Hilfe in Corona-Zeiten Jugendamt Mansfeld-Südharz: Anstieg der Kindeswohlgefährdungen während Corona-Krise
Hettstedt/Eisleben/Sangerhausen - Die Pandemie und der Lockdown sind eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, insbesondere aber für Familien mit Kindern. Geschlossene Kitas, gesperrte Spielplätze, Kontaktverbote mit Freunden und Großeltern, geschlossene Freizeiteinrichtungen und Schule zu Hause stellten alle Eltern vor besonders große Aufgaben.
Homeoffice, Kurzarbeit, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Erkrankung erschwerten die Bedingungen in zahlreichen Familien noch einmal, weiß Jugendamtsleiterin Sabine Schneider. Zu Anfang der Krise sei das alles in den Familien noch sehr gut zu händeln gewesen, sagt sie. Im März wurden im Amt 21 Fälle von Kindeswohlgefährdung registriert. Doch schon im April kletterte die Zahl auf 40 und im Mai gar auf 81 Fälle.
Jugendamt Mansfeld-Südharz: Anstieg der Kindeswohlgefährdungen
Hinter den Zahlen stehen natürlich immer Schicksale, weiß die Jugendamtsleiterin. Und nennt das Beispiel einer alleinerziehenden Mutter mit einem Kindergartenkind und einem Schulkind. Sie stand plötzlich vor der Aufgabe, ganz allein und rund um die Uhr den Alltag zu gestalten. „Das schafft nicht jeder über Wochen. Da liegen auch mal die Nerven blank“, sagt Schneider. Dass dann nicht das Wohl der Kinder gefährdet wird, weil sie womöglich misshandelt werden, dafür standen die Sozialarbeiter auch während des Lockdowns parat. Es sei natürlich ein Spagat zwischen Gemeinwohl, also der Eindämmungsverordnung, und dem Kindeswohl. Das habe aber oberste Prämisse.
Manche Familien, die bereits vor der Corona-Krise beispielsweise Hilfen zur Erziehung erhielten, wurden von den Sozialarbeitern kontaktiert, zumindest telefonisch, aber auch über andere Medien oder auch persönlich aufgesucht, wenn es erforderlich war. Es sei auch jederzeit möglich gewesen, einen Termin im Jugendamt zu bekommen. Unter Einhaltung aller Hygieneregeln. Immer habe das Kindeswohl im Vordergrund gestanden.
„Das ist gut so, dass niemand wegsieht“
Wenn sich also im Verlaufe eines Gesprächs - egal ob telefonisch oder persönlich zeigte - dass sich in einer Familie die Situation zuspitzt, dann habe man auch Hilfen angeboten. Unter anderem sei es ab dem 2. April, mit dem Inkrafttreten der dritten Eindämmungsverordnung möglich gewesen, Kinder in die Notbetreuung in der Kita zu schicken, wenn das Jugendamt die Notwendigkeit dazu sah, um das Kindeswohl zu sichern. Gemeinsam mit den Trägern der Kitas habe man da immer Lösungen gefunden. „Die Zusammenarbeit war einfach nur toll“, sagt die Amtsleiterin.
50, 60 Fälle seien das im Landkreis gewesen. Die Hinweise habe das Amt von den eigenen Mitarbeitern, von Netzwerkpartnern, von Ermittlungsbehörden oder Nachbarn und Bekannten der betroffenen Familien erhalten. „Das ist gut so, dass niemand wegsieht, wenn er das Wohl eines Kindes gefährdet sieht“, meint Schneider und fordert dazu auf, sich auf jeden Fall immer im Verdachtsfall beim Jugendamt zu melden. Wenn gar kein anderer Ausweg mehr in Sicht war, und die ambulante Betreuung in der Tagesgruppe nicht mehr ausreichte, wurden Kinder auch während des Lockdowns in Obhut genommen.
„Die Inobhutnahme ist das letzte Mittel“
„Die Inobhutnahme ist das letzte Mittel. Für uns heißt es immer ambulant vor stationär, denn egal, was in einer Familie vorgefallen ist, die Bindung der Kinder an ihre Eltern ist sehr groß.“ Das wolle man unterstützen, nicht unterbinden. Inobhutnahmen seien dennoch in einigen Fällen nicht zu vermeiden gewesen. Das sei im März fünfmal der Fall gewesen, im April waren es sechs Kinder, im Mai drei und im Juni schon bereits wieder sechs Kinder. Auch für die Kinderheime ist die Zeit seit März sehr herausfordernd, weiß die Jugendamtsleiterin.
„Die Erzieher mussten auch von einem Tag auf den anderen rund um die Uhr für ihre Schützlinge da sein, für Betreuung und Homeschooling sorgen und nicht zuletzt den Kindern erklären, warum es gerade nicht möglich ist, die Familie zu sehen. Unterstützung bekamen die Heime von Sozialarbeitern der Jugendeinrichtungen, die Angebote unterbreiteten, die auch für ein wenig Abwechslung im Alltag sorgten. Auch das Jugendamt selbst unterbreitet seither auf seinem Internetportal Tipps für Familien. (mz)