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Schülerbeförderung im Landkreis Schülerbeförderung im Landkreis: Hickhack um Fahrdienst

Von Sabine Wesner 24.10.2017, 09:47
Manja Zapel aus Bülzig will für den Transport ihres Sohnes von der Schule nach Hause kämpfen.
Manja Zapel aus Bülzig will für den Transport ihres Sohnes von der Schule nach Hause kämpfen. Thomas Klitzsch

Bülzig/Wittenberg - Manja Zapel aus Bülzig ist verzweifelt. Seit Mitte August ist ihr sechsjähriger Sohn ein Schulkind. Doch die Sorge darum, wie und mit wem ihr Kind nach Schule und Hort wieder nach Hause kommt, bereitet den Eltern zunehmend schlaflose Nächte.

Geregelter Tagesablauf

„Mein Sohn, der die Förderschule Sonnenschein in Wittenberg besucht, ist geistig behindert und hat autistische Züge. Deshalb ist es für ihn sehr wichtig, dass er einen ganz geregelten und möglichst vorhersehbaren Tagesablauf hat“, erklärt die Bülzigerin. Und weil der Junge aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht mit einem ganz normalen Schul- bzw. Linienbus fahren kann, nutzt er den Fahrdienst des Landkreises.

Der sichert die Fahrten zur Schule und zurück ab und holt den kleinen Abc-Schützen und täglich weitere 334 Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Problemen im Kreisgebiet im so genannten freigestellten Schülerverkehr kostenlos von zu Hause ab und bringt sie am Nachmittag auch wieder bis vor die Haustür.

Im Landkreis Wittenberg werden laut Holger Zubke, Fachdienstleiter Ordnung und Straßenverkehr, täglich über 5.000 Kinder und Jugendliche zu ihren Schulen und zurück befördert. Für Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die nicht am normalen Schülerverkehr teilnehmen können, gibt es den Fahrdienst im „freigestellten“ Schülerverkehr.

Der ist nicht nur kostenfrei, sondern sichert jedem der aktuell 335 jungen Fahrgäste einen Sitzplatz und den Transport von und bis zur Haustür zu. Im Gegensatz zu den Bussen im Schülerverkehr werden für den Fahrdienst Taxen und Mietwagen per Ausschreibung gebunden.

Aufgrund der sich durch An- und Abmeldungen permanent verändernden Schülerzahlen ist der Koordinationsaufwand bei der Aufstellung optimierter Tourenpläne laut Zubke enorm. Je nachdem, wie viel Schüler auf den Fahrdienst angewiesen sind, wird die Zahl der Touren festgelegt. Das könne sich von Jahr zu Jahr, aber auch innerhalb eines Schuljahres ändern.

„Wir sichern die tägliche Hin- und Rückfahrt der Schüler ab. Aber aus Gründen der Wirtschaftlichkeit können wir individuelle Wünsche oder Einzelfahrten nur bei schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen berücksichtigen. Wir sind ja kein Taxiunternehmen“, erklärt Zubke.

„Das ist eigentlich ein toller Service“, sagt die 43-Jährige, die wie ihr Mann berufstätig ist und in Schichten arbeitet. „Schon vor Schuljahresbeginn hatten wir uns in der Schule erkundigt und erfahren, dass der Fahrdienst die Kinder täglich 14 und 15 Uhr von der Schule abholt“, erzählt die Mutter. „Wir haben beantragt, dass unser Kind montags und mittwochs den 15-Uhr-Fahrdienst nutzen kann“, erklärt Manja Zapel.

Wegen der Schichten würden es die Eltern nicht schaffen, ihr Kind zu Hause in Empfang zu nehmen, wenn es schon 14 Uhr käme. „Dienstag und Freitag muss mein Kind wegen Therapieterminen 14 Uhr fahren“, erklärt Frau Zapel.

„Das hat am ersten Schultag auch geklappt, aber bereits am Mittwoch kam ein Anruf aus der Kreisverwaltung“, erinnert sich die Frau. Ihr wurde gesagt, dass die Tour um 15 Uhr nicht genehmigt ist, weil es eine Einzelfahrt sei. „Das müssten wir extra beantragen. Doch als wir dann im Amt wegen des Antrags waren, wurde uns erklärt, dass auch die Montagsfahrt gestrichen sei, weil die auch eine Einzelfahrt sei“, schildert Manja Zapel das Erlebte.

Solche Fahrten würden aus Steuergeldern finanziert und seien nicht so einfach genehmigungsfähig, hieß es im Amt. Es wurde eine ärztliche Bescheinigung gefordert. Aber auch die habe letztlich nichts gebracht. „Unser Anliegen wurde abgelehnt. Die Bemerkung, dass mein Sohn ,aufgrund seiner autistischen Erkrankung in der Obhut seiner Eltern am besten aufgehoben ist’, fand ich dabei besonders diskriminierend. Soll ich nun meinen Job kündigen?“, fragt die 43-Jährige.

„Seit über sieben Wochen machen wir Handstände, um unser Kind abzuholen. Wir müssen ständig eher von Arbeit weg. Das macht doch kein Arbeitgeber lange mit“, spricht die Mutter über ihre Situation.

„Uns wurde gesagt, dass wir unser Kind ja auch selbst von der Schule abholen können“, so Manja Zapel. Dafür würde der Kreis pro Fahrt bei einer Kilometerpauschale von 20 Cent je Kilometer 1,78 Euro pro Fahrt bezahlen. Aber darum geht es den Zapels nicht. „Es ist nicht gut, wenn unser Sohn an einigen Tagen von uns abgeholt wird und an anderen Tagen mit dem Fahrdienst mitfahren soll“, sagt die Bülzigerin.

Jede Änderung des Tagesablaufs sei für ihn ein großes Problem. Und es könne passieren, dass er gar nicht in das Fahrdienst-Auto steigt, weil er davon ausgeht, dass er wieder von seinen Eltern geholt wird, erklärt Manja Zapel, die nun Klage beim Verwaltungsgericht in Halle gegen die Ablehnung einreichte.

Holger Zubke, Fachdienstleiter Ordnung und Straßenverkehr in der Kreisverwaltung, ist das Problem bekannt. „Wir haben an diesen Tagen zu der gewünschten Zeit keine Fahrten. Um hier zusätzlich, zu der von uns täglich angebotenen Fahrt um 14 Uhr, eine Einzelfahrt mit dem Fahrdienst genehmigen zu können, müsste ein ärztliches Attest vorliegen“, so Zubke.

Aus dem muss hervorgehen, dass das Kind aus medizinischer Sicht täglich mit dem Fahrdienst nach Hause gebracht werden muss, verweist Zubke darauf, dass das von Zabels vorgelegte ärztliche Schreiben leider nicht ausreicht.

Einzelfahrten sind Ausnahme

Man habe Manja Zabel, die sogar in Wittenberg arbeitet, die Erstattung der Fahrtkosten angeboten, wenn sie ihr Kind selbst abholt. Aufgrund der von ihr gemachten Schilderungen gehe man davon aus, dass sie organisatorisch in der Lage ist, ihr Kind nach Arbeitsschluss von der Schule abzuholen.

„So leid es uns tut, auch wir müssen mit den Steuergeldern, aus denen der Fahrdienst bezahlt wird, haushalten. Wir können nicht jedes individuelle Problem der Eltern lösen“, sagt der Fachdienstleiter.

Dass die Zapels von ihrem Recht Gebrauch gemacht und Klage erhoben haben, sieht Zubke positiv. „So ein Gerichtsentscheid wäre für unsere Arbeit sogar gut. Dann hätten wir eine Handhabe, wenn es um künftige Einzelfallentscheidungen geht.“ (mz)