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Medizinische Versorgung Hausarzt-Praxen in Thale und Friedrichsbrunn: Klaus-Hermann Schmidt und Reuiss Agaiby versorgen Patienten

Von Rita Kunze 27.03.2018, 08:20
Mediziner Klaus-Hermann Schmidt (l.) mit seinem Kollegen Reuiss Agaiby im Gespräch mit einem Patienten.
Mediziner Klaus-Hermann Schmidt (l.) mit seinem Kollegen Reuiss Agaiby im Gespräch mit einem Patienten. F. Drechsler

Friedrichsbrunn - Im Sprechzimmer von Reuiss Agaiby hängt ein großes Foto von den Pyramiden. Mitten in den Harzer Wäldern soll es den jungen Arzt an seine Heimat erinnern. „Es ist schön, ich fühle mich hier wohl“, sagt der 31-Jährige, der aus Ägypten kommt, dort Medizin studiert hat und vor vier Jahren für seine Facharzt-Ausbildung nach Deutschland kam.

Die Prüfung ist im Juni und der angehende Allgemeinmediziner optimistisch: „Ich freue mich, dass mein Chef ein ganz erfahrener Arzt ist.“

Assistenzarzt in der Facharzt-Ausbildung

Agaiby ist Assistenzarzt in der Facharzt-Ausbildung bei Klaus-Hermann Schmidt. Der Internist ist ein umtriebiger Mensch: Bis 2009 hat er als interdisziplinärer Notaufnahmearzt in der Notaufnahme Quedlinburg gearbeitet, war leitender Oberarzt, Notarzt, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes für den Altkreis Quedlinburg und Hausarzt im Medizinischen Versorgungszentrum Quedlinburg, fünf Jahre lang auch dessen ärztlicher Direktor.

Im vergangenen Sommer eröffnete er eine eigene Hausarztpraxis in Thale und Friedrichsbrunn. Jetzt versorgt er die Patienten mit seinem jungen Kollegen. „Als Hausarzt ist man meist Einzelkämpfer. Wir wollen das kollegial zusammen machen.“ Ziel ist es allerdings, dass Agaiby sich später allein um die Patienten in Friedrichsbrunn kümmert.

„Landarztpraxis“ steht in großen schwarzen Buchstaben auf einem Schild über der Eingangstür an der Hauptstraße 32b. Den Namen hat Schmidt bewusst so gewählt. Als Signal, wie er sagt, denn sie ist völlig neu entstanden, nachdem ein Kollege krankheitsbedingt vorzeitig aufgehört hat. „Vier Tage lang habe ich überlegt, was für Möglichkeiten es gibt“, erinnert sich der Arzt.

Er hätte den Kopf in den Sand stecken und die Praxis schließen können. Aber er habe sich entschlossen, das Ganze groß aufzuziehen. Damit wolle er jungen Kollegen die Botschaft vermitteln: „Es ist super, Landarzt zu sein. Ich will ein positives Signal rüberbringen, wie viel Spaß das machen kann.“

Zum Einzugsgebiet gehören neben Friedrichsbrunn auch Allrode und Güntersberge. Die Patientenzahl sei riesig; im Quartal gebe es „irrwitzig viele Hausbesuche“, „da haben wir gefühlt jeden mal gesehen“, sagt Schmidt.

Und das sind viele: 900 Patienten seien es im Bundesdurchschnitt, mehr als 1 100 durchschnittlich in Sachsen-Anhalt. Wie viele Patienten er im Quartal behandelt, sagt Schmidt nicht. Nur so viel: „Ich bin von 7 bis 21 Uhr im Einsatz.“ Trotzdem hat er den Spaß an seiner Arbeit nicht verloren, sagt der Mediziner.

Internet-Verbindung zum Klinikum Quedlinburg

In seinem Sprechzimmer hat er eine Internet-Verbindung zum Klinikum eingerichtet. Auf einem Monitor, der an der Wand hängt, kann er so seinen Patienten beispielsweise Röntgenbilder zeigen. Er habe gelernt, was möglich ist in der Medizin, „aber ob das Machbare auch das Vernünftige ist, darüber muss ich als Hausarzt die Patienten beraten“.

Hausarzt zu sein bedeute mehr, als Überweisungen zu schreiben. Das will Klaus-Hermann Schmidt auch jungen Medizinern zeigen. „Wir müssen viel mehr den Spaß an der Sache vermitteln“, betont er. Am Anfang seines Berufslebens habe er sich gesagt, alle zehn Jahre etwas anderes zu machen. Jetzt wolle er nur noch Hausarzt sein.

In der Notaufnahme lernten sich Schmidt und Agaiby kennen

Dabei hat ihm doch gerade ein Einsatz als Notarzt eine glückliche Fügung beschert: In der Notaufnahme lernte er Reuiss Agaiby kennen, der dort einen Teil seiner Ausbildung absolviert hat. Schmidt fragte ihn, ob er Hausarzt werden wolle. Agaiby sagte schließlich zu.

„Wir müssen uns selbst kümmern, die Politik tut es nicht“, so die Erfahrung des Hausarztes, der seinen Berufsstand zugleich in der Pflicht sieht, Nachwuchs auszubilden: „Die Situation wird nicht besser.“ Kümmern bedeutet für Schmidt dabei mehr als die Neubesetzung von Stellen. Um den jungen Kollegen aufs Land zu holen, hat er sich um einen Kita-Platz für dessen Kind und einen Job für Agaibys Frau bemüht.

Er sähe es gern, wenn sie in Thale Arbeit finden könnte; die Biochemikerin arbeitet in einem Labor für Trinkwasser-Analysen in Halberstadt. Dass Reuiss Agaiby in Thale und Friedrichsbrunn im Einsatz ist, macht das Familienleben in Halberstadt nicht einfacher. Das Paar sieht es pragmatisch: „Wir sind jung, da ist es eben nicht leicht. Aber wir unterstützen uns gegenseitig.“

Handwerker aus Ort halfen bei Praxis-Einrichtung

Hilfe hat auch Schmidt bekommen, und die weiß er zu schätzen: Ohne sein Schwestern-Team „hätte ich möglicherweise den Schritt in die Selbstständigkeit und in Friedrichsbrunn nicht getan“, sagt er. „Sie haben mir den Rücken freigehalten.“

Dankbar ist Schmidt auch dafür, dass Handwerker aus dem Ort bei der Einrichtung der Praxis mitgeholfen haben. Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) ist froh, dass Schmidt die Praxis eröffnet hat. „Er ist ein sehr engagierter Arzt, der für seine Aufgabe brennt.“

In der Diskussion darüber, dass der ländliche Raum aussterbe, müsse man einen Kontrapunkt setzen. „Das ist ein wichtiges Signal, das hier ausgesendet wird.“ Vor allem für ältere Menschen sei die mangelnde ärztliche Versorgung auf dem Land ein Argument, in die Stadt zu ziehen. In Friedrichsbrunn sei dieses Argument nun entkräftet. „Ich bin froh, dass wir die Praxis hier oben gerettet haben“, sagt Schmidt. (mz)