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Leiche in Rieder Leiche in Rieder: Frau tötet Rentner - und bleibt straffrei

Von Christoph Werner und Ingo Kugenbuch 28.10.2016, 10:00
In diesem Haus in Rieder hat die Polizei menschliche Überreste gefunden.
In diesem Haus in Rieder hat die Polizei menschliche Überreste gefunden. Chris Wohlfeld

Rieder - Das schmutziggelbe Haus in Rieder sticht aus der ansonsten gepflegten Dorfumgebung hervor: Auf dem Hof steht allerlei Müll herum, türmen sich alte Reifen, und die Fassade bröckelt. In diesem heruntergekommenen Gebäude hat die Polizei am Mittwoch im Boden vergrabene Leichenteile gefunden.

Als die Ermittlungen in Rieder begannen, da ging es noch um einen unspektakulären Betrugsverdacht: Eine 59-jährige Frau sollte erklären, warum sie seit den 1990er Jahren die Rente ihres Nachbarn Walter E. überwiesen bekam. „Der Mann war nicht auffindbar“, sagt Oberstaatsanwältin Eva Vogel der MZ, die bei der Durchsuchung des Hauses in Rieder, einer ehemaligen Molkerei, am Mittwoch dabei war.

Nachbarn getötet - doch 59-Jährige bleibt vermutlich straffrei

Offenbar war die Rentenversicherung stutzig geworden, weil der betagte Rentner nie zum Hausarzt ging. „Bei den Ermittlungen hat sich die Frau in Widersprüche verstrickt“, sagt Eva Vogel. Schließlich habe sie zugegeben, dass sie den Mann, der heute 96 Jahre alt wäre, getötet hat.

Vermutlich wird die Frau allerdings keine Strafe für das Töten des Mannes erhalten. „Nach derzeitiger rechtlicher Würdigung handelt es sich bei der Tat um einen Totschlag“, sagt Hauke Roggenbuck, der Chef der Halberstädter Staatsanwaltschaft, der MZ. „Und da wir von einer Tatzeit zwischen Mai 1994 und September 1995 auszugehen haben, wäre das Delikt damit verjährt.“ Die Frist dafür betrage 20 Jahre. Deshalb sei die Beschuldigte am Donnerstag aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden.

Mord verjährt dagegen nicht. Die Staatsanwaltschaft könne aber derzeit keine Mordmerkmale - insbesondere Habgier - nachweisen. „Wir können nicht sicher sagen, dass die Beschuldigte wegen der  Rente getötet hat“, sagt Roggenbuck. Sie habe angegeben, dass sie damals von dem Mann „bedrängt“ worden sei - und ihn dann mit einem „stumpfen Gegenstand“ erschlagen habe. „Natürlich ermitteln wir weiter - insbesondere auch wegen des Rentenbetrugs“, sagt Roggenbuck. Also vielleicht wird die Frau nicht dafür belangt, dass sie einen Menschen getötet hat, sondern weil sie dessen Rente unterschlug.

Nach Leichenfund in Rieder: Nachbarn rätseln über Motiv

Was sich vor 21 Jahren  in dem kleinen Häuschen abgespielt hat, darüber rätseln die Anwohner in Rieder auch am Tag nach dem Fund der Leichenteile. Fundierte Auskünfte über die damalige Situation oder Beschreibungen von Täter und Opfer gibt es nicht, dennoch gleichen sich die Erzählungen einiger Anwohner und Passanten im Umfeld des Anwesens, mit denen die MZ am Donnerstag gesprochen hat.

Ein Nachbar aus der unmittelbaren Umgebung des Tatorts zeigte sich auch am Tag nach dem Großaufgebot an Einsatzkräften überrascht, dass sich eine solche Tat vor  seiner Haustür ereignet haben soll. „Wenn man sich das mal durch den Kopf gehen lässt, es ist schon ein echter Wahnsinn.“  Er habe nach dem Polizeieinsatz verschiedene Gerüchte gehört. So soll die mutmaßliche Täterin  „nur hinter dem Geld des Opfers her gewesen“ sein. „Die  Rente wurde scheinbar regelmäßig ausbezahlt, die an das Opfer adressierte Post ging jedoch immer wieder zurück.“ Auf Nachfragen, so erzähle man im Ort,  habe die Frau behauptet, der Mann sei umgezogen oder nach Thailand  geflogen. Doch es sei festgestellt worden, dass beides nicht stimme – „und auf einmal stand dann am Mittwoch ein Großaufgebot vor dem Haus“. Eine Passantin, die seit vielen Jahren in Rieder wohnt, berichtet: „Das Opfer war ein älterer Mann, der sehr zurückgezogen gelebt hat und auf seinen Rollstuhl angewiesen war.“ Aus diesem Grund habe auch niemand aus der Nachbarschaft ein Bild des Getöteten vor Augen.

Warum die 59-Jährige die Rente ihres Nachbarn erhalten hat, konnte bis Redaktionsschluss nicht geklärt werden. Fest steht zumindest, dass der Mann keine lebenden Angehörigen hat.