Angst um Heimplatz Eisleben/Sangerhausen: Bauliche Mängel beim Intensiv Betreuten Wohnen

Sangerhausen/Eisleben - Es war ein Riesenschreck, als Axel Sell und seiner Frau im März ein Brief aus dem Landratsamt Mansfeld-Südharz ins Haus flatterte. „Information zur Untersagung der Leistungserbringung für das Intensiv Betreute Wohnen am Standort Wolferöder Weg 14 in Lutherstadt Eisleben durch die Heimaufsicht des Landes Sachsen-Anhalt“ - hinter diesem Formulierungsungetüm verbarg sich für die Sangerhäuser eine schlimme Nachricht: Ab dem 1. April sollte ihr Sohn Markus nicht mehr dort wohnen können.
Für den 55-Jährigen, der mit dem Down-Syndrom zur Welt kam, und seine 31 Mitbewohner, die wegen verschiedenster Einschränkungen in dem Heim betreut werden, wäre das eine Katastrophe gewesen, sagt Sell. „Das ist eine eingeschworene Truppe. Wenn man die Leute auseinanderreißen und in alle Winde verstreuen würde, dann kämen sie gar nicht damit klar.“
Intensiv Betreutes Wohnen in Eisleben: Zweiter Rettungsweg fehlt
Denn die Bewohner sind nicht nur aneinander gewöhnt, auch alle Wege in Eisleben - zu ihrer Werkstatt, zu den Ärzten, zum Einkaufen - sind ihnen vertraut. Ein Wohnortwechsel hätte für sie dramatische Dimensionen.
Hintergrund der Schließungs-Ankündigung war eine Entscheidung der Heimaufsicht des Landes Sachsen-Anhalt. In dem Objekt, das zwar dem Landkreis gehört, aber von der Magdeburger Projektservice GmbH betrieben wird, gebe es seit geraumer Zeit verschiedene Mängel, die es nicht mehr ermöglichen, die Bewohner nach den gesetzlich vorgeschriebenen Standards unterzubringen, heißt es in dem Schreiben an die Eltern.
Konkret geht es zum Beispiel um den zweiten Rettungsweg. Die vor einem Jahr angebauten Stahltreppen an den Seiten des Speisesaals wurden nur als Provisorium anerkannt. Als dauerhafte Lösung muss ein zweiter Fluchtweg so beschaffen sein, dass man auch Menschen mit Einschränkungen sehr schnell evakuieren kann.
Betreibervertrag bis zum 30. Juni 2020 verlängert
„Die Probleme waren lange bekannt, aber es wurden auch lange die Hausaufgaben nicht gemacht“, sagt Axel Sell. Beim Landkreis verweist man darauf, dass der Träger, mit dem man 2004 einen Vertrag zum Betreiben der Einrichtung geschlossen hatte, diesen Betreibervertrag zwischenzeitlich zum 31. Januar gekündigt und anschließend dann zwar doch verlängert hatte, aber nur bis Ende März. Der Landkreis habe den Bewohnern also zwangsläufig mitteilen müssen, dass ihre Heimplätze ab dem 1. April nicht mehr existieren würden. Inzwischen sei der Betreibervertrag aber bis zum 30. Juni verlängert worden, so dass die Bewohner zumindest bis dahin bleiben können.
Axel Sell und viele andere Eltern konnten also erst einmal aufatmen. Inzwischen seien auch schon Handwerker vor Ort gewesen und hätten sich ein Bild von den nötigen Arbeiten gemacht, bestätigt Heimleiterin Elvira Klewitz. „Die Bewohner sollen weiter hier wohnen“, sagt sie.
Corona-Krise: Striktes Besuchsverbot in der Einrichtung
Klewitz und ihre Kollegen haben in diesen Tagen neben den baulichen und technischen Bedingungen im Heim noch ganz andere Sorgen. Auch im Intensiv Betreuten Wohnen gilt wegen der Corona-Krise ein striktes Besuchsverbot und auch die Eisleber Werkstatt der Lebenshilfe, in der die meisten Bewohner arbeiten, ist geschlossen. Gemeinsame Mahlzeiten und das gemütliche Kaffeetrinken sind zurzeit ebenfalls nicht möglich.
Umstände, die man den Bewohnern nur schwer verständlich machen kann. Die Hygieneregeln - Abstand halten und häufig die Hände waschen - erkläre man ihnen jeden Tag geduldig aufs Neue, so Klewitz. Man versuche, den fehlenden Besuch der Angehörigen durch mehr Zuwendung auszugleichen. „Man nimmt sich eben jeden Tag mehr Zeit für die Dinge, die schön sind“, berichtet sie. (mz)