Beisetzung auf Westerhäuser Friedhof in Thale Beisetzung auf Westerhäuser Friedhof in Thale: Ein Toter erhält Namen zurück

Westerhausen - Im April 1945 starb der Mann. Im April 2015 wurden die sterblichen Überreste des bis dahin unbekannten Toten unterhalb des Königssteines in Westerhausen geborgen. Jetzt, am 15. April 2016, fand er seine würdevolle letzte Ruhestätte auf dem Westerhäuser Friedhof. Während der Trauerfeier erhielt der Tote seinen Namen zurück.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt jetzt der Ukrainer Peter Bondarenko in dem Grab im Harz. „Auf dem künftigen Grabstein könnte auch stehen, dass er am 29. Juli 1904 geboren wurde, Landarbeiter und vermutlich mit Antonida verheiratet gewesen war und während des Zweiten Weltkrieges am 17. Juli 1942 als sowjetischer Soldat in deutsche Gefangenschaft geraten ist“, machte Stefan Nowack die neuesten Erkenntnisse über den bis vor kurzem noch namenlosen Toten publik.
Improvisiertes Grab für Häftling
Nowack ist Geschäftsführer des Vereins zur Bergung Gefallener in Osteuropa (VBGO e.V.). Ein Grabungsteam des Vereins hatte im April vergangenen Jahres die sterblichen Überreste des Toten geborgen. Möglich geworden war diese Aktion aber erst durch das Engagement interessierter Bürger und der Interessengemeinschaft Todesmarsch. Sie recherchierten, dass kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges auch etwa 3.000 Häftlinge des Konzentrationslagers Langenstein-Zwieberge Anfang April 1945 nach Osten getrieben wurden. Der Todesmarsch führte auch über Westerhausen, das nur etwa fünf Kilometer vom Lager Langenstein entfernt liegt.
Der 1992 gegründete Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa verfolgt mit seiner Arbeit einen rein humanistischen Ansatz. Es geht nicht um Nationalitäten, um Gut oder Böse, sondern um menschliche Schicksale. „Wir suchen Söhne, Väter und Brüder und wollen diesen zerstörten Leben wenigstens ein würdiges Begräbnis verschaffen“, so Albrecht Laue, der Vorsitzende des europaweit tätigen Vereins. Die Stadt Thale hat einen guten Kontakt zum Verein und arbeitete in vielen Fällen mit ihm zusammen, um Kriegstoten die letzte Ehre zu erweisen. So wurden beispielsweise 2014 im Ortsteil Treseburg zum Ende des Zweiten Weltkrieges ums Leben gekommene junge Menschen würdevoll auf dem Gemeindefriedhof bestattet. Weitere im Waldgebiet von Allrode gefundene sterbliche Überreste von Kriegstoten wurden im vergangenen Jahr geborgen. Eine Beisetzung erfolgt am Sonnabend in Allrode.
In Westerhausen blieb einer der Häftlinge, stark geschwächt, vielleicht auch verwundet, in der Nähe des Schützenhauses zurück. Die damaligen Bewohner des Hauses versorgten ihn, konnten aber seinen Tod wohl nicht mehr verhindern. Das improvisierte Grab sei im Laufe der folgenden Jahrzehnte überwuchert worden und schließlich nicht mehr aufzufinden gewesen. Die Interessengemeinschaft Todesmarsch schaffte es jedoch mit Hilfe des Vereins zur Bergung Gefallener in Osteuropa, das Grab zu entdecken und den Toten zu bergen.
Chance auf Verwandte besteht
Mit ihm kamen zahlreiche Fundstücke ans Licht, die in den zurückliegenden Monaten gründlich untersucht wurden. Ein Bleistiftstummel, ein provisorisches Feuerzeug, Marienanhänger, Papierfetzen aus einer Brieftasche und eine Kriegsgefangenenerkennungsmarke. Diese war es auch, die die entscheidenden Hinweise auf die Identität des Toten vom Westerhäuser Königsstein gab. „Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten hatte Material, mit dem die Informationen auf der Marke entschlüsselt werden konnten. Das haben wir erst vor wenigen Tagen erfahren“, klärte Nowack die Trauergäste auf.
Um ganz sicher zu sein, dass die neuen Hinweise zutreffend sind, muss jetzt noch die Deutsche Dienststelle (WAST) eine Übereinstimmung bestätigen. Dann werden die zuständigen russischen Stellen benachrichtigt. Vielleicht, so Nowack, würden noch Verwandte des Mannes gefunden werden, die dann endlich Gewissheit über das Schicksal von Peter Bondarenko hätten. „Es ist sehr selten, dass wir heraus finden, welchen Kriegstoten wir geborgen haben“, macht er das Besondere der Westerhäuser Erkenntnisse klar.
Der ehemalige KZ-Häftling, der so kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges ums Leben kam, wurde würdevoll bestattet. Sein Grab befindet sich auf der Kriegsgräberstätte des Gemeindefriedhofs. Um die Pflege wird sich, so lange sie noch kann, die 84-jährige Ada Gleiniger kümmern.
Die Grabstelle ihrer Eltern ist in unmittelbarer Nachbarschaft und für sie macht es keinen Unterschied, ob es Westerhäuser oder Nichteinheimische sind, die hier auf dem Friedhof begraben liegen. „Mein Schwiegervater ist im Krieg in Russland gefallen, Verwandte wurden in Mecklenburg von russischen Soldaten erschossen“, erzählt sie von den Schrecken ihrer Jugend. Von der Pflege des Grabes des hier beigesetzten russischen Mannes halte sie dies nicht ab. (mz)