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Integrierte Leitstelle (ILS Integrierte Leitstelle (ILS): Wenn ein Anruf Leben retten kann

Von Sophie Elstner 11.02.2019, 10:07
Drei Mitarbeiter pro Schicht nehmen in der Integrierten Leitstelle Notrufe entgegen und koordinieren sie.
Drei Mitarbeiter pro Schicht nehmen in der Integrierten Leitstelle Notrufe entgegen und koordinieren sie. Maik Schumann

Eisleben/Hettstedt/Sangerhausen - In der Integrierten Leitstelle (ILS) in Sangerhausen klingt leise Radiomusik durch den Raum. Eine Monitorwand zeigt eine Karte des Landkreises, wichtige Hinweise für die Disponenten und die letzten Einsätze, die im System angelegt wurden. Plötzlich ein schrilles Telefonklingeln - Disponentin Anika Ganß nimmt den Hörer ab. Eine rote Lampe leuchtet an ihrem Arbeitsplatz. „Notruf, Feuerwehr und Rettungsdienst, wo genau ist der Notfallort?“, fragt Anika Ganß den Anrufer.

30.000 Notrufe im Jahr

Es meldet sich eine Frau, die beschreibt, dass ihr Mann über Schmerzen in der Brust klagt, über Luftnot und Übelkeit. Die Adresse wird aufgenommen, noch während des Gesprächs werden ein Rettungswagen (RTW) und ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zu der Familie geschickt. Innerhalb von zwölf Minuten müssen der Rettungsdienst oder die Feuerwehr am Einsatzort sein. „Die Anruferin war sehr besonnen und hat Ruhe bewahrt“, lobt Anika Ganß. Manchmal, besonders wenn ein Anrufer unter Schock steht, sei es für die Disponenten schwierig, alle Informationen zu bekommen.

Der Notruf der Frau ist einer von jährlich knapp 30.000, die in der ILS eingehen. Dazu kommen noch einmal rund 58.000 Anrufe, die keine Notrufe sind. Die ILS ist zuständig, wenn Menschen im Landkreis dringend Hilfe vom Rettungsdienst oder der Feuerwehr benötigen. Elf Disponenten arbeiten hier. Sie alle sind sowohl beim Rettungsdienst als auch bei der Freiwilligen Feuerwehr ausgebildet.

Anrufer im Notfall beruhigen

Wenige Momente später klingelt die Telefonanlage erneut, wieder braucht ein Mensch dringend Hilfe. Und wieder heißt es: „Wo genau ist der Notfallort?“ Anika Ganß erklärt, dass diese Frage die wichtigste überhaupt sei. „Dann wissen wir, wo jemand Hilfe braucht, auch wenn die Verbindung dann abreißen sollte.“

Vor einiger Zeit wurde die Notrufabfrage überarbeitet. Wie Thomas Lier, Leiter der Leitstelle, erklärt, müsse der Anrufer nicht mehr alle bekannten W-Fragen abarbeiten, wie es früher einmal gelehrt wurde. „Die Disponenten führen durch den Notruf und bauen so eine Bindung zum Anrufer auf. Die richtigen Fragen zu stellen, ist unheimlich wichtig. Es geht hier schließlich um Leben und Tod.“

Wichtig ist laut Lier auch die Rückmeldung, die der Disponent dem Anrufer gibt. „Für den Anrufer ist es wichtig zu wissen, dass Hilfe unterwegs ist“, sagt er. So bekommt der Anrufer zum Beispiel eine Anleitung, wie er sich am besten um den Patienten oder um sich selbst kümmern kann, bis etwa der Rettungsdienst eintrifft. „Auch die Telefon-Reanimation führen wir durch“, so Lier. Dabei leitet der Disponent an, wie die Herz-Lungen-Wiederbelebung durchgeführt werden soll. „Die ILS ist eben weit mehr als ein Callcenter“, sagt Lier.

Seelsorgerin am Telefon

Anika Ganß, die seit neun Jahren als Disponentin arbeitet, musste die Telefon-Reanimation schon 15, vielleicht 20 Mal durchspielen, wie sie erzählt. Ob die Betroffenen langfristig überleben, ist nicht immer bekannt. Dafür gibt es Notrufe, die der 35-Jährigen noch lange im Gedächtnis bleiben werden. „Vor ein paar Jahren gab es einen plötzlichen Kindstod. Die Anruferin war unheimlich aufgelöst, ich habe am Telefon Hilfestellung gegeben, bis der Rettungsdienst da war“, erinnert sie sich. „Nach so einem Anruf muss man schon mal ein paar Minuten an die frische Luft“, sagt Anika Ganß, die selbst Mutter ist.

Zeit zum Durchatmen bleibt den Disponenten kaum. Notfälle kennen keine Tages- und Nachtzeit, keine Pause, keinen Schichtwechsel. Nebenbei fallen auch noch Büroarbeiten an: Straßensperrungen müssen in das System eingepflegt werden, Krankentransporte werden organisiert, die Besatzungen der RTW erkundigen sich telefonisch nach Informationen, die sie für ihre Einsatzdokumentation benötigen. Bis die Telefonanlage sich mit dem lauten Klingeln wieder meldet. (mz)

Anika Ganß arbeitet seit neun Jahren als Disponentin in der Leitstelle. 
Anika Ganß arbeitet seit neun Jahren als Disponentin in der Leitstelle. 
Maik Schumann
Während der Anrufer schildert, was passiert ist, werden Feuerwehr oder Rettungsdienst alarmiert. Dann muss alles ganz schnell gehen. In Sachsen-Anhalt ist per Gesetz geregelt, dass zwölf Minuten nach Alarmierung die ersten Rettungskräfte am Einsatzort sein müssen
Während der Anrufer schildert, was passiert ist, werden Feuerwehr oder Rettungsdienst alarmiert. Dann muss alles ganz schnell gehen. In Sachsen-Anhalt ist per Gesetz geregelt, dass zwölf Minuten nach Alarmierung die ersten Rettungskräfte am Einsatzort sein müssen
Maik Schumann
Wenn sie einen Notruf entgegen nimmt, leuchtet an ihrem Arbeitsplatz an rotes Lämpchen auf - ein Zeichen für alle, dass gerade telefoniert wird. Alle Gespräche, die über die Notrufnummer 112 eingehen, werden aufgezeichnet.
Wenn sie einen Notruf entgegen nimmt, leuchtet an ihrem Arbeitsplatz an rotes Lämpchen auf - ein Zeichen für alle, dass gerade telefoniert wird. Alle Gespräche, die über die Notrufnummer 112 eingehen, werden aufgezeichnet.
Maik Schumann