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Ein Jahr nach Eröffnung TitanRT an Rappbodetalsperre im Harz: Hängebrücke begeistert Besucher, doch ein Problem bleibt

Von Julius Lukas 08.05.2018, 06:23
Besucher gehen über die Hängeseilbrücke TitanRT an der Rappbodetalsperre im Harz.
Besucher gehen über die Hängeseilbrücke TitanRT an der Rappbodetalsperre im Harz. dpa-Zentralbild

Rübeland - Der Parkplatz ist voll. Fast übervoll. Nur vereinzelt gibt es noch Lücken in den Wagenreihen - und das an einem Freitagvormittag. Die Hängebrücke Titan RT - das sieht man beim Blick auf den Parkplatz - hat eine fast magische Anziehungskraft. Am Montag vor genau einem Jahr wurde sie neben der Rappbodetalsperre (Landkreis Harz) über den Abgrund gespannt. Menschenmassen sind seitdem über die 458 Meter lange Stahlkonstruktion geschlendert, manche auch wackeligen Schrittes - immerhin schaut man durch den Gitterboden gut 100 Meter in die Tiefe.

Stellplatzmangel soll im Frühjahr 2019 angegangen werden

Dieser enorme Andrang wurde keineswegs erwartet - das zeigt sich allein an der Parkplatzsituation. Denn nachdem die Brücke am 7. Mai 2017 eröffnet wurde, tat sich schnell ein Problem auf: Wohin mit den Autos der Besucher? Die Harztouristen fanden eine einfache Lösung. Sie parkten einfach am Rand der schmalen Straße - unter Sicherheitsaspekten ein gewagtes Manöver und zudem ein Verkehrshindernis.

Der Stellplatzmangel soll spätestens im Frühjahr 2019 angegangen werden - das versprechen die Betreiber. Am Freitagvormittag allerdings ist die Kapazitätsgrenze des Parkplatzes noch nicht erreicht. Entsprechend ist auch der Straßenrand autofrei. Nur auf einen Waldweg haben sich einige Wagen verzogen, wohl um die Parkgebühren zu sparen.

Unter den Bäumen steht auch ein Motorrad, dessen Besitzer aus der Richtung der Hängebrücke kommen. Ein älteres Ehepaar, das gerade wieder aufsatteln will. Er in Lederjacke, sie mit Gürteltasche: „Wir machen im Harz einen Motorradurlaub“, sagt der Mann. Da gehöre die Brücke als neueste Attraktion dazu. „Das sieht schon spektakulär aus, wie die da drüber gespannt ist - allein von der Architektur her.“ Sowas kenne man sonst nur aus den Alpen. Ob sie es selbst ausprobiert haben? „Nein, dass ist nix für uns“, winkt die Frau ab.

Dass das viele Menschen anders sehen, darauf haben Maik und Stefan Berke gesetzt. Die Brüder sind die Köpfe hinter der Attraktion in luftiger Höhe. Sie sind gebürtige Oberharzer - kommen also aus der Gemeinde, in der auch die Titan RT hängt. Das Kürzel „RT“ steht für Rappbodetal. Und eine gewisse Heimatverbundenheit hat die unternehmerischen Brüdern auch zu Brückenbauern gemacht.

Mit ihrer Eröffnung im Mai 2017 heimste die Titan RT gleich einen Rekord ein: Längste Seilhängebrücke der Welt. Der freihängende Teil der Talquerung, die in zehn Monaten für geschätzte drei Millionen Euro gebaut wurde, ist 458 Meter lang - damit übertraf sie den damaligen Rekordhalter um 20 Meter. Allerdings musste die Spitzenposition schnell wieder hergegeben werden. Im Juli 2017 nämlich eröffnete nahe Zermatt (Schweiz) eine Seilhängebrücke, die es auf stattliche 494 Meter bringt - allerdings bei der Gesamtlänge. Wie viele Meter die schweizer Charles-Kuonen-Brücke frei hängt, geben deren Betreiber nicht an.

Die Titan RT ist etwa 120 Tonnen schwer. Rund 18.000 Mal so viel wiegt der Stahlbeton, der beim Bau der Rappbodetalsperre, die direkt neben der Hängebrücke steht, verbaut wurde. Erste Planungen für eine Mauer an dieser Stelle gab es bereits 1891. Erst über 60 Jahre später sollte die Idee dann verwirklicht werden. Die Talsperre wurde von 1952 bis 1959 gebaut und dient als Wasserreservoir und Kraftwerk. Sie staut die Rappbode zu einem 3,9 Quadratkilometer großen See auf, der 113 Millionen Kubikmeter Wasser enthält. Mit einer maximalen Höhe von 106 Metern ist die Staumauer der Talsperre die höchste in Deutschland.

Die Rappbodetalsperre liegt bei Wendefurth im Harzkreis. Von Osten aus erreicht man sie über die A14 und B6 (Abfahrt Blankenburg). Von Süden aus über die A38 (Abfahrt Roßla).

››Mehr Informationen zur Hängebrücke: www.titan-rt.de

Unter ihrem Label „Harzdrenalin“ versuchen sie seit 2012, dem Mittelgebirge etwas Leben einzuhauchen. Erst waren es nur Segway-Touren, dann kamen Wallrunning - angeleint eine Mauer runterlaufen - und Ziplining - an einer überdimensionierten Seilrutsche ins Bodetal rauschen - hinzu. Den Freiluft-Freizeitpark ergänzte dann vor einem Jahr noch die Titan - der bisher größte Erfolg der Brüder.

Zu ihrem Fazit nach einem Jahr Hängebrücke hätte die MZ Maik und Stefan Berke gerne befragt. Am Donnerstag und Freitag fand sich jedoch kein Termin für ein kurzes Gespräch. Der Deutschen Presseagentur sagten die Chefs jedoch, dass die Begeisterung für die Brücke ungebrochen sei. „Wer den Harz bereist, für den steht die Brücke fest auf dem Programm“, so Maik Berke.

Am Freitagvormittag ist der Andrang am Eingang zur Titan RT - trotz fast vollem Parkplatz - überschaubar. Zum Publikum, das sich durch das Drehkreuz schiebt, gehören Familien und Seniorengruppen. Selbst eine Frau im Rollator nimmt die Hängepartie in Angriff. „Anfang und Ende sind am schlimmsten“, verkündet eine ältere Frau, die gerade von der Brücke geht. Recht hat sie. Denn die ersten Meter sind durchaus ruckelig. Nimmt man dann noch die Hände von der 1,20 Meter hohen Brüstung, kommt ein Gefühl auf, als hätte man vor der Talquerung einen Schoppen Wein zu viel zu sich genommen: Das bauwerkliche Schwanken produziert körperliches Wanken.

Doch je weiter man sich der Mitte nähert, desto ruhiger wird es auch. Nur der Blick durch den Gitterrost in die Tiefe verursacht noch ein leichtes Kribbeln im Bauch. Allerdings kann man die Augen auch nach oben richten, sie über das lauschige Bodetal schweifen lassen und die imposant neben einem aufragende Talsperre betrachten. Paradiesische Aussichten sind das.

Doch plötzlich zerstört ein Kreischen den visuellen Genuss: „Ich bin der König der Welt“, tönt es über einem. Ein Zipliner lässt die Brückengänger an seiner Gefühlswelt teilhaben. Die Seilbahn kreuzt die Brücke auf ihrem Weg ins Tal. Wagemutige sausen im Minutentakt Richtung Boden. Kurz kommt eine Frage auf: Braucht es so etwas eigentlich? Der Harz mit seiner Natur ist doch Attraktion genug. Ein junges Pärchen, das gerade das Händchenhalten zugunsten des Festhaltens am Geländer aufgegeben hat, meint: „Wir gehen auch gerne im Harz Wandern, aber die Brücke ist einfach eine willkommene Abwechslung.“

Die 458 Meter hat man inklusive Fotostopp in gut fünf Minuten absolviert. Wie viele Menschen das schon getan haben, ist unklar. Die Berke-Brüder veröffentlichen keine Zahlen dazu. Die Region allerdings profitiert vom hängenden Hochweg. „Das ist ein tolles Projekt für den Harz“, sagte Landrat Martin Skiebe (CDU) schon zur Eröffnung. Untermauern lässt sich das anhand der Tagestouristen, die im vergangenen Jahr nach Oberharz am Brocken kamen. Deren Zahl ist gegenüber 2016 nämlich um knapp 12 Prozent gestiegen. (mz)

Besuchermagnet Brücke: 210 Menschen dürfen gleichzeitig auf dem Stahlbauwerk sein.
Besuchermagnet Brücke: 210 Menschen dürfen gleichzeitig auf dem Stahlbauwerk sein.
Andreas Stedtler