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Ausgewandert Ausgewandert: Michael (30) lebt und arbeitet in Kuala Lumpur als Video-Journalist

Von Kristina Hammermann 16.05.2020, 13:00

Ermsleben/Kuala Lumpur - „Ich hasse Kälte und hier scheint fast jeden Tag bei 31 Grad die Sonne“, erzählt der gebürtige Ermslebener Michael Linde von seiner Wahlheimat Malaysia. „Ich liebe dieses ganzjährige Sommer-Feeling, dadurch hat man gleich viel bessere Laune“, schwärmt der 30-Jährige.

In Kuala Lumpur arbeitet er als Video-Journalist bei einer deutschen Produktionsfirma, die einen Großteil ihrer Reportagen für das Fernsehformat Galileo filmt. Für seine Arbeit hat er schon viele Länder Ostasiens bereist.

Er liebe die Mentalität und auch die Menschen, die trotz unterschiedlicher Herkunft, in Kuala Lumpur größtenteils friedlich miteinander leben und Fremden gegenüber sehr offenherzig sind. „Jedes Land hat natürlich seine Probleme“, erzählt er, aber dort fühle er sich Zuhause. In Deutschland sei er eher eine „kleine Miesmuschel“ gewesen. Hier sei das anders. Zum zweiten Mal wohnt er nun in Kuala Lumpur.

Was Zuhause für ihn bedeutet, hat Michael über die Jahre herausgefunden

Über die Jahre hinweg habe er für sich herausgefunden, was Zuhause bedeutet. Bis dahin war es ein weiter Weg:

Sein erstes Zuhause ist Ermsleben. Dort ist er aufgewachsen und in Aschersleben aufs Gymnasium Ascaneum gegangen. 2007 brach er nach der 11. Klasse die Schule ab und machte daraufhin in Ermsleben eine vierjährige Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme. Dabei wurde ihm seine Leidenschaft für Foto- und Videografie bewusst. Sein Ziel: Journalistik mit Fokus auf Foto und Film studieren.

Dafür holte er in Halle sein Fach-Abi nach. Das war das erste Mal, dass er von Zuhause ausgezogen sei. Während er in Halle seine Fachhochschulreife nachholte, änderte sich auch seine Einstellung zum Lernen: „Früher war ich faul, doch dann habe ich mich hingesetzt und viel gelernt.“

Ein Pflichtpraktikum im Ausland veränderte Michaels Leben nachhaltig

Mit einem sehr guten Abschluss bewarb er sich dann an seiner Wunsch-Fachhochschule Magdeburg-Stendal, wurde direkt angenommen und zog nach Magdeburg. Das für ihn Besondere an diesem Studiengang: Drei Monate Pflichtpraktikum im Ausland. Nach zwei Jahren Theorie ging es für ihn 2014 das erste Mal raus aus Deutschland – nach Malaysia. Dort arbeitete er für ein deutschsprachiges Magazin. Das war seine erste große journalistische Praxiserfahrung und seine erste Reise ins Ausland – die ihn stark prägte.

Als er zurück in Magdeburg war, hatte ihn das Fernweh gepackt. So bewarb er sich 2015 erneut auf zwei Auslandspraktika. Im August ging es zuerst nach Kanada, um dort für eine deutschsprachige, mennonitische Zeitung zu arbeiten. „Auch wenn ich selbst nicht religiös bin, war es ein cooles Angebot“, erzählt er rückblickend. Für den Job fuhr er mit dem Auto von der Ost- zur Westküste Kanadas, hier und da machte er einen Abstecher in die USA.

Michael: „Meine Eltern sind damals ein bisschen ausgerastet“

„Meine Eltern sind damals ein bisschen ausgerastet“, erzählt Michael Linde, „weil ich in den 90 Tagen meines Road-Trips bei 34 mir fremden Familien, meist auf der Couch, geschlafen habe.“ Er berichtete für die Zeitung über das Leben seiner Gastgeber, die beispielsweise Förster, Wein- oder Gemüsebauer waren. Michael Linde wurde stets willkommen geheißen, die Sorgen seiner Eltern bestätigten sich nicht.

Von da aus flog er weiter zu seinem nächsten Praktikum nach Vietnam. Dort arbeitete er für weitere drei Monate für „Die Stimme Vietnams“, ein deutschsprachiges Radio in Hanoi. „Das hören auch Leute in Sachsen-Anhalt. Wir hatten damals viele Leserbriefe aus Mitteldeutschland erhalten“, so Michael Linde.

Als er 2016 wieder zurück in Deutschland war, beendete Michael Linde sein Studium. Inspiriert durch seinen Auslandsaufenthalt schrieb er seine Bachelorarbeit über Journalisten während des Vietnam-Krieges. „Und danach fiel ich in ein tiefes Loch“, so der 30-Jährige. Trotz Jobangebot „wollte ich wieder raus in die weite Welt.“

Auf YouTube dokumentierte er seine Reise mit allen Höhen und Tiefen

Ein Kumpel empfahl ihm, er solle nach China gehen. Das tat Michael Linde im Februar 2017 auch, aber nicht als Journalist, sondern als Deutsch- und Englisch-Lehrer, „obwohl ich darin gar keine Erfahrung hatte“, wie er zugibt. Um seine Reise - Erlebnisse, Höhen und Tiefen - zu dokumentieren, starte er auf YouTube einen Vlog (Video-Tagebuch). So konnte er seine Fähigkeiten im Videodrehen und -schneiden verbessern, aber auch Freunde und Familie zumindest digital an seinem Leben in China teilhaben lassen.

„Diese Zeit war unglaublich. Es ist eine völlig andere Kultur. Die ersten drei Monate hatte ich es gehasst“, erzählt der 30-Jährige, lacht und fügt an, „danach habe ich mich aber in das Land verliebt.“ Weil eines seiner Videos „die sonst kaum Klicks hatten“ in der Zeit viral ging, kam er beruflich wieder zurück zur Foto- und Videografie.

Unter anderem machte er Fotos für das internationale Buchungsportal booking.com und arbeitete als Festangestellter für eine touristische Werbeagentur für die Stadt Hangzhou, in der er bis Oktober 2018 lebte. Die Firma hatte ihren Sitz in Malaysia, wo sie Michael Linde schließlich zum Arbeiten hinschickten. Dort angekommen, „ging die Firma nach einem Monat pleite“, erzählt der Auswanderer, „da hatte ich zwei, drei Monate erstmal richtig zu kämpfen.“

Eine Mischung aus Glück und „Abrackern“

Zurück nach Deutschland wollte er nicht, weil er sich in Asien wohl fühlte, ein neues Leben aufgebaut und auch viel darin investiert hatte. Durch eine Mischung aus Glück und „Abrackern“, wie Michael Linde sagt, kam er vor etwa anderthalb Jahren zu der deutschen Produktionsfirma, für die er heute noch als festangestellter Journalist arbeitet.

Seitdem ist er in Südostasien noch viel mehr unterwegs. Vor der Corona-Krise war er fast jeden Monat für ein paar Tage in einem anderen Land, um dort Dokumentationen und Reportagen zu filmen. Die meiste Zeit ist er jedoch in Kuala Lumpur – seinem neuen Zuhause, von dem er „einfach fasziniert“ ist.

„Ich habe auch vor, noch eine Weile zu bleiben“, erzählt Michael Linde. „Ich habe mir hier sogar ein Auto gekauft“, und das solle was heißen. Zukunftspläne habe er auch: Er würde gern vor Ort eine eigene Firma für Werbevideos und -fotos gründen. „Ich liebe großartige, filmreife Aufnahmen und Drohnenflüge“, so der 30-Jährige.

Ermsleben werde immer sein „richtiges Zuhause“ bleiben. Aber jetzt ist es auch Kuala Lumpur. Michael Linde habe in den letzten Jahren gelernt, dass man auch mehrere Orte als sein Zuhause bezeichnen könne. Letztendlich sei es „viel mehr ein Gefühl, dass auch von den Menschen abhängt, die um einen herum sind und einem dieses Gefühl vermitteln.“

(mz)