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Karate in Wittenberg Karate in Wittenberg: Japanischer Meister zu Gast an der Elbe

Von Rainer Schultz 06.05.2019, 09:39
Karatemeister Tetsuji Nakamura aus dem japanischen Okina hat Kinder im Fitnessstudio von Gerd Richter unterrichtet.
Karatemeister Tetsuji Nakamura aus dem japanischen Okina hat Kinder im Fitnessstudio von Gerd Richter unterrichtet. Klitzsch

Wittenberg - Ein Hauch von fernöstlichem Flair umgibt den Dojo in der Wittenberger Puschkinstraße- so die Bezeichnung für die Übungshalle für japanische Kampfkünste. Kein Geringerer als der Chiefinstructor und Sensei (Lehrer) Tetsuji Nakamura aus dem japanischen Okinawa ist als Gast bei Gerd Richter erschienen, der seit 28 Jahren eine Kampfsportschule in der Lutherstadt leitet.

Ein Ereignis, das große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Eltern mit ihren Kindern verfolgen voller Interesse die Übungsstunde mit dem japanischen Gast. Sogar Oberbürgermeister Torsten Zugehör begrüßt den Karatelehrer.

Nakamura versteht sich als weltweiter „Botschafter“ für diesen Sport. Seine freundliche Ausstrahlung erleichtert ihm diese Aufgabe. Erst vor wenigen Stunden kam er aus Polen hier her. Zwei Tage Wittenberg mit Besteigen der Stadtkirchentürme und der Besichtigung des Asisi-Panometer sind vorgesehen. Mehr gibt der enge Zeitplan nicht her. Über die Stationen Wittenberg, Halle geht es weiter durch Europa.

Für die meisten bedeutet Japan immer noch ein Land voller Geheimnisse. Fernöstliche Kultur erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Begriffe wie Samurai oder Sumo-Ringer fallen einem bestenfalls ein oder der kürzlich gekrönte neue japanische Kaiser (Tenno) Naruhito. Nicht so bei Gerd Richter, der seit 2002 das Land der „aufgehenden Sonne“ regelmäßig besuchte - bereits 14 mal zu Lehrgängen für Karatelehrer.

Voller Hochachtung und Respekt spricht er von seinem Sensei (Lehrer). Porträts der japanischen Altmeister und Begründer schmücken die Wittenberger Übungshalle. Hinzu kommen japanische Buchstaben und Verse. Ein Stück Japan in Wittenberg!

Wie qualifiziert man sich nun im Karate und anderen Kampfsportarten? Kurz gesagt: Es ist ein langwieriger Prozess. Viele Jahre benötigt man, um einen Dan, gewissermaßen eine Art Qualitätssiegel im Kampfsport zu erreichen. „Vom 5. zum 6. Dan benötigte ich etwa acht Jahre“, plaudert der weltweit gereiste Richter aus seinem Erfahrungsschatz und verweist auf umfangreiche theoretische und praktische Prüfungen.

Der 18-jährige Nils Heinrich absolviert gerade seine schriftliche Prüfung, die 100 Fragen zur Geschichte des Sports, zur Technik und Trainingsmethoden, aber auch zur Anatomie des menschlichen Körpers beinhaltet. Eine echte Sisyphusaufgabe, die alles abverlangt. „Ich war schüchtern und hatte kein Selbstwertgefühl. Seit ich hier trainiere hat sich das Dank Herrn Richter geändert“, lobt der junge Mann seinen Lehrer.

Unterdessen haben sich etwa 25 junge Karatesportler unter Anleitung des japanischen Sensei im Dojo eingefunden. Körperbeherrschung, geistige Disziplin, Charakterschulung und Gleichgewichtsgefühl sind wichtige Elemente, die vermittelt werden. Zu Beginn der Übung verbeugt man sich vor seinem Sensei. Tugenden wie Höflichkeit und Achtung voreinander fallen dem MZ-Reporter sofort angenehm ins Auge.

Der 29-jährige Patrick Schreyer übersetzt. Im Juli fährt er zusammen mit Gerd Richter erneut nach Japan. „Man trainiert hier an der Wurzel des Karate - ein einmaliges Erlebnis mit Teilnehmern aus 40 Ländern“, freut er sich schon jetzt. Die Besteigung des japanischen Nationalbergs Fudschijama (3776 Meter) soll den Höhepunkt der Reise bilden.

Dass Karate in Japan eine hohe Wertschätzung genießt, berichtet Nakamura voller Stolz: „Zur Krönung des Kaisers war unser oberster Karatelehrer eingeladen: Der neue Tenno genießt bei uns höchsten Respekt.“ Auch aus seinem Privatleben plaudert der 54-Jährige, der verheiratet und Vater von zwei Töchtern ist. „Die älteste spielt Fußball“, berichtet er und lächelt.

Auch Gerd Richter ist ein vielgereister Mensch. Im April erst war er in Jordanien, eingesetzt als internationaler Referee. In Kürze geht es nach Tscheljabinsk (Russland) in gleicher Mission. Fast alle Kontinente sind bereits in seinem Reisepass vermerkt. Wenn es die knappe Zeit erlaubt, betreibt er noch Triathlon. Sein Leitspruch an Jugendliche gerichtet lautet am Ende: „Betätigt Euch sportlich! Ohne Persönlichkeits- und Wertevermittlung werden wir irgendwann in Anarchie enden.“

Täglich ab 9 Uhr ist die Übungshalle geöffnet. Als Lehrer fungieren David Hille, Patrick Schreyer, Alexandra Koziolek, Anja Luise Glaubig und Marion Richter. In etwa 60 Ländern werden die einzelnen japanischen Kampfsportarten (Karate, Judo, Jiu Jitsu, Aikido und Kendo) weltweit ausgeübt. Wittenberg kann auf etwa 200 Sportler verweisen –Tendenz steigend. (mz)