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Flüchtlinge Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine in Güntersberge: Krisenstab kriegt die Krise

Warum die Kreisverwaltung eine optimale Lösung findet, aber das Land sie seit Wochen nicht starten lässt.

Von Uwe Kraus Aktualisiert: 22.04.2022, 10:54
Landrat Thomas Balcerowski (l.) informiert sich im Harz-Park Güntersberge über die Unterbringungsmöglichkeiten für ukrainische Flüchtlinge.
Landrat Thomas Balcerowski (l.) informiert sich im Harz-Park Güntersberge über die Unterbringungsmöglichkeiten für ukrainische Flüchtlinge. Foto: Uwe Kraus

Güntersberge/MZ - „Neue Bettwäsche draufziehen, kurz wischen und lüften, dann die Küche aufschließen und die eingelagerte Technik ranschaffen. In drei Wochen könnten hier bis zu 500 ukrainische Flüchtlinge optimale Bedingungen in einer Erstaufnahmestelle vorfinden“, sind sich Harzgerodes Bürgermeister Marcus Weise (CDU) und der scheidende Objektleiter des Harz-Parks, Andreas Pasche, einig.

Das VHS-Bildungswerk teilte vor einiger Zeit mit, den Harz-Park zum 31. März schließen zu müssen: „Die anhaltenden Einschränkungen der Corona-Pandemie haben bei uns leider zu nachhaltigen wirtschaftlichen Schäden geführt, vor deren Hintergrund wir den Betrieb nicht länger aufrecht erhalten können.“

Harzpark ist „eine optimale Lösung“

Die Harzer Vize-Landrätin Heike Schäffer, Chefin des „Krisenstabes Flüchtlinge“, rückt am Donnerstag mit ihrer kompletten Mannschaft in Güntersberge an, um den Harz-Park genau unter die Lupe zu nehmen. Sie hält es danach für „eine optimale Lösung“, auf dem Gelände des früheren Kiez die zentrale Erstaufnahmestelle für ukrainische Flüchtlinge einzurichten.

Es böten sich beste Möglichkeiten nicht nur für die Unterbringung: Durch die Kindertagesstätte auf dem Gelände und die Schule in der Nachbarschaft könnten zentral Unterricht und Deutschkurse abgedeckt werden. Das 10,5 Hektar große Gelände sei bestens für die zumeist Mütter mit Kindern und Senioren geeignet.

Barrierefreie Wohnmöglichkeiten und viel Raum für Kinder

59 unterschiedlich große Gebäude verfügen teilweise über barrierefreie Wohnmöglichkeiten und viel Raum für Kinder, die die vorhandenen Kreativangebote nutzen könnten. Eingemottete Technik kann kurzfristig aktiviert werden, Küche und Speisesäle seien in funktionsfähigem Zustand. Andreas Pasche betont, dass nach dem Ende des Harz-Parks entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden, um das Gelände nicht dem Verfall anheim fallen zu lassen. „Es sind beste Bedingungen, um sofort starten zu können“, lobt Bürgermeister Marcus Weise. Und Landrat Thomas Balcerowski hat schon genaue Vorstellungen, wie aus der Rezeption der Anlaufpunkt seiner Ausländerbehörde werden könnte.

Die Kinder- und Jugendherberge Harz-Park in Güntersberge.
Die Kinder- und Jugendherberge Harz-Park in Güntersberge.
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Doch „die Bürokratie legt uns nur Steine in den Weg“, blickt er in Richtung Landesverwaltungsamt und -regierung. Bevor hier etwas geschehen könne, meint man dort, müsste über die Fördermittelverbindlichkeiten des vorvorigen Trägers geredet werden: Das VHS-Bildungswerk hatte die vom insolventen Kiez übernommen und will aus diesen entlassen werden. Auf Nachfrage der MZ heißt es aus dem Harzgeröder Rathaus, von den einst 1,5 Millionen Euro Kiez-Förderung seien noch 238.000 Euro offen.

„Vertraglich vereinbart ist, dass das Gelände zum Heimfall wird, also der Stadt Harzgerode zufällt“, so Bürgermeister Marcus Weise. Der macht aber auch deutlich, dass seine Kommune „nicht die Verbindlichkeiten anderer übernehmen wird“. Er findet es wie die Mitglieder des Krisenstabes „sehr ärgerlich“, dass keine Entscheidung seitens des Landes getroffen werde. Er spüre nach zahlreichen Telefonaten eine „große Unwilligkeit“ bei den zuständigen Behörden. Landrat Thomas Balcerowski geht noch viel weiter: „Aus der Flüchtlingskrise 2015 hat man dort nichts gelernt.“ Jede Verwaltung träume davon, so ein Komplettpaket zur Verfügung zu haben.

1.100 ukrainische Staatsbürger muss der Kreis unterbringen

Das Nadelöhr „Registrierung“ könnte durch die zentrale Unterbringung umgangen werden. Dazu sei man durch sehr gute Unterkünfte, Seminarräume, eine Kita und eine leer stehende Schule, die kurzfristig reaktiviert werden kann, auf zentrale Beschulung und Deutschkurse vorbereitet. Er denke, auch der ÖPNV könne flott auf mögliche Veränderungen reagieren. Schließlich gehe es derzeit um 1.100 ukrainische Staatsbürger, die der Kreis unterzubringen habe. „Darunter befinden sich zwischen 350 und 400 Kinder, die hier wunderbare Angebote vorfinden würden.“

Den CDU-Politiker stört, dass auf Landesebene jegliche Entscheidungsfreudigkeit fehle. „Das Problem wird wie eine heiße Kartoffel weitergereicht.“ Das Land stehe sich erneut selbst im Wege. Niemand solle dem Irrglaube verfallen, dass die Ukrainer dort, wo sie jetzt sind, in Hotels kostenlos wohnen. Aus diesem Grunde sehe er in der zentralen Unterbringung – bis die Registrierung abgeschlossen ist und eine Verteilung auf Wohnungen erfolgt – im Güntersberger Harz-Park „eine auf deren besondere Bedürfnisse zugeschnittene Lösung“.