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Freiwillige Entscheidung Corona - Friseure schließen Salons freiwillig aus Gefahr vor Ansteckung

Von Grit Pommer und Beate Thomashausen 20.03.2020, 13:30
Zahlreiche Friseure im Kreis schließen ihre Salons freiwillig, um sich und ihre Mitarbeiter vor Corona zu schützen.
Zahlreiche Friseure im Kreis schließen ihre Salons freiwillig, um sich und ihre Mitarbeiter vor Corona zu schützen. Jürgen Lukaschek

Sangerhausen/Eisleben/Hettstedt - Das hat bei vielen Leuten Stirnrunzeln verursacht: Von der Verfügung über die Schließung von Läden und öffentlichen Einrichtungen zur Eindämmung des Corona-Virus bleiben Friseurgeschäfte ausgenommen. Sie sollen aber für einen Abstand von 1,50 Meter zwischen den Kunden sorgen.

Frisöre sollen Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten

Was soll das?, fragten sich viele, die in dem Fach tätig sind. Und auch der Laie wunderte sich, dass ausgerechnet in einem Salon, wo der Fön die warme Luft zwischen den Mitarbeitern, den Leuten auf dem Stuhl und den wartenden Kunden immer schön zirkulieren lässt, alles so weiter laufen soll wie gehabt, während Fahrlehrer nicht mal mehr einem einzelnen Schüler Fahrstunden geben dürfen.

Bei der Sahair GmbH, zu der neun Friseursalons in Sangerhausen und Umgebung und 76 Mitarbeiter gehören, wurde die Reißleine gezogen. Seit Mittwoch sind alle Salons geschlossen.

„Dass die Friseurgeschäfte von den Schließungen ausgenommen sind ist ein Wahnsinn der Politik“, sagt Geschäftsführerin Heidrun Völkel. Begründet worden sei es mit der Zugehörigkeit zum Handwerk und mit der Hygienefunktion. „Das kann doch keiner nachvollziehen“, sagt Völkel. 

Mansfeld-Südharz: Unverständnis bei den Frisören

„Wir alle sollen die sozialen Kontakte einschränken und im Friseursalon sollen die Leute zusammenkommen.“ Es sei fraglich, wie die Hygienestandards eingehalten werden können. Sahair habe schon im Januar Desinfektionsmittel bestellt, davon sei vielleicht die Hälfte geliefert worden.

Die Entscheidung zur Schließung sei die härteste gewesen, die sie jemals treffen musste. Es sei völlig unklar, ob und in welchem Umfang es staatliche Hilfe gebe. „Für uns steht die nackte Existenz auf dem Spiel“, so Völkel. In der Branche könne keiner auf große Rücklagen zurückgreifen. Aber es gehe um die Verantwortung für die Kunden, die Beschäftigten und ihre Familien. „Mich hat eine Mitarbeiterin angerufen, sie hat geweint, denn ihr Mann ist schwer lungenkrank“, berichtet Völkel. Und so wie er müssten jetzt viele, für die Covid19 den Tod bringen kann, vor Ansteckung geschützt werden.

Schließung wegen Corona ist keine leichte Entscheidung

Friseurmeister Kai Mögling, Deutscher Meister seines Handwerks im Jahr 2018, hatte am Donnerstag seinen Salon „Charakterkopf“ in Sangerhausen noch geöffnet. „Ich finde das auch schwierig“, sagte er auf MZ-Anfrage. Von der Kundin, an der er gerade arbeite, sei er vielleicht 50 Zentimeter entfernt. Doch als Unternehmer, der letztlich von den Einnahmen leben muss, sei die Entscheidung, das Geschäft zu schließen, nicht leicht zu treffen.

„Es war die härteste Entscheidung, die ich jemals treffen musste“, stellte auch Monika Eim fest. Sie ist Geschäftsführerin von „Friseur und Kosmetik Charmant“ in Eisleben. Und das auch nur noch für 14 Tage. Eigentlich soll jetzt die Geschäftsübernahme vonstatten gehen. Und das in einer so prekären Situation.

Mitarbeiter hatten Angst, sich anzustecken

18 Salons gehören zu dem Traditionsunternehmen, das vor 60 Jahren als PGH begründet wurde. Alles sind seit Donnerstag geschlossen. Für 57 Mitarbeiter beantragte die Geschäftsführerin jetzt Kurzarbeitergeld und hofft, dass alles glatt geht und es bewilligt wird. Mut gemacht habe ihr das Beispiel von Sahair. Als sie davon hörte, habe auch sie sich getraut, diesen Schritt zu gehen und zu schließen.

Mit den Mitarbeitern habe sie gesprochen und alle seien froh gewesen und trugen die Entscheidung mit. Aber es sei ja auch nicht mehr zu verantworten gewesen, die Salons weiterhin zu öffnen. „Die Mitarbeiter hatten Angst, sich bei dem engen Kundenkontakt irgendwann anzustecken“, so Eim. Desinfektionsmittel hatte man schon lange nicht mehr in ausreichender Menge und konnte so die Schutzmaßnahmen gar nicht mehr richtig absichern. Das Risiko wuchs von Tag zu Tag.

„Ob ich Kurzarbeitergeld bekomme?“, überlegt Daniela Meincke. Sie ist ein Ein-Frau-Unternehmen aus Dederstedt und nennt sich selbst „fliegender Friseur“, denn sie fährt zu ihren Kunden. Den Salon, den sie zum Schluss in Osterhausen hatte, konnte sie sich nicht mehr leisten. Und jetzt steht sie vor der größten Bewährungsprobe überhaupt. In dieser Woche habe sie noch einmal ein volles Terminbuch gehabt, aber die Kunden seien immer verhaltener mit Terminen gewesen und sie selbst habe nicht mit Bestimmtheit sagen können, ob sie überhaupt noch rausfahren dürfe.

Aber eigentlich sei es eine Frechheit, dass Friseure noch arbeiten sollen, findet sie. „Ich desinfiziere nur noch. Wie soll denn das gehen? Wie soll ich anderthalb Meter Abstand halten? Und dann niest einer. Wo bleibt da der Schutz?“

Zukunft für die Friseure ist völlig ungewiss

Es sind viele Fragen ungeklärt. Die Wichtigste aber ist für sie: Wird mein Unternehmen diese Corona-Zeit überstehen? Ohne finanzielle Unterstützung sicherlich nicht. „Ich bin froh, dass ich mit Mann und Kind auf dem Dorf lebe“, sagt Daniela Meincke. „Ich muss nicht zwingend einkaufen gehen, kann von dem Geld, was ich jetzt habe, eine Zeit lang die laufenden Kosten bestreiten. Aber dann?“

Sie hofft inständig, dass die Situation nicht länger als ein, zwei Monate anhält und denkt dabei beispielsweise an die beiden Hochzeiten, für die sie extra im Mai Termine freigehalten und ihren Urlaub verschoben hat. „Ob die wohl stattfinden werden?“ Den eigenen Urlaub hat sie sich längst aus dem Kopf geschlagen, selbst wenn bis dahin die Verfügung aufgehoben ist, wird sie sich keinen mehr leisten können. (mz)