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Badesalzdrogen  Badesalzdrogen : Legaler aber fataler Drogenrausch im Landkreis Wittenberg

Von Sven Gückel 03.08.2016, 08:33
Legal High Produkte, die vom LKA Magdeburg si­cher­ge­stellt wurden: Die Namen der mit syn­the­ti­schen Drogen ver­misch­ten Kräu­ter­mi­schun­gen klingen harmlos und ver­füh­re­risch: "Jamaican Gold", "Scoobie Snacks" oder der be­kann­teste Vertreter "Spice".
Legal High Produkte, die vom LKA Magdeburg si­cher­ge­stellt wurden: Die Namen der mit syn­the­ti­schen Drogen ver­misch­ten Kräu­ter­mi­schun­gen klingen harmlos und ver­füh­re­risch: "Jamaican Gold", "Scoobie Snacks" oder der be­kann­teste Vertreter "Spice". dpa-Zentralbild

Wittenberg/Jessen - Es ist vollkommen gleichgültig, ob man in Berlin, Wittenberg oder Jessen unterwegs ist. Wer Drogen haben will, wird wohl überall fündig. Auch Experten räumen ein: Wer Drogen sucht, bekommt sie. Vorfälle wie diese, häufen sich im Landkreis Wittenberg: Anfang März wird der Rettungswagen in Wittenberg alarmiert und zu zwei vermeintlich unter Drogeneinfluss stehenden Jugendlichen gerufen. Am Ort des Geschehens finden die Rettungskräfte zwei Personen in Rückenlage vor, die nicht ansprechbar sind und denen Erbrochenes aus dem Mund quillt.

Durch die schnelle Hilfe kommen die beiden 14- und 16-Jährigen fix wieder zu sich und beginnen sofort, wie wild um sich zu schlagen. Einen Tag später ein ähnlicher Vorfall. Dieses Mal ist es ein 13-Jähriger, der in der Schule über Unwohlsein klagt und ein unnormales Verhalten zeigt. Rettungskräfte bringen ihn ins Krankenhaus.

Legal Highs sind hochgefährlich und straffrei

„In beiden Fällen konnte die Einnahme von Legal Highs nachgewiesen werden“, betont Cornelia Dieke, Pressesprecherin des Polizeireviers Wittenberg. Das Fatale an diesen Stoffen, die umgangssprachlich unter anderem Badesalzdrogen genannt werden, ist schon ihr Name. Man bekommt sie frei - legal - zu kaufen, ganz gleich ob im Internet oder sogar in Wittenberg.

„Sie unterliegen weder dem Betäubungsmittel- noch dem Arzneimittelgesetz und sind dennoch hochgefährlich“, erläutert Dieke. Händler geben zumeist nur die harmlosen Inhaltsstoffe auf den Verpackungen an. Dabei enthalten Legal Highs oftmals Zusatzstoffe, die alles andere als gefahrlos sind. Auch Ecstasy und andere Drogen, selbst chemische Haushaltsmittel wurden schon mehrfach in ihnen nachgewiesen.

Drogenszene im Kreis Wittenberg darauf eingestellt

Solange der Gesetzgeber dem aber keinen Riegel vorschiebt, bleiben Besitz und Vertrieb dieser Stoffe legal und straffrei. Dementsprechend drastisch steigt die Zahl derer, die damit von der Polizei erwischt werden. Auf Legal Highs allein beruht die Drogenszene im Landkreis Wittenberg aber nicht.

Seit 2013 sind es vornehmlich Marihuana und Crystal Meth, die im Umlauf sind. Hanf wird nicht selten auf kleinen Privatplantagen angebaut, Crystal Meth entstammt überwiegend Giftküchen in Osteuropa. Cornelia Dieke räumt ein, dass es im Landkreis eine verdeckte Szene gibt, die flächendeckend agiert. Die man jedoch soweit möglich intensiv beobachtet, um gegebenenfalls handeln zu können.

Immerhin liegt die Aufklärungsrate der Wittenberger Polizei bei Drogendelikten aktuell bei 95 Prozent. Dealer oder gar Hersteller zu erwischen, fällt der Polizei deutschlandweit jedoch schwer. Entsprechende Hinweise auf Händler oder Konsumenten entstammen zumeist anonymer Quelle, zudem sind Zeugen nur selten aussagewillig.

Rasant in die Abhängigkeit

Während 2014 im Landkreis noch 328 Drogendelikte erfasst wurden, fiel die Zahl 2015 auf 288. Von einem Trend hin zum Besseren kann dennoch keine Rede sein. Zumal der Konsum von Crystal Meth rasant in die Abhängigkeit führt. Gleichermaßen in die Fahruntüchtigkeit. „Wer mit Crystal Meth im Blut bei einer Verkehrskontrolle erwischt wird, ist relativ schnell überführt“, verrät Dieke. Geweitete und lichtstarre Pupillen geben den Beamten erste Anzeichen auf ein Drogendelikt, Genaueres beweist aber erst die folgende Blutentnahme.

„Darüber hinaus reagieren die Betroffenen enorm aggressiv. Sie treten, spucken oder leisten anderweitig Widerstand“, berichtet Dieke aus eigenem Erleben. Auch die Stimmungslage der Abhängigen schlägt oft urplötzlich um. Wer bei Verkehrskontrollen im Drogenrausch erwischt wird, muss dementsprechend mit harten Strafen rechnen.

Erfährt die Fahrerlaubnisbehörde von der Drogenfahrt des Betreffenden, wird sie Zweifel an der Fahreignung anbringen und den Führerschein entziehen. Möchte derjenige dann seinen Führerschein zurück, muss er der Behörde eine erfolgreich bestandene Medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), umgangssprachlich auch „Idiotentest“ genannt, vorlegen.

Kriminalität am Ende der Spirale

Neben der körperlichen Abhängigkeit ist es die finanzielle, die Konsumenten oftmals in die Kleinkriminalität drängt. Um sich das Geld für neue Drogen zu beschaffen, werden nicht selten Diebstähle oder Einbrüche begangen. „Der Preis für ein Gramm Crystal Meth tendiert zwischen 60 und 90 Euro“, sagt Polizeikommissarin Dieke. Ein Gramm ist etwa die Menge, die ein Drogenabhängiger in der Regel täglich aufbringen muss, um seine Sucht zu stillen.

Für deutlich weniger Geld sind Legal Highs zu erwerben, die jedermann selbst beim größten Online-Händler der Welt problemlos bestellen kann. Hanf- Dolden getrocknet etwa, das Päckchen zu je 35 Gramm, gibt es hier für 12,65 Euro, fünf Milliliter des Hanföles CBD kosten 84,90 Euro. Räuchermischungen mit den Namen „Entspannung“ oder „Gute Laune“ schlagen mit gerade einmal 7,20 Euro für 132 Gramm zu Buche. Bei der Polizei hofft man jetzt, dass der Gesetzgeber bald reagiert und die Legal Highs in die Illegalität verbannt. (mz)