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Kunststoff-Recycling Nach Beschwerden über Gestank in Thale: Seco GmbH beendet Kunststoff-Recycling in der Wolfsburgstraße

Von Tim Fuhse 10.07.2018, 09:55
Blick auf die Stadt Thale vom Hexentanzplatz aus
Blick auf die Stadt Thale vom Hexentanzplatz aus dpa-Zentralbild

Thale - Der Mann ist erleichtert, das ist ihm anzuhören. „Je nach Windrichtung war der Gestank wirklich grässlich“, erinnert sich Helmut Jahn. Seit einigen Wochen können die Anwohner der Wolfsburgstraße in Thale, zu denen auch Jahn zählt, nun aber aufatmen.

Die üblen Gerüche vor Ort haben sich verflüchtigt - zusammen mit ihrer mutmaßlichen Quelle. Die umstrittene Seco Thale GmbH hat die Industriehalle am nahe gelegenen Pulvermetallurgischen Kompetenz-Centrum (PMC) Ende April verlassen. Seit dem 11. Mai läuft zudem ein Insolvenzantragsverfahren gegen das Unternehmen vor dem Amtsgericht Magdeburg.

Anwohner beschwerten sich mehrfach beim Kreis

Monatelang hatte es zuvor Streit um übelriechende Dünste aus Richtung des Firmengeländes gegeben. Die Seco Thale hatte dort Kunststoffe recycelt, um diese in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen. Mehrfach hatte Jahn, der in der Wolfsburgstraße ein Wohngrundstück mit Garten besitzt, sich gemeinsam mit anderen Anwohnern beim Landkreis über die Gerüche beschwert.

Vor allem die Frage, ob die Abluft die Gesundheit gefährde, wollten sie geklärt wissen. Anfang Mai sollte das Landesamt für Umweltschutz deshalb die Kunststoff-Konzentration im Abluft-Kanal des Unternehmens messen.

Dazu kam es dann nicht, denn kurz zuvor räumte die Firma das Feld. „Am Walpurgisnacht-Wochenende ist der Ingenieur mit seiner Technik verschwunden“, berichtet Jahn.

Geschäftsführer Jürgen Deinert bestätigt den Auszug

Der Mann, von dem er spricht, ist Seco-Thale-Geschäftsführer Jürgen Deinert. Dieser bestätigt den Auszug. „Wir führen den Standort Thale nicht weiter“, sagt er. Das Geschäftsmodell habe zwar grundsätzlich funktioniert, mit Nachbarn und Umweltamt habe es vor Ort aber Probleme gegeben.

Auf anstehende Investitionen, die notwendig gewesen seien, habe man deshalb verzichtet. „Die Rahmenbedingungen haben das nicht zugelassen“, so Deinert. An einem Standort, an dem man nicht erwünscht sei, überlege man sich so etwas genau.

Zunehmend habe es auch Schwierigkeiten mit erhöhten Mieten gegeben. „5,50 Euro pro Quadratmeter, das ist knackig für eine Industriehalle“, sagt der Geschäftsführer. Er sieht einen Zusammenhang mit dem Zwist um die Gerüche. „Die Nachbarn haben sehr viel Wind gemacht“, begründet Deinert. Man habe Thale nun verlassen und einen Insolvenzantrag gestellt.

„Die Nachbarn haben sehr viel Wind gemacht“, beklagt sich Deinert

Nun untersteht das Firmenvermögen einem vorläufigen Insolvenzverwalter, dem Magdeburger Rechtsanwalt Henning Bosse. Bevor das Verfahren eröffnet werden könne, müsse der Geschäftsführer fehlende Unterlagen einreichen, teilte dieser Mitte Juni auf MZ-Anfrage mit. Aktuell läuft das Insolvenzverfahren laut Amtsgericht noch nicht.

„Im Wohngebiet geht Schutz der Bevölkerung  vor“

„Der Standort war für das Unternehmen wohl von Anfang an eher schwierig“, meint der Quedlinburger Landtagsabgeordnete Andreas Steppuhn (SPD). Er hat sich intensiv mit dem Fall beschäftigt, mit einer Anfrage bei der Landesregierung im März Schwung in die Kontroverse um die Ablüfte gebracht.

„Es war lange bekannt, dass das, was dort betrieben wurde, zu Umweltbelastungen führt“, sagt er. Der Abzug der Seco Thale sei nun letztendlich eine unternehmerische Entscheidung gewesen.

Natürlich, so Steppuhn, sei es schöner, wenn Firmen in der Stadt blieben. „Im Wohngebiet geht der Schutz der Bevölkerung aber einfach vor“, sagt der SPD-Mann. Ob wirklich keine gesundheitsgefährdenden Materialien frei gesetzt wurden, habe der Geschäftsführer nicht gänzlich aufgeklärt. „Er hat sich da immer ziemlich bedeckt gehalten“, sagt Steppuhn.“

Geschäftsmann soll nun in Gardelegen arbeiten

Nun ist der Ingenieur offenbar weitergezogen. Nach MZ-Informationen aus dem Umfeld eines Recycling-Unternehmens in Gardelegen (Altmarkkreis Salzwedel)  begann Deinert dort im Mai Aktivitäten, kurz nach Eröffnung des Insolvenzantragsverfahrens gegen die Seco Thale GmbH.

Auch eine neue Recycling-Anlage soll dort seitdem eingesetzt werden. „Ich bin dort als selbstständiger Ingenieur tätig“, bestätigt Deinert. Er arbeite als Berater, sei aber nicht angestellt und auch noch für andere Unternehmen aktiv. Die Technik, die in Thale eingesetzt wurde, verwende er nicht weiter.

„Sie war nicht Eigentum der Seco Thale GmbH, sondern gehört diversen Investoren“, erläutert Deinert. Die Maschinen seien abgebaut und unter Eigentumsvorbehalt abgeholt worden.

In der Thalenser Wolfsburgstraße laufen sie jedenfalls nicht mehr - so viel ist sicher. Helmut Jahn ist darüber dieser Tages besonders froh. „Bei den hohe Temperaturen wären sicher alle Hallentore offen gewesen und es hätte sehr gestunken“, sagt er. (mz)