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Ernteausfall im Harz Ernteausfall im Harz: So trocken wie zuletzt 1963

Von Rita Kunze und Kjell Sonnemann 07.07.2018, 07:59
Ernteverluste in der Region sind unausweichlich. Vielerorts wird schon gedroschen - Noternte.
Ernteverluste in der Region sind unausweichlich. Vielerorts wird schon gedroschen - Noternte. FRank Gehrmann

Quedlinburg - Der zurückliegende Sommer war ungewöhnlich regnerisch. In diesem Jahr leiden Landwirte und Hobbygärtner, Tiere und Pflanzen hingegen an einer Dürre.

Tatsächlich sei der lange Zeitraum ohne nennenswerten Niederschlag - bereits seit Februar - „sehr ungewöhnlich“, teilt Marc Kinkeldey von der Wetterwarte Brocken mit.

In den 182 Jahren der Wetteraufzeichnung „gab es natürlich immer wieder Monate, oder auch mal zwei oder drei, wo es recht trocken war. Dafür war dann allerdings der Monat davor beziehungsweise dahinter wieder feuchter.“

Ernteausfall im Harz: Landwirte trifft es hart

Am härtestens trifft es die Landwirte. „Ein Problem haben speziell Milchviehhalter“, sagt Wilfried Feuerstack, Vorstandsvorsitzender des Bauernverbands Nordharz.

„Wenn das Gras auf der Weide und auch etwa der Futtermais nicht wachsen, kann kein Futter für den Winter eingelagert werden.“

Im schlimmsten Fall müsse der Bestand reduziert, also Tiere geschlachtet werden.

„Die Trockenheit ist so groß, dass es teilweise Felder ohne Ertrag gibt“, berichtet er. Selbst dann werde das ertraglose Getreide in den allermeisten Fällen geerntet - als Futter für die Tiere.

Ernteausfall im Harz: Getreide wird seit einigen Tagen geerntet

Das Getreide wird seit Tagen geerntet. „Es ist 14 Tage bis drei Wochen früher reif als normalerweise“, erläutert Feuerstack.

Weil die Pflanzen kein Wasser haben, um Zucker in ihre Ähren umzulagern, setzen sie einen Notreife-Prozess in Gang - mit kleineren Ähren.

„Bei uns im Betrieb haben wir bei Winterweizen eine Einbuße von 20 Prozent.“ Den Landwirten der Region gehe es vergleichsweise gut: Anderswo liege der Ausfall bei 50 Prozent.

Ernteausfall im Harz: Biobauern leiden nicht so

„Die Biobauern leiden gebietsabhängig“, sagt Tilman Dreysse, Ökoberater für den Naturland-Verband. Die Verluste seien aber geringer als bei den konventionell arbeitenden Landwirten, weil auch das Ertragsniveau generell geringer sei.

„Liegt der Ertragsverlust in der konventionellen Landwirtschaft bei 50 Prozent, sind es bei den Biobauern 30 Prozent“, sagt Dreysse.

Zugleich gibt es bei Bioware höhere Erzeugerpreise: „In der konventionellen Landwirtschaft gelten Weltmarktpreise - die Trockenheit in einem relativ kleinen Gebiet wie Deutschland ändert da nichts. Das ist ein Riesenproblem für die Landwirte, die ohnehin mit niedrigen Preisen zu kämpfen haben.“

Da Bioware einen Regionalanspruch habe, seien auch die Marktmechanismen andere.

Ernteausfall im Harz: Getreide nur als Tierfutter verkaufen

Auch der Umstand, dass Landwirte gezwungen sind, ursprünglich für die Lebensmittelproduktion angebautes Getreide nun als Tierfutter zu verkaufen, lässt sich laut Dreysse bei Bio-Landwirtschaft besser verkraften.

Weil mehr Landwirte ihre Betriebe auf Bioproduktion umstellen würden, gebe es derzeit auch eine hohe Nachfrage nach dem entsprechenden Futter.

Ernteausfall im Harz: Dafür Glück beim Trinkwasser

Geografisches Glück hat der Ostharz bei der Trinkwasserversorgung.

Von „keinem Problem“ spricht Andreas Bongort vom Zweckverband Wasserversorgung: „Das eigene Reservoir in Quedlinburg macht uns keine Bedenken, und die Talsperren sind zu 90 Prozent gefüllt.“

Die Menge an Grundwasser, die zum Trinken gefördert wird, sei „schwindend gering“, bemerkt er und beruhigt: „Die Grundwasser-Erneuerungsrate ist höher als die Entnahme“.

Ernteausfall im Harz: Talsperre versorgt die Bode

„Unser Vorteil sind die Speichersysteme“, bestätigt Burkhard Henning vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in Magdeburg.

Nicht nur in puncto Trinkwasser: Würde die Talsperre nicht eine gewisse Menge Wasser ablassen, wäre der Wasserspiegel des Flusses Bode noch niedriger.

Aktuell fließen laut des Experten 1,4 Kubikmeter pro Minute, 0,3 wären es ohne das Bauwerk.

Aber: Das aktuelle Wetter trocknet kleine Gewässer aus, die keine oder kaum Zuflüsse haben, warnt Henning. „Das ist für die Natur schwierig“.

Ernteausfall im Harz: Natur lebt damit

„Die Natur lebt damit“, weiß Friedhart Knolle von der Nationalparkverwaltung Harz in Wernigerode.

„Mit dem extremen Wetter kann die Tier- und Pflanzenwelt umgehen.“ Es gebe Tierpopulationen, die sich nach einem harten Winter halbiert, dann aber wieder erholt hätten. Nur der Klimawandel an sich mache der Natur zu schaffen.

Im Nationalpark sei die Trockenheit „extrem“, habe ihm sein Fachbereich Wald gestern gemeldet. In einigen Regionen gelte die höchste Waldbrand-Gefahrenstufe (siehe gesonderter Text).

Auffällig trocken wie in diesen Monaten war es laut Wetterwarten-Stationsleiter Kinkeldey in den Jahren 1953, 1957, 1960 und 1963.

„1953 war überhaupt das trockenste Jahr seit 1836 mit nur 948 Liter bei einem eigentlichen Jahressoll von mehr als 1.800 Litern.“ Aber auch 2003 gab es monatelang kaum Regen. (mz)