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Landkreis Mansfeld-Südharz Landkreis Mansfeld-Südharz: Robin und sein zweites Leben

Von Helga Koch 10.07.2008, 19:41

Liedersdorf/MZ. - "Robin, mein Schatz, du hast Besuch", sagt Diana Trödel leise und streicht ihrem Sohn zärtlich über das Haar. Langsam öffnet der 20-Jährige die Augen. Sein Blick wandert umher, nach oben, zur Seite, bleibt schließlich an Katja Ernst hängen. Die Physiotherapeutin kommt jeden Tag zu ihm. Robin liegt seit über einem Jahr im Wachkoma.

Nun soll ihm eine Delphin-Therapie in der Türkei helfen, aus dem Koma zurückzukehren. Sein Arzt, Dr. Klaus Herrling aus Sangerhausen, befürwortet die Therapie: "Es ist eine alternative Behandlung, die ihm helfen und ihn zusätzlich weiterbringen wird. Trotz Robins schwerem Krankheitsbild sind Fortschritte zu erwarten." Welche, kann auch er nicht sagen. Doch die Hoffnung macht allen Mut, die die teure Therapie unterstützen wollen: Das sind Robins Familie, Freunde und Verwandte, die gemeinnützige Land-in-Sicht-Gesellschaft in Holdenstedt, die Sangerhäuser Feuerwehr, Lehrer und Schüler des Scholl-Gymnasiums, der Sangerhäuser Lions Club, die Band Tänzchentee. Und es werden täglich mehr.

Diana Trödel (40) kann seit Robins schwerem Autounfall im März 2007 ihrem Job als Buchhalterin einer Dachdeckerfirma nicht mehr nachgehen. Sie hat ebenso wie Vater Stephan Monate an Robins Bett verbracht: im Krankenhaus, in der Reha-Klinik und seit zwei Monaten zu Hause. Drei Wochen blieb sie sogar nachts bei ihm: Als sie fürchtete, ihn zu verlieren. So wie damals, als er mit dem Rettungshubschrauber weggeflogen wurde - und sie vor Angst und Schmerz fast wahnsinnig wurde und immer wieder seinen Namen schrie. "Er hat es gehört", sie weiß es.

Täglich von 8 bis 20 Uhr wachte sie an seinem Krankenbett, unterstützte die Pflegekräfte und übernahm nach und nach Teile der Pflege selbst. Ging es Robin besonders schlecht, wurde der Tag noch länger. Schließlich stand ja noch der Heimweg an. Denn Robins Bruder Richard, der auf das Sangerhäuser Gymnasium geht und jetzt 14 Jahre geworden ist, brauchte seine Mutter ja auch. Die Großeltern kamen aus Sangerhausen, brachten Richard das Mittagessen, kümmerten sich um den Haushalt, die drei Hunde und den Garten. Ihr Mann unterstützte sie, wo er nur konnte. Und Richard hat großartig reagiert: "Mutti, wenn du bei Robin bist, dann weiß ich, ihm geht es gut." Außerdem kümmern sich Robins Freunde bis heute intensiv um ihn.

Robin, der erst Kfz-Mechatroniker lernen und dann studieren wollte, hatte schwere Hirnverletzungen und wurde mehrfach operiert. Dem künstlichen folgte das Wachkoma. In ein Pflegeheim würde Diana Trödel Robin niemals geben, die Entscheidung fiel ohne zu zögern. Sagte ihr jemand, sie solle mal an sich denken, blieb sie erst recht bei ihm: "Er braucht mich." Über Weihnachten war er das erste Mal zu Hause und im März drei Wochen. Robin im Bett zu drehen oder in den Rollstuhl zu setzen, hat seine Mutter längst gelernt - obwohl er mit 1,95 Metern Körpergröße kein Fliegengewicht ist.

In den Tagen und Nächten an seinem Bett hat Diana Trödel viel nachgedacht und Tagebuch geschrieben. Den Kontakt zu Freunden und Verwandten hat sie lange auf ein Minimum beschränkt. Doch inzwischen telefoniert sie wieder öfter, hat sich Fachliteratur beschafft und nutzt das Internet, um über ähnliche Schicksale nachzulesen und nach Hilfe zu suchen. Nicht nur für ihren Sohn, sondern auch für andere.

Diana und Uwe Trödel haben mit engagierten Freunden eine Fördergesellschaft für Wachkoma-Patienten in Sangerhausen gegründet und ein Spendenkonto eingerichtet. Mit einem Ergebnis, das sie nie erwartet hätten. Die Liste der Spender wird täglich länger. Sie steht auf einer Internetseite der Sangerhäuser Feuerwehr, die nach Robins Unfall im Einsatz war und nun auch andere Feuerwehren um Hilfe für Robins Therapie gebeten hat.

Robins suchender Blick, mit dem er einem Foto folgt, das seine Mutter vor seinen Augen bewegt, das erste, kaum erkennbare Lächeln auf seinem Gesicht, sein leises Brummeln bei der Schwerstarbeit mit der Physiotherapeutin - all das sind riesige Fortschritte, die ihm vor Monaten kaum jemand zugetraut hätte. Neben der künstlichen Nahrung, die er durch eine Magensonde erhält, versucht ihm seine Mutter zusätzlich Brei zu geben. Das ist schwierig, denn er kann den Mund nicht allein öffnen. An guten Tagen schafft er ein dreiviertel Babygläschen - in einer dreiviertel Stunde.

So wie Robin führen auch seine Familie und Freunde jetzt das zweite Leben. "Es gibt ein Davor und ein Danach", sagt seine Mutter. Am Anfang habe sie gedacht, es würde einen Klick geben, und alles wäre wie vorher. Das ist vorbei. "Es ist ein Lernprozess. Ich weiß, dass mein Kind nie mehr so sein wird wie vorher." Doch irgendwann, sagt sie, wird er wieder sprechen oder laufen können. Sie weiß es.

Sonderspendenkonto "Robin", Kontonummer 39 019 221, Sparkasse Mansfeld-Südharz, Bankleitzahl 800 535 52