Kommunalpolitik in Oranienbaum-Wörlitz Kommunalpolitik in Oranienbaum-Wörlitz: Walter Bölke zieht Bilanz in Gohrau

Gohrau - Wenn im September Ergänzungswahlen in Brandhorst und Gohrau stattfinden, ist eines sicher: Walter Bölke, Gohraus einstiger Ortsbürgermeister, hat keine Ambitionen, ins Ratsgremium zurückzukehren. Dass er ein Comeback wagt, hätte mancher durchaus vermuten können. Denn zu Jahresbeginn stand sein Name in den von der Verwaltung publizierten Wahlbekanntmachungen. Das verwirrte sogar Bölke selbst. Er glaubte an ein Versehen.
Tim Körting aus der Stadtverwaltung kann allerdings für Aufklärung sorgen. Die Erwähnung der drei Personen - neben Bölke sind für Brandhorst Jürgen Albrecht und Hannelore Hänsch namentlich aufgeführt - sei „nicht automatisch mit einer verbindlichen Kandidatur für den Ortschaftsrat gleichzusetzen“. Bei den genannten Bürgern würden einfach nur die Voraussetzungen des Kommunalwahlgesetzes zutreffen. Alle seien „in der vorherigen Legislaturperiode als Einzelwahlvorschlag in den Ortschaftsrat gewählt worden“.
Kein Kurzschluss
Wenn diese Personen also eine erneute Kandidatur ins Kalkül zögen, müssten sie als Einzelbewerber/Einzelbewerberin für den Ortschaftsrat keine Unterstützungsunterschriften sammeln. Dass nun Walter Bölke seinen Hut abermals in den Ring wirft, ist definitiv ausgeschlossen. Es bleibt beim Rücktritt. „Diese Entscheidung war kein Kurzschluss“, wählt der Elektromeister ganz bewusst einen Begriff aus seiner Arbeitswelt.
Nach 44 Jahren, die er nebenher in der Kommunalpolitik tätig gewesen sei, habe er sich den Schritt gut überlegt. „Es war keine schnelle Reaktion auf irgendwelche Umstände.“ Mit der Zeit sei indes die Erkenntnis gereift, dass es gerade in den kleineren Orten immer schwieriger wurde, etwas nach vorn zu bringen. Wenn überhaupt keine Mittel zur Verfügung stünden, bleibe das ein großes Problem. „Kannst du nichts mehr bewegen, hörst du einfach auf. Aus dieser Einstellung habe ich nie einen Hehl gemacht.“
Und mit inzwischen 67 Jahren, schiebt Bölke nach, bleibe auf anderen Feldern genug zu tun. Die Firma, die im Herbst 2020 ihr 30-jähriges Bestehen feiert, wolle er ordentlich weiterführen. Für die Familie, die in der Vergangenheit zu kurz kam, soll mehr Zeit sein. Der Hund fordere ebenfalls Zuspruch. Und gehegt und gepflegt sein wollen auch Stieglitz und Dompfaff. Vögel, die der Gohrauer in seiner Freizeit züchtet.
Bölke hadert nicht, das Amt aufgegeben zu haben. Altgediente Ratsmitglieder wie Holger Wessel und Uwe Lange seien immer engagiert gewesen. Dadurch überwiegen in der Rückschau die Erfolge. Zwei Mal im Jahr ging es immer besonders spürbar voran. Während der Howetage, den freiwilligen Arbeitseinsätzen, wurde für das Gemeinwohl gewerkelt.
„Mit altem Pflaster haben wir 30 Parkplätze angelegt. Eine solche Größenordnung ist beachtlich. Den Glockenturm auf dem Friedhof, der umgefallen und nie wieder auf die Beine gekommen wäre, haben wir gerettet und 3.000 Euro für Restaurierung der Glocken aufgebracht.“
Viel Vorzeigbares
Viele Dinge sind vorzeigbar. Aus der Transformatorenstation am Platzkolk wurde ein Artenschutzturm. „Bestimmt 120 Bäume haben wir in den Jahren gepflanzt und damit etwas für die Umwelt getan, als es noch nicht in aller Munde war“, erzählt Bölke. Völlig richtig sei damals die Entscheidung gewesen, Gohrau komplett an die zentrale Schmutzwasserentsorgung anzuschließen und mit dem Straßenbau zu einer „mächtigen Aktion“ auszuweiten. „Im Rückblick war das trotz der finanziellen Belastungen genau richtig. Ich bin froh, dass wir es so hinbekommen haben.“
Körperliche und nervliche Strapazen brachte 2002 derweil das Hochwasser der Elbe mit sich. „Selten war an Schlaf zu denken“, erinnert sich der Gohrauer. Das Technische Hilfswerk und eine Bundeswehr-Kompanie seien im Ort stationiert gewesen. „Die Schlafdeiche Schleesen, Rehsen und Selbitz hätten wir sonst nicht gehalten. Es hätte uns voll erwischt.“
Zu einem erfolgreichen Ende geführt wurde auch der Kampf um den Erhalt der Kindertagesstätte und der Jugendbegegnungsstätte, der heutigen „Woodland Ranch“. Ein “doppelter Glücksfall“, schätzt Walter Bölke ein, der zum Ausklang seiner Amtszeit als Ortsbürgermeister einige Weichen so justierte, dass sich das Wittenberger Augustinuswerk im Ort einbrachte.
Zuhören als Kriterium
„Wir haben das alles relativ gut hinbekommen“, schätzt der einstige Ortsbürgermeister ein. „Aber es steckt viel Aufwand dahinter, es so schön zu gestalten.“ Und am Wochenende durfte man sich nicht zu früh im Vorgarten blicken lassen. „Auf dem Land ist es so, dass die Leute einen auch am Sonntagmorgen auf Probleme hinweisen. Aber ich habe keinen, der am Zaun stand, weggeschickt. Zuzuhören gehörte dazu. Das muss man so machen.“
Dem Credo ist Walter Bölke von 2001 bis 2019 in seinen 18 Jahren als Ortsbürgermeister gefolgt. Gestartet in die Kommunalpolitik war er 1975. Vier Jahre später amtierte er bereits als stellvertretender Bürgermeister. „Man muss aufpassen, dass viele Dinge nicht zur Selbstverständlichkeit erklärt werden.“ Schon um das Erreichte zu erhalten, seien Anstrengungen nötig. „Dass es bergab geht, das möchte ich nicht.“
Großer Mehraufwand
Die für den 17. Mai geplanten Ergänzungswahlen in Gohrau und Brandhorst werden verschoben. Dies erklärte auf eine Nachfrage der MZ am Freitagnachmittag der Oranienbaum-Wörlitzer Bürgermeister Maik Strömer (CDU). Als neuen Termin nannte er den 13. September.
Grund für die Verschiebung sind die Corona-Krise und die damit verbundenen Einschränkungen. Wobei, so Strömer nach entsprechenden Abstimmungen mit dem Landkreis Wittenberg, man durchaus erwogen hatte, auf eine Briefwahl umzustellen. Der Mehraufwand, um unter anderem Hygienevorschriften einzuhalten, wäre jedoch erheblich gewesen. (mz)
