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Köhlerei Eisenhammer Köhlerei Eisenhammer: Wegen Biber steht das Wasser bis zum Hals

Von Ulf Rostalsky 23.02.2018, 17:58
Norma Austinat ist verzweifelt und empört zugleich. Sie sieht eine einfache Lösung und hofft, dass auch die Ämter dieser noch zustimmen.
Norma Austinat ist verzweifelt und empört zugleich. Sie sieht eine einfache Lösung und hofft, dass auch die Ämter dieser noch zustimmen. Th. Klitzsch

Tornau - Norma Austinat und Ehemann Jörn steht das Wasser bis zum Hals. „Das ist bitter. Aber es ist die Wahrheit.“ Das Paar spricht gerade heraus vom drohenden Ende der Köhlerei am Eisenhammer.

Es wäre das Aus für die letzte Anlage ihrer Art in der Region und das Aus für die Eheleute, die 2016 aus Leipzig an den Tornauer Hammerbach wechselten und dort mit Volldampf für neuen Schwung in der Köhlerei sorgten.

Das Geschäft brummte. Kohle aus Buchenholz war gefragt und ist es auch heute. „Wir können nur nicht produzieren.“ Von purer Euphorie und großer Lebensfreude ist momentan wenig geblieben am Eisenhammer. Norma Austinat, die vor zwei Jahren in die Rolle des Köhlerliesels schlüpfte und das Amt als Repräsentantin der Heide mit einer selten gesehenen Leidenschaft ausübte und deshalb als erstes Liesel im Amt bestätigt wurde, kämpft mit dem Wappentier der Heide.

Der Biber hat die Region im Griff. „Ich habe nichts gegen den Biber. Aber alles muss auch in Maßen funktionieren. Hier werden für ein Tier Natur und Existenzen aufs Spiel gesetzt.“ Deutliche Worte. Belege liefern Austinats auf Schritt und Tritt.

Vier große Öfen gibt es in der Köhlerei. Im Normalregime arbeitet trotz der Riesennachfrage nach Kohle derzeit nicht einer. Grund ist die im Mauerwerk aufgestiegene Nässe. Fast 14 Prozent waren es in Spitzenzeiten. Maximal dürfen es zwei Prozent sein. Steine reißen, versetzen sich. „Jeden Tag siehst du neue Schäden. Ich bin ein kreativer Mensch.

Aber mit dem Ganzen hier kann ich nur noch schwer umgehen.“ Jörn Austinat beschickt einen Ofen gar nicht mehr. Die anderen versucht er auf Anraten eines Gutachters trocken zu bekommen. Es ist ein Verlustgeschäft. Die Kohleausbeute ist gering, Folgeschäden sind nicht auszuschließen.

„Unsere Ersparnisse sind weg“, wird Norma Austinat deutlich. Wie es weitergehen soll, kann sie nur theoretisch durchspielen. „Denn hier bliebt der gesunde Menschenverstand auf der Strecke.“ Der Biber hat entlang des Hammerbachs deutliche Spuren hinterlassen. Durch Stauwerke entstand im Quellgebiet eine gut 20 Hektar große Wasserfläche. Auch unterhalb der Köhlerei ist der Bach ein See. Bäume sterben ab. Jörn Austinat ist sicher: „Da lebt maximal noch ein Jungtier. Für mehr Tiere gibt es da keine Nahrung mehr.“

Also soll die Austinatische Maximalvariante greifen: Alle Biberbauten zurückbauen, Gräben endlich beräumen und einen Wasserablauf gewährleisten. Der Landkreis hat das Regime in Teilen bereits anerkannt. „Wir haben drei Nahrungsdämme beseitigt, den Wohndamm zur Wasserregulierung geschlitzt“, bestätigt Wittenbergs Vize-Landrat Jörg Hartmann (CDU). Wasser ging zurück. In den Öfen der Köhlerei sank der Feuchtgehalt relativ schnell auf zehn Prozent.

Dennoch streiten sich Experten. Hartmann bestätigt, dass es am Freitag ein Zusammentreffen im Magdeburger Umweltministerium gegeben hat. Dort hätten Fachleute unter anderem auf die „spezifische geologische Situation in der Stauchungszone der Endmoräne“ hingewiesen. Gut möglich, dass sogenanntes Schichtwasser oberflächennah fließt und die Situation rund um die Köhlerei beeinflusst.

Dass zu untersuchen, brauche Zeit und Geld. Ins Blickfeld rückt aber offensichtlich eine andere Idee: der Einzelobjektschutz. Im Falle der Köhlerei könnte das eine Drainage rund um das Betriebsgelände bedeuten. Die Regie für den Bau läge beim Wirtschaftsministerium und dem Landesamt für Altlastenfreistellung, so Hartmann.

„Das ist absurd. Sollen wir hier auf der Insel im Sumpf leben?!“ Norma und Jörn Austinat sind fassungslos. „Wir werben mit Lutherweg und Wanderregion. Und alles versinkt im Wasser. Statt Vernunft walten zu lassen, planen wir Inseln.“

Der Biber nagt am Nervenkostüm der Köhler. „Aber wir haben nichts gegen das Tier. Er kann doch seine Jungen hier zur Welt bringen. Wir müssen nur regulieren, Dämme nach der Schonzeit zurücknehmen. Der Biber wandert weiter. Er ist ein Nomadentier“, erinnert Norma Austinat.

Sie hofft auf Vernunft in den Ämtern und hält den Eilantrag auf Beseitigung aller Biberbauwerke in der Nachbarschaft aufrecht. Unterstützung in der Bevölkerung ist ihr sicher. Die Online-Petition zum Erhalt der Köhlerei haben in nicht einmal zwei Tagen mehr als 800 Leute unterschrieben. Davon, dass es noch mehr werden, ist Norma Austinat überzeugt. (mz)

Folgen der Feuchtigkeit: Ständig entdeckt Jörn Austinat neue Risse in den Steinen der Öfen, die sich versetzen. Innen blättert der Spezialputz ab.
Folgen der Feuchtigkeit: Ständig entdeckt Jörn Austinat neue Risse in den Steinen der Öfen, die sich versetzen. Innen blättert der Spezialputz ab.
Klitzsch
Wasser tritt aus dem Ofen aus.
Wasser tritt aus dem Ofen aus.
Klitzsch
Ansage mit Galgenhumor
Ansage mit Galgenhumor
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