang fahre, besagt ihre Erkenntnis, werde zu keinem Zeitpunkt auf die Lichtenburg verwiesen. So jedenfalls könne der gewünschte Tourismus nicht funktionieren.

Die von den Studenten in vier Gruppen erarbeiteten Ideen werden noch eine Zeit lang in Prettin zur Ansicht verbleiben. Ausgestellt sind sie im Gebäude der Dauerausstellung der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg.

Lesung und Publikumsgespräch

Im Rahmen der Vortragsreihe „Wo Vergangenheit auf Gegenwart trifft: Das Frauen-KZ Lichtenburg - 80 Jahre danach“ liest Franziska Sessler am 6. Juni ab 18 Uhr Passagen aus den Erinnerungen ihrer Urgroßmutter Lina Haag. Elke Büdenbender, Patin der Veranstaltungsreihe und Ehefrau des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, nimmt als Ehrengast teil.

Lina Haag, geboren am 18. Januar 1907, engagierte sich früh im kommunistischen Jugendverband. Bereits 1933, unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wurde sie aufgrund ihrer politischen Tätigkeiten verhaftet und war unter anderem im KZ Lichtenburg inhaftiert. Ermutigt durch einen Offizier der US-Armee, der für Kulturangelegenheiten zuständig war, veröffentlichte Lina Haag ihre Erinnerungen im Jahre 1947 unter dem Titel „Eine Handvoll Staub“.

Wie wirkten sich Lina Haags Erlebnisse während des Nationalsozialismus auf ihre eigene Biografie, auf Familie, Freundinnen und Freunde der ehemaligen Gefangenen aus? Welchen Einfluss hatten sie auf spätere Generationen? In einem Publikumsgespräch im Anschluss an die Lesung wird Franziska Sessler persönliche Einblicke in ihre Familiengeschichte geben.

Die Veranstaltung ist öffentlich.

(mz)