Prozess wegen Messerangriff in Ilsenburg Prozess wegen Messerangriff in Ilsenburg: "Ich wollte niemanden töten"
Magdeburg/Ilsenburg - Im Vorbeigehen wirft der Mann den beiden vor dem Gerichtssaal wartenden Frauen schnell noch einige Küsschen zu, Worte fliegen auf Italienisch hin und her. Der 34-Jährige muss sich seit Freitag wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Magdeburg verantworten. Seine Mutter und seine Schwester sind aus Italien gekommen, um die Verhandlung zu verfolgen.
Sie haben ihm, wie die Schwester später vor Gericht sagen wird, klar gemacht, dass er sich der Polizei stellen müsse, nachdem er ihnen erzählt hatte, dass er „Mist gebaut“ habe.
Laut Anklage soll der 34-jährige Italiener am 17. April vergangenen Jahres gegen 2 Uhr nach einem Streit einem Sicherheitsdienst-Mitarbeiter der Ilsenburger Diskothek „Klima“ ein Messer in den Bauch gerammt haben. Dabei wurde der damals 30-Jährige Security-Mann lebensgefährlich verletzt; so wurden unter anderem der Dickdarm durchtrennt und die Leber verletzt.
„Ohne Notoperation wäre er gestorben“
„Ohne eine sofort durchgeführte Notoperation wäre er an inneren Blutungen bzw. an einer aus den Verletzungen resultierenden Sepsis gestorben“, sagte Oberstaatsanwältin Eva Vogel.
„Ich entschuldige mich bei dem Mann, bei seiner Familie“, sagte der 34-Jährige vor Gericht. „Es tut mit extrem leid. Ich hatte keine Absicht, jemanden zu töten.“ Wie er berichtete, habe er am 16. April bis 22 Uhr gearbeitet. Schon den ganzen Tag über immer wieder Alkohol und Kokain konsumierend, habe er noch fast eine ganze Flasche Whisky getrunken, bis er gegen Mitternacht in die Diskothek gegangen sei.
Weil er später noch einen Freund abholen wollte, habe er die Sicherheitsdienst-Männer an der Kasse gebeten, ihm ein Taxi zu rufen. Er sei nach draußen gegangen, habe gewartet, geraucht, sich mit anderen unterhalten. Weil das Taxi nicht kam, sei er nach etwa einer Stunde wieder hineingegangen, um nachzufragen. Der Security-Mann habe gesagt: „Du Arschloch hast nicht bitte gesagt.“
Er habe „du Penner“ entgegnet, ein Wort habe das andere gegeben. Dann sei der Security-Mitarbeiter auf ihn zugekommen und habe ihm zwei Faustschläge gegen Stirn und Auge versetzt. Er sei zu Boden gegangen. Der Security-Mann habe ihn mit beiden Händen am Hals gepackt und nach oben gezogen. „Ich war betrunken. Ich hatte Angst, wusste nicht, was ich tun sollte“, so der Angeklagte. „Ich weiß nicht, warum ich in dem Moment an das verdammte Messer gedacht habe.“
Springmesser für Haschisch immer dabei
Das Springmesser mit einer sieben, acht Zentimeter langen Klinge habe er immer bei sich, „um Haschisch zu schneiden“. Er habe es aus der Jackentasche geholt, nach oben hin zugestochen und sei sofort nach draußen gegangen, als sein Hals losgelassen worden sei. Das Messer habe er weggeworfen. „Ich habe angefangen zu heulen, mich gefragt, was hab ich da getan.“ Er sei zu seiner Familie nach Italien gefahren.
„Da stimmt nichts, gar nichts“, erklärte der Sicherheitsmann, als das Gericht ihm berichtet, wie der Angeklagte das Geschehen geschildert hat. Der 34-Jährige sei an die Kasse gekommen, habe „patzig“ gefordert, ihm ein Taxi zu bestellen, sein Patzig-sein dann aber gegenüber dem Disko-Eigentümer geleugnet. „Ich habe gesagt, er soll nicht lügen. Da war er sauer“, so der Security-Mitarbeiter.
„Ich hab ihn geschnappt und zur Tür gebracht“
Der Angeklagte sei zunächst gegangen, dann später wiedergekommen und habe ihn beleidigt. „Ich bin zu ihm hin, hab ihn geschnappt und zur Tür gebracht.“ Er hätte die Tür aufgezogen, sich mit dem Rücken gegen die geöffnete Tür gestellt - und der 34-Jährige sei nach draußen gegangen. Er habe zur anderen Seite zu seinem Kollegen und dann wieder zu dem Angeklagten geblickt.
#allarticle
„Da hatte er ein Messer in der Hand. Ich hab einen Schritt zurückgemacht, die Tür fiel zu.“ Erst dann habe er bemerkt, dass sein Shirt zerschnitten, er selbst verletzt worden war. Den Angeklagten mit der Faust geschlagen zu haben, wies der Security-Mann zunächst zurück; er räumt aber dann auf wiederholte Nachfrage des Richters ein, dass er diesem doch eine Backpfeife versetzt haben könnte.
Die Verhandlung wird fortgesetzt. Das Gericht will weitere Zeugen und zwei Gutachter hören. Der Angeklagte verabschiedet sich mit innigen Umarmungen von seiner Mutter und seiner Schwester. Schnell noch ein paar echte Küsschen; dann bringen die Justizbeamten den Mann zurück in die Justizvollzugsanstalt. (mz)