Karate Karate: Ein Klassentreffen ganz in Weiß
QUEDLINBURG/MZ. - Der Seemann Alexander Damköhler ist in den verschneiten Harz gekommen, der Arzt Dr. Stephan Wüstenhagen sogar aus Dänemark, wo er heute arbeitet. Geraldine Buchholz, die heute in Thüringen Polizistin ist, steht ebenso strahlend in der Turnhalle der Bosse-Schule und schwatzt mit alten Freunden. Es ist wie ein Klassentreffen von Leuten, die sich lange nicht gesehen haben. Nur, dass die alten Kumpels alle barfüßig, nur in weißen Jacken und Hosen bekleidet in der Turnhalle erschienen sind. Das gemeinsame Training von Erwachsenen und Kindern wird zweimal im Jahr vom Quedlinburger Karateverein durchgeführt. Doch heute ist es der besondere Auftakt der Feierlichkeiten zum 20. Vereinsjubiläum.
"Das ist wie zu besten Zeiten", freute sich Vereinschef Jens-Uwe Dreiling über die lange Reihe bei der Begrüßung. Die besten Zeiten waren sicher die Anfangsjahre des Quedlinburger Karate. Der heute 40-Jährige ist das letzte der Gründungsmitglieder, die am 1. Oktober 1990, dem offiziellen Gründungsdatum des Vereins, mit dem regulären Training begannen. Bereits 1988 hatte Martin Neumann im Rahmen einer Ordnungsgruppe Elemente des damals noch verbotenen Karate im Rahmen der Selbstverteidigung trainiert. Erst 1989 war die Kampfkunst als Sportart zugelassen worden. Im April 1990 gab es in Quedlinburg erstmals Gelegenheit zum Karate-Training. "Da strömte wirklich alles hin", erinnerte sich Dreiling, der als Achtjähriger mit Judo begonnen hatte, aber dann im Karate seine sportliche Heimat fand.
In der Gründungszeit hatte der Verein 100 Mitglieder, Spitze waren einmal sogar 120 zahlende Mitglieder. Probleme gab es hin und wieder, weil gestandene Mitglieder ausstiegen. Doch der Verein schaffte es immer wieder, sich neu zu organisieren. Gut ausgebildete Karateka müssen meist aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung ihren Heimatort verlassen, so wie die oben genannten Sportler und andere, die heute in vielen Gegenden Deutschlands leben und die gern zum Jubiläum nach Quedlinburg kamen. Oliver Strehl war mit seinen 51 Jahren der älteste Karateka, der sich nach zehn Jahren wieder auf die Matte wagte und mit Kindern wie der kleinen Pia (7) zur Erwärmung Paarhaschen spielte, ehe es auch Kata- oder Kumite-Elemente zu sehen gab, "damit jeder wieder weiß, was Karate ist".
Jörg Plieske lobte den Sport, den sich sein neunjähriger Sohn Max Anton ausgesucht hat. "Es ist perfekt: Karate ist etwas für Körper und Geist. Es ist eine ausgezeichnete Ergänzung zu allem, was er sonst macht, wie der Musikschule."
Seit neun Jahren im Quedlinburger Verein ist die 17-jährige Svea Abel. Nachdem sie vor drei Wochen als erste Quedlinburgerin die Prüfung zum 1. Dan bestanden hatte, konnte ihr Vereinschef Jens-Uwe Dreiling den eigenen Schwarzen Gürtel im Shotokan-Karate übergeben, auf dem ihr Name in japanischen Schriftzeichen zu lesen ist.
"Es ist lustig, ein paar haben wir wirklich ewig nicht mehr gesehen", freute sich Daniela Dreiling, die Pressesprecherin des Vereins darüber, dass der "harte Kern" der Ehemaligen zur Feier kam. Manche seien aber leider tatsächlich "verschollen". Dass ausgerechnet ihre Tochter Lilly (8) zur "Karateka des Jahres" gewählt wurde, machte sie besonders stolz. Eigentlich sollte Lilly nicht schon mit sechs Jahren anfangen, doch da Mutter und Vater sie sowieso oft mitgenommen hatten, wollte sie Karate auch lernen. Seit zwei Jahren sei Pauline mit Eifer dabei und feierte schon erste Erfolge. Da setzen sich wohl die Gene durch.
Durchhaltevermögen, Ausdauer und Willenskraft werden mit dem Karate-Training weiterentwickelt. Die zu übenden Techniken und Bewegungsabläufe erfordern zusätzlich ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration. In der Summe sind das alles Eigenschaften, die auch im Leben eine wichtige Rolle spielen. Es werden überwiegend Fußtritte, Faust-, Handkanten-, Finger-, Unterarm- und Ellenbogentechniken trainiert. Karate Do ist jedoch eine friedliche Kampfkunst, die ausschließlich der Selbstverteidigung dient und zu einer Vervollkommnung des Charakters führt. Um die Katas, das sind die Bewegungsabläufe, zu üben, müssen die Karatekas konzentriert bei der Sache sein, die Kraft steht nicht im Vordergrund. Schließlich soll beim Üben niemand verletzt werden. Man lernt, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten.
Höhepunkte im Vereinsleben sind immer wieder Lehrgänge mit Meistern. Neben dem Training verweist Jens-Uwe Dreiling auf Freizeitaktivitäten, zu denen nicht nur eine zünftige Weihnachtsfeier, sondern auch Baden, Zelten oder Vereinsfahrten gehören, bei denen Karate Nebensache ist.
Nachwuchs ist in dem heute 50 Mitglieder zählenden Verein Karate Do Quedlinburg, die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche, immer willkommen. Das Training der Kinder, das von Jörg König, Reinhard Dotzauer, Detlef Becker und Jens-Uwe Dreiling geleitet wird, findet montags von 17 bis 18.45 Uhr in der Turnhalle der Bosse-Schule in der Schulstraße sowie freitags zur gleichen Zeit in der Turnhalle des Gymnasiums im August-Bebel-Ring statt. Die Erwachsenen trainieren überlappend jeweils von 18.15 bis 20 Uhr in den gleichen Hallen.