Kommt Leonora aus Syrien zurück? Leonora Messing aus Breitenbach bei Sangerhausen: Vom IS nach Al-Hol - und dann zurück nach Deutschland?
Magdeburg - Am Montag meldeten die Nachrichtenagenturen: Schüsse im nordsyrischen Gefangenenlager Al-Hol. Hier, wo tausende Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) von kurdischen Sicherheitskräften festgehalten werden, gab es Unruhen und Gefechte. Und zwei Tote. Die beiden Frauen sollen IS-Anhängerinnen gewesen sein.
Ausgebrochen seien die Unruhen, als Sicherheitskräfte gegen geheime IS-Gerichte im Lager vorgingen - diese sollen Urteile gegen vermeintliche Verräter in den eigenen Reihen gefällt haben.
Al-Hol. In dieser Zeltstadt auf Sand gebaut tragen Witwen von IS-Kämpfern schwarze Ganzkörperschleier. Auch ihre Kinder sind hier. Dies ist kein einfaches Gefangenenlager: 70.000 Menschen leben in Al-Hol, vor allem Frauen und Kinder aus einst IS-kontrollierten Gebieten Syriens. Die Bundesregierung vermutet im Lager mehr als 120 Kinder und 68 Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Eine davon: Leonora Messing aus Breitenbach (Mansfeld-Südharz).
Leonora Messing: Gefangene in Al-Hol
Als 15-Jährige wanderte sie zum IS nach Syrien aus, heiratete einen hochrangigen Geheimdienstmann, der ebenfalls aus Sachsen-Anhalt stammt. Heute sitzt Messing mit 19 Jahren in Al-Hol fest, ist mittlerweile zweifache Mutter. Während der Generalbundesanwalt gegen sie wegen Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung ermittelt, drängen erste Sicherheitspolitiker in Sachsen-Anhalt nun auf eine schnelle Rückholung der jungen Familie in der Bundesrepublik - vor allem mit Blick auf die katastrophale Lage im Gefangenencamp. 390 Kinder sind dort laut UN-Menschenrechtsrats in diesem Jahr an Unterernährung, Infektionen und anderen Krankheiten gestorben.
So drängt der Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel: „Es ist Aufgabe der Bundesregierung, deutsche Staatsangehörige zurückzuholen, die ins IS-Gebiet ausgereist sind.“ Und: „Menschen wie Leonora Messing auf unbestimmte Zeit in Syrien unter kurdischer Obhut interniert zu lassen, wird unserer Verantwortung nicht gerecht.“ Er sieht nun auch Sachsen-Anhalts Landesregierung in der Pflicht, beim Bund Druck zu machen. „Das Problem radikalisierter Deutscher, die zum IS ausgereist sind, lässt sich nicht durch Verdrängung oder Verleugnung lösen.“ Die Staatskanzlei aber sieht ihre Hände gebunden - der Bund sei zuständig.
Striegel sieht mehrere Gründe, die eine schnelle Rückkehr nötig machten. So müssten fremde Staaten entlastet werden, „die unter aus Deutschland ausgereisten Terroristen und Terror-Unterstützern zu leiden hatten“. Zudem stehe Deutschland in der Verantwortung, wirksame Strafverfolgung zu gewährleisten. „Eine Rückholung ist außerdem Voraussetzung, um Schritte in Richtung einer nachhaltigen De-Radikalisierung dieser Personen zu erreichen“, betont der Innenpolitiker. Auch Linken-Fraktionsvize Eva von Angern sagt: „Im Sinne der Kinder wäre es gut, wenn die Familie so schnell wie möglich wieder nach Deutschland käme.“
Allerdings ist ungewiss, wie schnell Leonora Messing tatsächlich zurückkehren kann. Das Auswärtige Amt schweigt zum Einzelfall. Und der Generalbundesanwalt vermeidet eine Aussage dazu, ob es einen Haftbefehl gibt. Aber zumindest das: Außenminister Heiko Maas (SPD) hat jüngst erklärt, er wolle sich weiter dafür einsetzen, dass deutsche Kinder Syrien verlassen können. „Es handelt sich im Wesentlichen um Kleinkinder und deren Unterbringung dort ist alles andere als optimal und letztlich können sie auch nicht für die Taten ihrer Eltern verantwortlich gemacht werden.“ Der Bund stehe mit Partnern vor Ort in „engem Kontakt“.
Einige Sicherheitsexperten im Land sind zurückhaltend. Der SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben sagt: „Es muss in diesem Fall zunächst eine glasklare Faktenlage geben damit - das sage ich so drastisch - diese Dame sofort in U-Haft geht.“
Das heißt: Zunächst müssten alle bestehenden Vorwürfe gegen Leonora Messing bestmöglich ermittelt werden. Erben warnt, er wolle sich keine Situation vorstellen, in der Messing nach ihrer Rückkehr „frei herumlaufe“. Dabei hätte er „große Bedenken“. Erst Anfang September hatte der Generalbundesanwalt mehrere Wohnungen in Breitenbach und Umgebung durchsuchen lassen - darunter auch Leonoras Elternhaus.
Große Bedenken hat auch Markus Kurze (CDU), Chef des Verfassungsschutz-Kontrollgremiums im Landtag. Er erteilt dem Wunsch einer schnellen Rückkehr eine Abfuhr. „Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt immer wieder vor IS-Rückkehrer und konstatiert selbst bei deren Kinder ein ‚nicht unerhebliches Gefährdungspotential‘“, sagte Kurze der MZ. „Wenn es um die Sicherheit unserer Bürger geht, stehen für uns die Interessen vermeintlicher Terroristen nicht an erster Stelle, deshalb halten wir die linke und grüne Befürwortung derzeit für nicht angemessen.“
Vater Maik Messing hält Kontakt zu Tochter Leonora
Leonora Messing hat in der Vergangenheit bereits einen Fluchtversuch nach Deutschland unternommen - und ist dabei gescheitert. Ihr Vater Maik, mit dem sie trotz ihrer Radikalisierung und Ausreise nach Syrien engen Kontakt hält, hatte zuletzt im MZ-Interview über eine mögliche Rückkehr seiner Tochter „Leo“ gesagt: „Wir müssen uns alle darauf vorbereiten, dass es nicht leicht wird.“ Mittlerweile verstehe Leonora, „dass die Stimmung hier eher gegen sie ist. Um uns und die Nachbarn zu schützen, haben wir recht schnell festgelegt, dass sie nicht nach Breitenbach kommt.“ (mz)