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Schrottplatz statt Stausee Schrottplatz in Bitterfeld statt Stausee: Die letzte Station für das Motorschiff "Muldeperle"

Von Michael Maul 11.04.2017, 11:38
Ein Bild aus besseren Tagen: ein Kahn der fröhlichen Leute. Die letzte Station des kleinen stolzen Fahrgastschiffes ist nun der Schrottplatz. Nur der Bug war inmitten des Abfallhaufens noch zu sehen.
Ein Bild aus besseren Tagen: ein Kahn der fröhlichen Leute. Die letzte Station des kleinen stolzen Fahrgastschiffes ist nun der Schrottplatz. Nur der Bug war inmitten des Abfallhaufens noch zu sehen. Archiv/Reinke, Kehrer

Bitterfeld - Jahrelang war es das Aushängeschild des Muldestausees: das kleine Motorschiff „Muldeperle“. Seit 1984 schipperte es mit Ausflüglern über die Wellen. Doch schwimmen wird das Fahrgastschiff nie wieder. Alle Rettungsversuche sind gescheitert.

Wehmut kommt auf, wenn man das Schiff auf seiner letzten Ruhestätte liegen sieht. Wobei - ein Schiff ist die „Muldeperle“ schon nicht mehr; sie ist in Einzelteile zerlegt. Lediglich ihr Bug ragt aus dem großen Schrottberg bei der Bitterfelder Mitteldeutschen Rohstoff-Recycling-Firma noch heraus und erinnert an viele schöne Stunden, die die Menschen bei Rundfahrten auf dem Muldestausee erlebt haben. Schrottplatz statt Stausee - das ist das traurige Ende der „Muldeperle“.

2009 sank die „Muldeperle“ aufgrund eines Sturmschadens

Doch was hat zu dem überraschenden Aus des schwimmenden Kleinods geführt? Das 1928 gebaute Schiff war nach seiner Fertigstellung auf dem See der Talsperre Pöhl als Lastschiff unterwegs. Erst 1984 wurde es auf den Stausee bei Pouch umgesetzt. Nach einem Eigentümerwechsel nach der Wende übernahmen die Vetter GmbH und das Heidecamp Schlaitz als Gesellschaft die „Muldeperle“ und nutzten sie als Fahrgastschiff.

Das Hochwasser 2002 bereitete dem erstmals ein Ende. Denn die Fluten zerstörten die Steganlage. Erst zwei Jahre später konnte die „Muldeperle“ wieder in See stechen. Das erneute Aus kam 2009: Ein starker Sturm und hoher Wellengang zerstörten eine hintere Scheibe das Fahrgastraumes.

Wasser drang ein. Das Schiff lief voll und sank. Feuerwehren und Technisches Hilfswerk wandten viel Mühe und Zeit auf, um das Wasser zu entfernen und machten das Schiff tatsächlich wieder schwimmfähig. Genutzt hat es wenig: Die Schäden waren so groß, dass sich die Besitzer für ein „Trockenlegen“ entschieden.

Man schrieb das Jahr 2010, als zwei riesige Kräne das Schiff auf einen Tieflader verluden. Damit war das Ende der Schifffahrt auf dem Muldestausee besiegelt. Doch die Hoffnung blieb, dass eine neue Nutzung gefunden wird. Vergebens.

„Das Schiff entspricht in keinster Weise mehr den Sicherheitsvorschriften“

„Es ist traurig, das die ,Muldeperle’ nicht mehr zu retten ist“, sagt Heidecamp-Juniorchef Michael Berger, der mit seinem Vater Walter acht Jahre lang gemeinsam mit der Vetter GmbH das kleine Schiff betrieben und um seinen Erhalt gekämpft hat.

Dabei würden selbst heute noch Gäste fragen, wann denn das Schiff wieder in See steche. Man habe das Kapitel abgehakt. „Ist ja nicht mehr zu ändern“, sagt Berger, der viele schöne Erinnerungen an die „Muldeperle“ hat.

Birgit Vetter, Geschäftsführerin der Vetter Touristik, sagt, zum jetzt beschrittenen Weg auf den Schrottplatz habe es keine Alternativen gegeben. „Die ,Muldeperle’ hat nach der Havarie 2009 viele Jahre auf unserem Betriebshof in Bitterfeld auf dem Trockenen gelegen.“ Doch es habe sich keine weitere Verwendung ergeben. Ein einziger potenzieller Käufer habe sich gemeldet, dann aber auch wieder abgesagt.

Auch als Touristikunternehmen fand Vetter für das 1928 gebaute Schiff kein Konzept. „Das Schiff entspricht in keinster Weise mehr den Sicherheitsvorschriften. Und auch den Ansprüchen der Gäste wird es nicht mehr gerecht“, sagt Vetter. Für Umbau und Sanierung hätte man so viel Geld ausgeben müssen, dass dies in keinem Verhältnis zum Ergebnis gestanden hätte. Darum habe man das Schiff zur Verschrottung freigegeben.

Keine Kapazitäten für ein zweites Motorschiff auf dem Goitzschesee

Birgit Vetter, die mit ihrer Gesellschaft das Motorschiff „Vineta“ auf dem Goitzschesee betreibt, sieht zudem keine Kapazitäten für ein zweites Schiff. Man sei froh, wenn die „Vineta“ ausgelastet sei und könne sich ein weiteres nicht leisten. Auch kein anderer Interessent habe sich mit Ideen für die „Muldeperle“ an sie gewandt.

Dabei hatte 2016 Jörg Pietsch, Chef der Wassersportfirma „2water“ an der Goitzsche, gemeinsam mit seinem Geschäftspartner René Bär angekündigt, eine Rettungsaktion für die „Muldeperle“ starten zu wollen. „Wir haben die Idee entwickelt, vielleicht einen Förderverein zu gründen, der für das Schiff eine neue Nutzung auf die Beine hätte stellen könnte“, hatte Fotograf René Bär damals zur MZ gesagt. Doch das habe sich letztendlich auch wegen der Kosten zerschlagen, erklärt nun Pietsch. „Es waren noch viele andere Gründe, die uns veranlasst haben, das Projekt im der Schublade zu lassen.“

Die Taufe der „Muldeperle“ verlief nicht ganz Problemlos

Die Nachricht von der Verschrottung ist auch für Pietsch und Bär nun ein Schlussstrich. Dabei erinnert sich Bär an die Schiffstaufe, als wäre sie gestern gewesen: „Viele Leute waren da. Die Bergmannskapelle hat gespielt. Dann sollte die Sektflasche an die Schiffswand geworfen werden. Aber die ging einfach nicht kaputt. Offenbar hatte die Taufpatin ein zu zartes Händchen. Sie musste erneut werfen. Da hat der Kapitän ziemlich grimmig geguckt“, erinnert er sich.

Wie viele Kilometer die „Muldeperle“ auf dem Stausee letztlich wohl unterm Kiel hatte? Man weiß es nicht. Eins aber ist gewiss: Sie war ein beliebtes Ausflugsschiff. „Touristen, Betriebsbrigaden, Sportvereine - alle haben sie genutzt“, sagt Bär. „Und zwar gerne.“ (mz)

Ein schwerer Sturm hat das Schiff 2009 leck geschlagen.
Ein schwerer Sturm hat das Schiff 2009 leck geschlagen.
Michael Maul