Fußball und Corona Fußball und Corona: "Wie in der Kreisoberliga!"

Wittenberg - Es ist Bundesliga und keiner geht hin. Was vor einem halben Jahr noch unvorstellbar war, ist in Zeiten der Corona-Pandemie Realität. Die Fußball-Elite ist zwar wieder im Spielbetrieb, Zuschauer sind jedoch nicht zugelassen. In den Stadien herrscht eine gespenstische Atmosphäre und an den Bildschirmen fühlt sich der Fan - wenn man die Anweisungen der Trainer Wort für Wort verstehen kann - so, als würde man auf einem Dorfplatz stehen. Doch was halten Spieler, Trainer, Schiedsrichter und Verantwortliche aus der Region eigentlich von den Geisterspielen? Die MZ hat nachgefragt.
„Das ist sehr ungewohnt“, räumt Sebastian Müller ein. „Aber die taktischen Dinge, die Kommandos auf dem Rasen, das ist schon wirklich interessant“, sagt der Jessener Abteilungsleiter weiter.
Kommentare sind gleich
„Das ist doch wie bei uns in der Kreisoberliga“, sagt dagegen Ralf Jenichen, „auch die Kommentare von der Bank wie „Druck machen“ sind die Gleichen.“ Der Oranienbaumer Cheftrainer hat aber auch einen Vorteil ausgemacht. „Der Respekt der Spieler untereinander und gegenüber dem Schiedsrichter ist größer geworden“, sagt der Experte, der auch erfreut ist, dass es im Fernsehen wieder aktuellen Fußball gibt. „Aber für mich persönlich gehören zur Bundesliga Fans und Emotionen“, sagt Jenichen. Dass der Ball nun auch ohne Zuschauer rolle, habe nur „wirtschaftliche Gründe“.
Produkt verliert Attraktivität
„Ich schaue gar nicht mehr so oft“, sagt der Fußballer Christian Zentner, „mir fehlt einfach die Stimmung.“ Für den Kicker, der von Victoria Wittenberg nach Piesteritz wechseln will, ist das Produkt Bundesliga „nicht mehr so interessant“.
„Das wirkt eher wie Freizeitfußball oder ein Vorbereitungsspiel“, sagt Ronny Zegarek. Man höre die Spieler und Trainer - von einigen TV-Kommentatoren sogar als Vorteil der derzeitigen eher tristen Situation gepriesen - deutlich. „Darauf kann ich verzichten“, sagt Zegarek. Der Ex- Verbandsliga-Kicker und jetzige Hauptsponsor beim FC Grün-Weiß Piesteritz vermisst die Stimmung und will offensichtlich nicht die aufgezeichneten Fangesänge aus besseren Tagen, die die TV-Sender und Streamingdienste als zusätzliche Tonoption inzwischen anbieten, nutzen. Zegarek hat nach dem so genannten Re-Start festgestellt, dass die Partien fairer geworden sind und sich der Umgang der Spieler untereinander, aber auch mit dem Referee gebessert habe.
Die Angst vor dem Mithören
Der Umgang ist nicht besser, sondern anders geworden, sagt Peter Kein. „Die Akzeptanz der Entscheidungen ist schneller da“, so Wittenbergs Schiedsrichterchef. „Es ist die Angst des Spielers, dass man alles sieht und vor allem alles hört“, so der Experte. Das sei „bei einer großen Kulisse“ ganz anders. Da könne der Referee schon mal Bemerkungen ignorieren. „Auch wenn er das natürlich nicht tun sollte“, sagt Kein.
„Ich bin froh, dass im Fernsehen wieder Fußball läuft“, gesteht Martin Otto. Das „Restprogramm im Fernsehen“ will der Vizepräsident beim VfB Gräfenhainichen nicht kommentieren, und sagt dann aber doch noch: „Die Trash-Shows sind doch nur zum Fremdschämen.“ Fußball ohne Zuschauer mache aber die Fans „natürlich nicht glücklich“.
Geistertraining noch bis Juli
In der Heidestadt sorgt der VfB selbst gegenwärtig für eine Aufbruchstimmung und für eine Euphorie. Das, so hofft Otto, werde sich positiv auf die Besucherzahlen auswirken. Im Amateurbereich hat sich der Fußball-Landesverband gegen Partien ohne Anhänger ausgesprochen. Allerdings entscheidet das die Politik. Aktuell sind sogar bei den Übungseinheiten Fans verboten. Dabei kann auch beim Geistertraining nicht alles probiert werden. Hier gelten noch bis mindestens 1. Juli Einschränkungen. (mz)