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"Vergessen im Harz" Vergessen im Harz - Lost Places: Dokumentarfilmer lassen in Teil 3 Zeitzeugen des Verfalls zu Wort kommen

Von Andreas Bürkner 29.05.2018, 05:53
Aus dem seit Jahren leerstehenden großen Saal auf dem Ziegenberg in Ballenstedt wurde ein Kino.
Aus dem seit Jahren leerstehenden großen Saal auf dem Ziegenberg in Ballenstedt wurde ein Kino. Jürgen Meusel

Ballenstedt - „Jetzt ist endgültig Schluss“, betont Enno Seifried. Der Initiator und Regisseur der Dokumentarfilmreihe „Vergessen im Harz - Lost Places“ hat mit der Premiere des dritten Teils in der ehemaligen Parteischule auf dem Ballenstedter Ziegenberg am Freitagabend sein Werk im Harz abgeschlossen.

„Eigentlich waren anfangs nur zwei Teile geplant, aber die riesige Unterstützung der Menschen hat mich dazu bewogen, daraus eine Trilogie zumachen“, sagt der Leipziger Künstler.

Mit dieser Entscheidung hatte er vor zwei Jahren zur Premiere des zweiten Teils im ehemaligen Hotel Zehnpfund in Thale sogar seine Mitstreiter überrascht. Nun liegt das Ergebnis vor und knüpft an die beiden ersten Filme an.

Vergessene Einrichtungen abseits der Touristenpfade

Es sind nicht die dauerpräsenten alten und neuen Attraktionen des nördlichsten Mittelgebirges Deutschlands zu sehen, sondern Geschichten von Menschen, die sich an die Geschehnisse hinter inzwischen längst vergessenen Einrichtungen nach Ende der Blütezeit abseits der üblichen Touristenpfade erinnern.

Seifried, der zuvor bereits verlassene Stellen in seiner Heimatstadt Leipzig ergründet hatte, brachte eine längere Wanderung durch den Harz schließlich auf die Idee, auch über leerstehende Sanatorien, Hotels, frühere FDGB-Heime, Militäreinrichtungen und Betriebe in der Region zu recherchieren.

Seifried und sein Team wollten wissen, warum sie in Vergessenheit gerieten und dem Verfall preisgegeben sind. Und sie machten sich auf die Suche nach Zeitzeugen. Mal waren es Bewohner, mal Mitarbeiter oder einfach nur historisch interessierte Menschen - wie Frank Jankowski.

Dem „Braunen Hirsch” in Gernrode droht der Zusammenbruch

Der Gernröder hatte im zweiten Teil die Geschichte über das frühere FDGB-Heim „Fritz Heckert“ oberhalb des Ortes gesehen und nahm von sich aus Kontakt mit der Filmcrew auf. „Wir haben noch mehr solcher leerstehender Gebäude“, teilte er mit. Nach einem Treffen stand fest: Das Hotel „Brauner Hirsch“ an der Clara-Zetkin-Straße wird auch ein „verlassener Ort“.

„Das Haus steht wegen des undichten Daches kurz vor dem Zusammenbruch“, mussten die Filmleute feststellen. „Dort hinein zu gehen war schon mit großem Risiko verbunden“, bekennt Regisseur Enno Seifried.

Und auch weitere Beispiele im Film machen eines deutlich: Sowohl Ost- wie Westharz blieben von den negativen Folgen der deutschen Wiedervereinigung nicht verschont. „Manchmal war es schon fast deprimierend“, fand Zuschauer Wolfgang Schilling, „was hinter den Mauern der Häuser diesseits und jenseits des ehemaligen Grenzstreifens im Harz passiert ist.“

Besuch im ehemaligen britischen Fliegerhorst bei Goslar

Waren es viele FDGB-Ferienheime, Sanatorien und volkseigene Betriebe, die im Osten mit Einführung der D-Mark abgewickelt wurden, waren es im Westharz die britischen Truppen, die beispielsweise den alten Fliegerhorst bei Goslar nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs aufgaben.

Zeitweise rückte noch die Bundeswehr ein, inzwischen ist das Areal aber ebenso seit Jahren stillgelegt wie manch ein Hotel, das ohne spezielle Förderung im Zonenrandgebiet nicht mehr mit der durch das Aufbau-Programm Ost schnellen Sanierung mancher Häuser im Ostharz konkurrieren konnte.

Seifrieds Anliegen ist es nicht, einen Abgesang auf frühere Zeiten zu dokumentieren, sondern auch auf erhaltenswerte Einrichtungen hinzuverweisen. „Es muss nicht immer alles neu gebaut werden“, lautet sein Credo, „sondern manch Historisches kann auch wiederbelebt werden.“

Hoffnung macht dabei im letzten Teil der Trilogie ein Beispiel aus Altenau. Das frühere Rathaus-Hotel - von Enno Seifried anfangs noch als verfallendes Gebäude gezeigt - hat inzwischen einen neuen Besitzer, der große Pläne hat.

Und ähnliches erhoffen sich auch die Gernröder mit ihrem früheren FDGB-Heim. „Soweit ich es weiß, gibt es einen neuen Eigentümer, der an dieser Stelle investieren will“, umschreibt es Jankowski. Denn angesichts des maroden Zustandes scheint wohl ein Abriss unvermeidbar, dem ein Neubau folgt.

Crowdfunding machte die Dokumentarfilme möglich

Die drei Filmabende, die wieder Leben in den früheren Kinosaal auf dem Großen Ziegenberg brachten, blieben den „Förderern“ des Filmprojekts vorbehalten. „Wir konnten unserer Vorhaben nur mit einer Crowdfunding-Aktion umsetzen“, dankte Enno Seifried den Premierenbesuchern, die mit ihrem Geld die drei Filme finanziert und sich zugleich eine wertvolle Erinnerung geschaffen haben. „Mal in einem Filmabspann zu stehen, ist doch eine tolle Sache“, fand deshalb auch Frank Jankowski.

Übrigens: Wer sich - auch ohne ein Teil der Finanzierung gewesen zu sein - den dritten Teil der Serie anschauen möchte, hat dazu demnächst im Studiokino Eisenstein in der Quedlinburger Reichenstraße die Gelegenheit. Am Donnerstag, 31. Mai, sowie am 3., 4. und 5. Juni wird „Vergessene Orte im Harz“ jeweils um 20.15 Uhr gezeigt. (mz)