Einzigartiges Projekt Einzigartiges Projekt : Nierenkranke Kinder reisen ins Kiez Friedrichsee

Gniest - „Bis zur Pizza bist du fertig“, verspricht Caroline Kempf. Und Joudi, die zierliche 13-Jährige, erträgt tapfer die Schmerzen, die die Nadeln verursachen, die ihr die Frau Doktor aus der Charité Berlin in den Arm pikst, um das Dialysegerät anzuschließen.
„Ich liebe Pizza“, gesteht das Mädchen. Und weil sie die nächsten vier Stunden ans Dialysegerät angeschlossen ist und ihr Blut komplett gereinigt wird, darf sie sogar ein Stück der sonst verbotenen Schokolade essen. „Hier werden die ganzen Schad- und Giftstoffe gleich wieder mit rausgefiltert“, erklärt die Dialyse-Ärztin, die für zehn Tage ihren Arbeitsplatz im Kinder- und Jugenderholungszentrum Friedrichsee (Kiez) in der Dübener Heide hat.
Dialyse im Fereinlager: Seit 30 Jahren werdem Urlaube für schwer nierenkranke Kinder organisiert
Es ist ein ganz besonderes Ferienprojekt für schwer chronisch nierenkranke Kinder, die in der Regel nicht an Ferienfreizeiten teilnehmen können, da die Sorge um eine Erkrankung oder auch die erforderliche regelmäßige Tabletteneinnahme zu groß ist. „Dialysepflichtige Kinder können grundsätzlich kaum verreisen, da sie zur Dialysebehandlung ein Kinder-Dialysezentrum benötigen. In Deutschland gibt es davon ganze 16“, informiert Isabelle Jordans, Vorsitzende des Vereins Dialyse-Kinder Berlin.
Der organisiert zusammen mit dem Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation (KfH) und der Charité Berlin seit 30 Jahren Ferienfreizeiten für Kinder mit schweren chronischen Nierenerkrankungen. Dabei werden nicht nur die behandelnden Ärzte und Schwestern mitgenommen, sondern auch die Dialysemaschinen und das komplette medizinische und pflegerische Equipment, das den Bastelraum im neuen Mehrzweckgebäude im Kiez nun in eine kleine, aber funktionstüchtige Krankenstation verwandelt hat.
500 Millionen Menschen leiden weltweit an chronischer Nierenkrankheit. Wenn die Nieren versagen, würden Erkrankte ohne Behandlung sterben. Große Hoffnung setzen Betroffene, die eine strenge Diät einhalten und viele Tabletten nehmen müssen, auf eine Transplantation. Etwa zwei bis drei Jahre beträgt die Wartezeit auf eine Niere bei Kindern - bei Erwachsenen erheblich länger. Bis dahin reinigt die Dialyse das Blut. Drei bis vier Mal in der Woche müssen Betroffene für je drei bis fünf Stunden an solch ein Gerät. Ein normales Leben, Arbeiten und Schule sind so extrem schwierig.
„So etwas ist einzigartig in Deutschland und vermutlich auch in Europa“, erklärt Andreas Olck. Er ist einer von zwölf Betreuern des Vereins, die sich hier ehrenamtlich um insgesamt 45 Kinder kümmern. „Neben 24 chronisch kranken Kindern, von denen drei dialysepflichtig und 13 bereits transplantiert sind, haben wir auch 21 Geschwisterkinder dabei“, erzählt der 44-Jährige.
Kinder erfahren: Sie sind nicht alleine mit den Problemen
„Für alle ist es eine tolle und wertvolle Erfahrung. Auch weil sie hier Kinder kennenlernen, die in der gleichen Situation sind, und feststellen, dass sie mit der Krankheit und all den damit verbundenen Problemen, mit denen auch die Geschwister und Eltern zu kämpfen haben, nicht allein sind“, so Caroline Kempf.
Das findet auch Jonas toll. Der Neunjährige, der zum ersten Mal im Ferienlager ist und seine 14-jährige Schwester Chantal mitgebracht hat, schwärmt von den Ausflügen nach Ferropolis, ins Biosphärenreservat und in den Schmetterlingspark. Alex, elf Jahre, ist schon ein paar Mal mitgefahren. „Und es ist immer toll“, versichert der Junge, der 2015 eine neue Niere bekam. Ob Kanu fahren, Fußball spielen, basteln, Schatzsuche oder Pizza backen, die Kinder entscheiden selbst, was sie mitmachen wollen. Und Joudi ist sicher nicht die einzige, die sich aufs Pizzabacken freut. (mz)