1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Anhalt-Bitterfeld
  6. >
  7. Fußball: Fußball: Trainer-Hut hängt nun am Nagel

Fußball Fußball: Trainer-Hut hängt nun am Nagel

Von SILKE UNGEFROREN 27.12.2010, 18:13

HOLZWEISSIG/MZ. - Die Nacht zuvor konnte er wieder nicht richtig schlafen - wie immer, wenn etwas Besonderes im Fußball anstand. Dabei war es doch diesmal gar kein Spiel, das es zu bestreiten galt, sondern nur die Weihnachtsfeier seiner Bambinis. Doch das ist bei Walter Schliephake egal. Wenn er etwas macht, dann will er es richtig machen. "Und da bin ich dann genauso aufgeregt wie vor 50 Jahren", sagt er.

Dennoch war das diesmal doppelt berechtigt, schließlich war es die letzte offizielle Veranstaltung des agilen Rentners in seinem aktiven Fußballerdasein. Walter Schliephake hat nun endgültig Ernst gemacht: Mit dem Jahresende 2010 hängt er auch seinen Trainer-Hut an den Nagel. Für den Holzweißiger Sportverein (HSV) war das Anlass, sein Engagement und seine Einsatzbereitschaft zu würdigen.

Genutzt wurde dafür besagte Weihnachtsfeier, die der Trainer noch selbst und mit Unterstützung der Eltern und vieler weiterer fleißiger Helfer vorbereitet hat. Zu Beginn schrillt noch einmal seine unüberhörbare Pfeife durch die Turnhalle, wo immer mittwochs die jüngsten HSV-Fußballer (und Fußballerinnen) kicken. Auch diesmal stehen die rund 20 Kinder - etwa ein Viertel davon sind Mädchen - ganz schnell in Reih und Glied. Doch das runde Leder soll heute nicht den Mittelpunkt bilden. Heute gibt es erst einmal eine Rede mit vielen Worten des Dankes.

"Es ist mir eine Freude, diesen Dank an Walter auszusprechen", sagt Lothar Wawrzyniak, der Präsident des Vereins. "Er ist nicht nur seit Jahrzehnten als Trainer bei uns tätig, sondern war auch selbst ein hervorragender Spieler. Nach der Wende wurde er zudem im Vorstand aktiv und war einige Zeit auch Präsident."

Viele Ehrungen hat der Sportler dafür erfahren, erhielt unter anderem die Ehrennadel des Landessportbundes in Gold und war im vergangenen Jahr einer der 18 Engagierten aus ganz Sachsen-Anhalt, die mit dem Ehrenamtspreis 2008 des Deutschen Fußball-Bundes ausgezeichnet worden sind (die MZ berichtete).

1946 ist der damals elfjährige Walter zum Holzweißiger Fußball gekommen und ihm bis heute treu geblieben. Beim damaligen Verein "Aktivist" hat er sich schon acht Jahre später zum ersten Mal den "Trainer-Hut" aufgesetzt - und erst jetzt setzt er denselben wirklich richtig ab. "Wir akzeptieren diese Entscheidung", bekräftigen der Präsident und auch Wolfgang Armann als technischer Leiter des Vereins, "die Walter ja schon lange angekündigt hat."

Schließlich kann der Mann in wenigen Tagen seinen 76. Geburtstag feiern. "Und da ist es im Sommer schon manchmal schwer gefallen, die Hacke im Garten hinzuschmeißen und zum Training zu gehen", gibt Schliephake selbst zu. Denn auch wenn er das nun nicht mehr tut: Rast und Ruhe sind bei ihm noch lange nicht angesagt.

Da sind das Haus und der große Garten, da ist sein Hobby Eisenbahn, die er jedes Jahr in Eigenarbeit akribisch modernisiert und vervollständigt, da ist seine Tischlerei, die nicht nur weihnachtliche Kunstwerke wie Nussknacker oder Engel-Kerzenhalter hervorbringt. Auch seine Bambinis nutzen schon das zweite Jahr voller Freude eine Holz-Autobahn, die er für sie gebaut hat. Und da sind nicht zuletzt die Familie und Freunde, für die er und seine Frau immer da sind.

Apropos Frau: Wenn Schliephake in irgendeiner Form gewürdigt wird, dann nimmt er ein Stück davon immer mit nach Hause zu seiner Helga, mit er er schon vor knapp fünf Jahren goldene Hochzeit feiern konnte. Schließlich war sie es schon immer, die ihm für seinen Sport und all die anderen Beschäftigungen den Rücken frei hielt und weiter hält. Und sie hat nach der Wende auch selbst aktiv im HSV-Vorstand mitgearbeitet.

Doch wer meint, der engagierte Mann geht jetzt einfach so, der irrt. Bevor er diesen Schritt in die Tat umgesetzt hat, sorgte er für Trainer-Ersatz - aus den Reihen der Eltern seiner Bambinis. Niels Nawrot, dessen Sohn Rudi seit drei Jahren Fußball spielt, ist einer davon. "Walter hat mich angesprochen", sagt der 40-Jährige, "ich habe Gefallen daran gefunden." Der zweite neue Trainer ist René Prasser, dessen Töchter Alina (10) und Michelle (6) in Holzweißig kicken. "Es macht Spaß, die Kinder zu trainieren", sagt der 35-Jährige und verschweigt nicht: "Auch wenn es manchmal ganz schön anstrengend ist." Walter Schliephake weiß, dass er sein "Werk" jetzt in gute Hände gegeben hat. Und kann deshalb auch sagen: "Ich bin zufrieden, und ich habe ein gutes Gefühl." Und wenn er mal das Bedürfnis habe, seine Bambinis zu beobachten, dann könne er ja einfach mal gucken gehen, meint er. "Aber reinreden nicht mehr", sagt er und muss schon wieder los, damit die Weihnachtsfeier nun endlich richtig beginnen kann. Mit Bärbel Rieger und Dagmar Nawrot - Oma und Mutter von Bambinis - spielt er als Puppentheater die Geschichte vom Teufelchen, das die Pfannkuchen von Omas Geburtstagsfeier aufaß. Und danach können alle noch schlemmen.

Dabei vergisst Schliephake nicht, sich bei allen zu bedanken, die zur Ausgestaltung und Finanzierung dieser Feier beigetragen haben, nennt Firma Manina und Familie Task, die Stadt Bitterfeld-Wolfen und Ingolf Geisler als Bambini-Vati und Feuerwehrmann, der immer mit helfender Hand dabei ist, wenn er gebraucht wird.

Für den Holzweißiger SV indes steht schon der nächste große Höhepunkt an: Im nächsten Jahr feiert der Verein sein 100-jähriges Bestehen, und das wird auch Walter Schliephake als Ehrenmitglied und Holzweißiger nicht verpassen.