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Edeka in Jeber-Bergfrieden Edeka in Jeber-Bergfrieden: Kleiner Laden schließt nach 28 Jahren

Von Ilka Hillger 31.03.2017, 09:51
Die Mitarbeiter Ute Köhler und Gerald Knape haben im Edeka-Markt in Jeber-Bergfrieden in dieser Woche ihre Kunden zum letzten Mal bedient.
Die Mitarbeiter Ute Köhler und Gerald Knape haben im Edeka-Markt in Jeber-Bergfrieden in dieser Woche ihre Kunden zum letzten Mal bedient. Ilka Hillger

Jeber-Bergfrieden - Wer kann, schaut jetzt noch mal vorbei. Dabei gibt es nicht mehr viel zu sehen. Leere Regale, ausgeräumte Kühltruhen, traurige Reste in den Auslagen, die täglich weniger werden. Im Edeka-Markt in Jeber-Bergfrieden klappte in dieser Woche die Eingangstür die letzten Male.

Nach 28 Jahren schließt Brigitte Mattke ihr Geschäft. Es ging einfach nicht mehr. Der geringe Umsatz, die hohen Betriebskosten, das Geld für die Löhne der fünf Mitarbeiter und noch dazu die Erkrankung der Chefin ließen keine andere Lösung als die Schließung zu.

So hat nun der Ausverkauf begonnen. Ab Montag gab es reduzierte Preise. Schon am nächsten Tag ist nicht mehr viel zu haben. „Ich denke, für viele ist es auch ein unangenehmes Gefühl, jetzt hier noch mal günstig einzukaufen“, glaubt Mitarbeiter Gerald Knape.

Vom Laden in die Arbeitslosigkeit

„Er ist hier unsere gute Seele“, ruft seine Kollegin Ute Köhler herüber. Sie kassiert an diesem letzten offenen Dienstag, er geht durch die nun luftigen Gänge oder immer mal wieder zum Postschalter.

Der Edeka-Markt von Brigitte Mattke öffnete am 1. September 1989. Beim Start war das Geschäft zunächst eine Außenstelle des Großhandels für Obst und Gemüse, in der aufgekauft wurde. Brigitte Mattke, bis dahin Kantinen- und Küchenchefin im Sägewerk, richtete bald neben dem Ankauf eine Ladenecke ein, Getränke, Konserven und Backwaren kamen zum Sortiment hinzu.

Schließlich konnte Edeka Hessenring als Lieferant für das kleine Geschäft gewonnen werden, Lotto-Annahmestelle und Post komplettierten über viele Jahre das Angebot.

„Das ist dann wohl mein letztes Einschreiben, das ich hier aufgebe“, sagt Detlev Kerkow und reicht den Brief zu Knape. Kerkow lebt in Serno. „Wir haben ja schon lange kein Geschäft und kein Lokal mehr. Aber bis hierher waren es nur sechs Kilometer, das konnte man auch mit dem Rad machen“, erzählt er.

Einfach nur schade und traurig sei die Schließung. „Wir werden nun alles in Dessau oder Wiesenburg kaufen.“ Dann setzt sich der Mann aus Serno ins Auto und fährt davon.

Mobil zu sein ist nicht nur sein Vorteil in diesen Zeiten auf dem Dorf. Wer ein Auto hat und vielleicht auch noch in der Stadt arbeitet, der erledigt die Einkäufe auf dem Weg. Im kleinen Einkaufsmarkt werden nur noch die vergessenen Sachen gekauft.

Einkauf nur noch mit Auto: Rentner bleiben auf der Strecke

„Natürlich ist auch das ein Faktor, der dazu beigetragen hat, dass das Geschäft nun schließen muss“, sagt Ortsbürgermeister Kurt Schröter. Ein Vorwurf soll das freilich nicht sein. Er kann verstehen, dass man dort den Großeinkauf erledigt, wo es günstiger ist und die Auswahl größer.

Auf der Strecke aber bleiben jene Bewohner, die keine Einkaufstouren unternehmen können. „Das sind hier die älteren Menschen, die nicht mobil oder auf Hilfe angewiesen sind. Und es betrifft ja nicht nur Jeber-Bergfrieden sondern auch alle umliegenden Dörfer“, erklärt Schröter. Denn so klein das Geschäft auch war, so zog es doch die Leute aus den Nachbarorten hierher.

Waldemar Welzel aus Hundeluft hat noch einmal den Einkaufswagen gefüllt. „Ich habe hier immer die Kleinigkeiten gekauft. Für ältere ist das schon traurig“, sagt er. An der Kasse schimpft Sabine Jakob über die Entwicklungen auf dem Dorf.

Schimpfen über die Entwicklung: kleines Zentrum wird verschwinden

„In den Dörfern ist nicht viel passiert, aber in Coswig schon“, findet sie. Brot und Brötchen hat sie in Jeber-Bergfrieden immer gekauft, alles andere aber dann doch außerhalb. „Jetzt müssen wir wohl bis nach Coswig, um mal ein Paket abzuholen.“ Da ist sie froh, mit dem Auto mobil zu sein.

Mindestens ebenso schwer wiegt aber, dass dem Ort nun wieder ein Treffpunkt verloren gegangen ist. „Viele Frauen kamen täglich zu uns und haben auch mal eine halbe Stunde in den Gängen gestanden und geschwatzt“, sagt Gerald Knape, der 22 Jahre in dem Edeka-Markt arbeitete und nun in die Arbeitslosigkeit geht.

„Sicher sieht es hier nicht so schön und modern aus wie anderswo, aber es war gemütlich“, meint er. Nun ist alles nur noch kahl und verschlissen, da die bunten Produkte fehlen. Im Regal stehen noch Soja-Milch, Dinkel-Cracker und Buchweizen. Selbst wenn dies reduziert ist, greift niemand zu. Solche Exoten waren wohl auch zu besseren Zeiten schon Ladenhüter.

Raiffeissen-Markt, Sekundarschule, Volksbank: alles geschlossen

Diese guten Zeiten liegen lange zurück. Gerald Knape meint, dass der Niedergang mit dem Ende des Raiffeisen-Marktes eingeläutet wurde, dann schloss die Sekundarschule, vor kurzen erst die Filiale der Volksbank. Auch Ortsbürgermeister Kurt Schröter weiß, dass die Kinder der Schule bis 2003 für einen guten Anteil am Umsatz sorgten.

Als er von den Schließungsabsichten erfuhr, versuchte Schröter noch sein Möglichstes. Doch die Gespräche mit Edeka-Märkten in Coswig und Roßlau trugen keine Früchte. „Andere Interessenten stiegen aus, als sie von den wirtschaftlichen Erträgen erfuhren“, sagt er. Wenigstens ist er froh, dass sich ein Käufer für das Gebäude gefunden hat und dieses nicht leer stehen wird.

Dann sucht er noch ein wenig das Positive. „Immerhin haben wir hier in den 27 Jahren nach der Wende noch ein Geschäft gehabt, während ringsum alles kaputt geht. Dafür muss man vor allem vor Frau Mattke den Hut ziehen, die dies in all den Jahren bewältigt hat“, so Schröter.

Ein bitteres Lachen hat er nur noch übrig für Formulierungen im vielgepriesenen IGEK-Papier, dass der Stadtrat kürzlich beschlossen hat. Da wird Jeber-Bergfrieden noch als kleines Zentrum in der Gemeinde Coswig aufgeführt, in dem es Nahversorgung gibt. Das ist nun Geschichte und wird sich kaum noch ändern lassen. (mz)