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Boxen Boxen: Kretschmann ist zurück aus der Versenkung

Von Christoph Karpe 26.03.2014, 21:21
Seit Oktober 2013 ist Steffen Kretschmann, hier beim Training, beim SES-Boxstall in Magdeburg unter Vertrag.
Seit Oktober 2013 ist Steffen Kretschmann, hier beim Training, beim SES-Boxstall in Magdeburg unter Vertrag. Eroll PopoVa Lizenz

köthen/MZ - Er galt einst als großes Talent. Mit 18 Jahren brachte Steffen Kretschmann alles mit, was einen guten Schwergewichtsboxer auszeichnet: Er war schnell auf den Beinen, konnte einen Schlag austeilen, aber auch viel einstecken. Für seinen damaligen Stammverein, den SV Glauzig, den Landesboxsportbund, sogar für Deutschland hatte er als Amateur zahlreiche Titel gewonnen, Silber etwa bei der Junioren-Europameisterschaft. Der Weg für eine Karriere schien geebnet, der Wechsel von Glauzig nach Halle der logische Schritt. Doch am 27. März 2010 gab es den Karriereknick: In Führung liegend hatte der Schwergewichtler seinen Profi-Kampf gegen Denis Bakhtov aufgegeben.

Vier Jahre später trainiert Kretschmann wieder, wirkt aufgeräumt und tiefenentspannt, als er dann am Tisch sitzt, die muskulösen Arme mit den großen Händen liegen völlig unverkrampft auf der Platte. Sein Blick ist offen. Nein, von Beklemmung oder Aufregung keine Spur. Der Mann ist einfach nur froh, denn „ich kann endlich wieder boxen“. Am Freitag steigt der Schwergewichtler in Potsdam in den Ring. Erstmals für den Boxstall von Ulf Steinforth in Magdeburg, bei dem auch Ex-Weltmeister Robert Stieglitz unter Vertrag ist. Kretschmanns Gegner heißt Samir Kurtagic, kommt aus Serbien, lebt in Wien und ist bei fünf Niederlagen in 17 Kämpfen schlagbar.

Und genau das muss Kretschmann bestätigen, will er nicht gleich wieder aus dem Blickfeld geraten. Am heutigen Donnerstag ist es genau vier Jahre her, dass der gebürtige Glauziger vor einem Millionen-Publikum ausstieg. Im von einem TV-Sender hochgepushten Revanche-Duell gegen den Russen Dennis Bakhtov gab er in Runde neun auf. Nicht aus Feigheit, nicht weil er chancenlos war. Kretschmann führte nach Punkten. Der ruhige, sensible Boxer war mental K.o., nervlich am Ende.

Und dann auch seine Karriere. Sein damaliges Management feuerte ihn - ohne ihn auszuzahlen. Es folgte ein Rechtsstreit um Gehalt. Weil die juristischen Scharmützel seinen Vertrag in einen Schwebezustand versetzten, kam Steffen Kretschmann nirgendwo anders unter. Diese Art Berufsverbot machte ihn zeitweilig sogar zum Hartz-IV-Empfänger.

Er fand jedoch in einem Bürsten-Hersteller aus Lüneburg einen Sponsor, bestritt dann Kämpfe in Kleinveranstaltungen, duellierte sich 2012 im regnerischen Halle bis zum Abbruch mit dem alten Haudegen Timo Hoffmann. Steffen Kretschmann wurde als Sparringspartner bei WM-Vorbereitungen von Wladimir Klitschko engagiert und schlug sich im April 2013 bei einem „Big ist better“-Spektakel von Schwergewichtlern in Lissabon bis ins Finale, wo ihn eine Verletzung stoppte. Das alles zählte nicht für Ranglisten. Dort wird Steffen Kretschmann, der sein schon für Oktober geplantes Comeback verletzt verschieben musste, jenseits der besten 300 geführt.

Das Drama des langsamen Versinkens in der Bedeutungslosigkeit soll jetzt „nach vier verlorenen Jahren“, wie Kretschmann sagt, noch eine gute Wendung bekommen.

33 Jahre ist Kretschmann inzwischen alt. „Jetzt geht es zum Endspurt meiner Karriere“, nennt er die neue Phase, bei der ihn natürlich sein langjähriger Trainer Hans-Jürgen Witte begleitet. Noch sieben Jahre etwa möchte Steffen Kretschmann im Ring stehen. Kein Ding der Unmöglichkeit. Nur Erfolge müssen her. Schnell. Schon Freitag. Auf eine traurige Karriere als Journeyman, jene als Prügelknaben für ein Gnadenbrot engagierten abgehalfterten Boxer, hat er keine Lust. „Kommt nicht in Frage“, sagt Steffen Kretschmann entschlossen. Sein Plan heißt: Endlich in die Spitze. „Anfang 2015 möchte ich um die Europameisterschaft boxen“, sagt er und schaut so entschlossen, dass sich zweifelnde Gedanken verbieten.