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Landwirtschaft Kreis Wittenberg Landwirtschaft Kreis Wittenberg: Milch-Automat ist einzigartig im Süden Sachsen-Anhalts

Von Andreas Behling und Anne Nicolay-Guckland 11.05.2016, 17:48
In Vockerode steht der zweite Frischmilchautomat in Sachsen-Anhalt. Rüdiger Schmidt war einer der ersten Kunden. 
In Vockerode steht der zweite Frischmilchautomat in Sachsen-Anhalt. Rüdiger Schmidt war einer der ersten Kunden.  Thomas Klitzsch

Vockerode - Das sind fast schlaraffenlandartige Verhältnisse in Vockerode. Seit Dienstag fließt für die Kunden die frische Landmilch an jedem Tag des Jahres, zwar nicht 24 Stunden lang, aber immerhin von montags bis sonntags zwischen 6 und 19 Uhr. Der gesunde Trank kommt direkt vom Erzeuger, der Agrargenossenschaft Wörlitz, aus einem Milchautomaten. Und dass das neue Angebot seinen Zuspruch finden wird, bewies am Tag der Inbetriebnahme die sich vorm Gerät zu einer Schlange formierende Gemeinde der Milchtrinker.

„Cool“, „toll“, „sehr gut“ waren ein paar der Attribute, mit der die nachmittäglichen Gäste das Engagement des Agrarbetriebs an der Milchviehanlage Vockerode bedachten. Ein Liter Milch ist für einen Euro zu haben. Wer beim Füllen der Pfandflasche - oder der Milchkanne - kein Augenmaß walten lässt, muss sich nicht sorgen. Der Automat gibt bereitwillig das nicht investierte „Tankgeld“ zurück.

„Wir waren noch auf einer Baustelle in Gohrau und mussten uns auch mit dem Tierarzt treffen. Da ist es beinahe eng geworden, pünktlich hier zu sein“, freute sich Genossenschaftschef Volker Ziegler über den Andrang. „Wir möchten als Landwirte einen Beitrag leisten, ohne Umwege ein naturbelassenes und reines Produkt anzubieten“, fügte er hinzu.

Die Milch stammt direkt aus dem benachbarten Stall. Aus dem Milchtank, in den die frisch gemolkene Rohmilch fließt, wird die Milch für den Automaten in einen kleineren Edelstahlbehälter umgefüllt. Der fasst immer noch 150 Liter und bildet das Kernstück des Automaten der Firma Risto Vending GmbH, in dem Kühlung, Rührwerk und Abfüllbereich mit Düse und leicht zu reinigendem Tropfabfluss vereint sind.

21 Cent werden derzeit pro Liter Rohmilch gezahlt, wenn sie diese an Molkereien verkaufen. „Wir produzieren etwa 14 000 Liter Milch pro Tag. Selbst wenn wir davon 150 bis 200 Liter direkt verkaufen würden, wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Egbert Laaß von der Agrargenossenschaft Cobbelsdorf. Ähnlich geht es anderen Landwirten im Kreis Wittenberg, mögliche Absatzmengen über Direktverkauf sind zu gering. Deshalb plant derzeit keiner ein ähnliches Projekt wie die Wörlitzer. Richard Reiß von der Milchagrargenossenschaft Kemberg sieht weitere Vorteile. „Bei unserer effizientesten Kuh, zahlen wir pro Tag vier Euro drauf, noch nicht einmal das Futter kann durch den Milchverkauf erwirtschaftet werden.“ Reiß hofft, dass die Bevölkerung durch den direkten Kontakt zum Betrieb das landwirtschaftliche Produkt Milch und dessen Wertigkeit mehr schätzen lernt. „Es gehört Mut zu einem solchen Projekt, mit dem hohe Investitionskosten verbunden sind. Für das Image und die Bürger vor Ort ist es super.“ (mz/guc)

„Zumindest im Landkreis Wittenberg ist es der erste Milchautomat“, versicherte Volker Ziegler. In Sachsen-Anhalt ist dieser Automat nach einem in der Altmark der Zweite seiner Art, in Bösenburg (Landkreis Mansfeld-Südharz) soll bald ein weiterer Milchautomat installiert werden, bestätigte Wolfgang Zahn von der Agrarmarketinggesellschaft Sachsen-Anhalt.

In Vockerode hat man sich von einem Betrieb südlich von Leipzig inspirieren lassen. Finanzvorstand Steffen Dalichau und Aufsichtsratschef Lutz Walther - zugleich Leiter der aktuell 650 Tiere zählenden Milchviehanlage - hatten sich dort mit der Funktionsweise des Geräts vorab vertraut gemacht. Weil die Handhabung überzeugte, wurden dann im Vockeroder Betriebsteil an der L 133 zehn Quadratmeter einer Garage umgebaut. Laut Gesetz darf Rohmilch nur direkt vom Erzeugerbetrieb auf dem Hof verkauft werden. Außerdem muss der zertifizierte Automat täglich gereinigt und frisch befüllt werden.

Alleine zum Verkauf der Milch habe man den Automaten nicht angeschafft, erklärt Volker Ziegler: „Wir wollten etwas für unser Image tun. Und so ergibt sich vielleicht auch die Chance, mit den Leuten über unseren Betrieb ins Gespräch zu kommen“, meint der Genossenschaftschef. Gut gekühlt sei die Milch übrigens mindestens eine Woche haltbar, wer sie Kleinkindern servieren möchte, solle das Naturprodukt zur Sicherheit abkochen. Ganz optimiert ist der Milchautomat noch nicht, so wird noch ein kleiner Apparat nachgeliefert, der meldet, wann sich der Füllstand dem Minimum nähert. Ebenfalls vorstellbar ist zudem ein an der Außenwand angebrachter Bildschirm, mit dem kurze Filmsequenzen aus dem Stall gezeigt werden könnten.

Und wie sieht es mit weiterer Werbung aus? Könnten nicht auch die radelnden Touristen vom Fliederwall herunter gelockt werden, um mit der Frischmilch - „3,9 Prozent Fett und 3,3 Prozent Eiweiß gibt es in keiner Pappe zu kaufen“, so Walther - neue Energie zu tanken? Volker Ziegler war eher skeptisch, ob da die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz oder die Verwaltung des Biosphärenreservats mitspielen würden. Innerhalb von Vockerode, so die Idee des stellvertretenden Ortsbürgermeisters Rüdiger Schmidt, der gleich mehrere Milchflaschen abfüllte, wäre ein Aufsteller auf jeden Fall möglich.

Etwa 400 Direktvermarkter gibt es in Sachsen-Anhalt. Eine Übersicht über Produkte im Kreis Wittenberg ist unter www.direktvermarkter-lsa.de zu finden. (mz)