Seltene Behandlung in Sangerhausen Seltene Behandlung in Sangerhausen: Eisleber war bis zur Operation ein Mann ohne Puls
Sangerhausen/Eisleben - Der Eisleber Uwe Gerstner war bis zu seiner Operation in der Sangerhäuser Helios-Klinik ein Mann ohne Puls. Das ist unmöglich? Doch, das geht. Bei dem 56-Jährigen war es der linke Arm, der irgendwann angefangen hat zu kribbeln, ständig einzuschlafen und wehzutun.
Eine hinderliche Sache für einen Handwerker. Gerstner arbeitet als Fahrzeugschlosser. Das waren nicht die einzigen Symptome, die Gerstner hatte. „Man konnte an meinem linken Arm keinen richtigen Puls finden und keinen Blutdruck messen“, erzählt der Patient.
Hirn „stiehlt“ sich Blut
Seit 2011 hat er bereits Beschwerden, und es war auch bekannt, dass an seinem linken Arm kein Blutdruck gemessen werden konnte. Doch den entscheidenden Hinweis gab erst die neue Hausärztin des Eislebers. Sie zog aus Gerstners Symptomen die richtige Schlussfolgerung und überwies ihn zum Gefäßchirurgen.
Gerstners Erkrankung sei zwar recht selten, aber sie komme doch hin und wieder vor, erklärte Gefäßchirurg Dr. Matthias Lenk. Subclavian-Steal-Syndrom heißt sie. Subclavian ist das Schlüsselbein und Steal bedeutet stehlen.
Vereinfacht gesagt besteht bei Patienten mit diesem Syndrom eine Verengung der Arterie, die am Schlüsselbein entlang führt. Weil die Blutmenge nicht ausreicht, um sowohl Arm als auch Hirn optimal mit Blut zu versorgen, „stiehlt“ sich das Gehirn als Schaltzentrale quasi Blut. Abhilfe kann man nur im Operationssaal schaffen.
Die Engstelle muss beseitigt werden - entweder durch ein Aufweiten des Gefäßes mit einem Ballonkatheter und dem Setzen eines Stents oder über einen Bypass, also die Überbrückung der Engstelle. Im Falle des Eisleber Patienten entschied sich Chefarzt Lenk für den Stent aus chirurgischem Edelstahl.
Optimale Bedingungen im Helios-Klinikum
Im neuen Operationssaal der Sangerhäuser Klinik finde er für kniffelige Operationen wie diese optimale Bedingungen vor, schwärmt Lenk. Es ist ein sogenannter Hybrid-OP, in dem Operieren und Diagnostizieren durch moderne, bildgebende Verfahren gleichzeitig möglich sind. Die großen Monitore sind das Erste, was im Operationssaal 4 ins Auge fällt. Computertomografische Angiographie ist mit der neuen Technik vor Ort möglich. Sprich, die Ärzte können auch das kleinste Blutgefäß auf den Monitoren im Operationssaal gut erkennen.
Gerstner wird minimalinvasiv operiert. Der Arzt verschafft sich von der Arterie im Arm einen Zugang bis zu der Engstelle in Höhe des Schlüsselbeins. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Und um die Gefäße nicht zu verletzen, muss er alles genau erkennen können. Dazu wird Kontrastmittel eingesetzt, um auf dem Röntgenbild die Blutgefäße bis in die feinsten Verästelungen darzustellen. „Durch die sehr gute Bildgebung können wir auch Kontrastmittel sparen“, erklärt Lenk. Das sei eine Entlastung für den Patienten. Wenn er weniger Kontrastmittel gespritzt bekommen muss, ist das ebenso wie die minimalinvasive Methode schonender für den Patienten.
Der OP-Tisch kann einfach per Knopfdruck in die Position gebracht werden, die für den Operateur ideal ist. „Dass wir während der Operation ganz schnell aktuelle Röntgenbilder anfertigen können, erleichtert die Operation sehr. Wir arbeiten viel stressfreier als in einem herkömmlichen Operationssaal“, erläuterte Lenk. Und obwohl einige Röntgenbilder während der OP entstehen, sei die Strahlenbelastung wesentlich geringer als bei Operationen in den anderen OP-Sälen. Von einem Fünftel bis zu einem Drittel geringerer Strahlenbelastung spricht der Chefarzt.
Arzt initiiert Sportgruppen
Zwei Tage nach dem Eingriff konnte Gerstner schon wieder nach Hause entlassen werden - mit Puls im linken Arm und mit ein paar Ratschlägen vom Chefarzt. Lenk sieht sich aber nicht nur als Operateur, sondern möchte seinen Patienten auch etwas auf ihren späteren Lebensweg mitgeben. Deshalb initiierte er in Sangerhausen eine Gefäßsportgruppe.
Gemeinsam mit dem ASV Sangerhausen rief er im vergangenen Jahr die erste Gruppe ins Leben. „Mittlerweile gründet sich bereits die dritte Gruppe“, freut sich der Arzt, der auch in der Lutherstadt Eisleben gern eine solche Sportgruppe etablieren möchte. Und auch in Artern und Bad Frankenhausen - denn auch von dort kommen Gefäßpatienten nach Sangerhausen in Lenks Sprechstunde.
„Ich bin immer wieder begeistert, wie sehr die Menschen in diesen Sportgruppen bei der Sache sind. Für viele verbessert sich durch den Reha-Sport der Gesundheitszustand beträchtlich“, freut sich Lenk. Zumindest für jene Patienten, die unter der sogenannten Schaufensterkrankheit leiden. Schmerzhafte Durchblutungsstörungen in den Beinen lassen die Patienten immer wieder im Gehen innehalten.
Um das zu überspielen, bleiben sie vor Schaufenstern stehen. Aber auch für solche Sonderfälle wie Uwe Gerstner sei es natürlich wichtig, der Arteriosklerose, die oft Ursache der Gefäßverengungen sei, vorzubeugen. (mz)