Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Gemeinsames Spielen und Singen
WOLFEN/MZ. - "Ich bin aber diesmal dran!" Die beiden fünfjährigen Jonas und Alexander streiten sich um ihren Kumpel Florian. Gerade hat Brigitte Wolf ihre Gitarre herausgeholt und angekündigt, dass im Nachbarraum gesungen wird. Die drei Knirpse wollen mitsingen und deshalb einigen sich Jonas und Alexander schnell darauf, wer Florian schiebt, denn der Junge sitzt im Rollstuhl. Später trällert er inmitten seiner Kumpels lauthals mit. Alle drei Kinder gehen in die Kita "Kuschelburg" in Wolfen.
Die "Kuschelburg" ist eine integrative Einrichtung, hier werden behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam betreut. Die Wolfener Tagesstätte war die erste von vielen Einrichtungen, welche im Laufe der Geschichte des Vereins "Lebenshilfe Wolfen-Bitterfeld" von dessen Mitgliedern initiiert und gefördert worden sind. Am vergangenen Wochenende feierte der Verein sein 20-jähriges Bestehen.
Peter Neujahr ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der "Lebenshilfe", die mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Enorme Mitgliederrückgänge und insbesondere ein fehlendes offizielles Domizil machten in der jüngsten Vergangenheit ein aktives Vereinsleben schwer. Doch jetzt sehen die Aktiven Licht am Ende des Tunnels. "Wir haben endlich wieder einen Vereinsraum gefunden", freut sich Vorstandsmitglied Ursula Ahrens. Im Mehrgenerationenhaus haben sie künftig die Möglichkeit, sich zu treffen. "Wir hatten mal über 60 Mitglieder", sinniert Neujahr und statuiert sogleich die derzeitigen Ziele der momentan "15 Mann starken Besatzung". Man müsse nun die Strukturen neu aufbauen und eine "Neuausrichtung des Vereins" definieren. Besonders die Mitglieder-Akquise spiele dabei natürlich eine entscheidende Rolle.
Neujahr möchte künftig in das Vereinsleben auch eine behindertenspezifische Freizeitgestaltung integrieren und hofft so auf Interesse von direkt Betroffenen. "Wir sind stets Ansprechpartner für Sorgen und Nöte", erklärte er gegenüber der MZ.
Doch zurück zu den Anfängen: Der Kita "Kuschelburg" - nach der im Übrigen vor ein paar Jahren selbst die kleine Straße benannt wurde - folgten viele weitere erfolgreiche Objekte. So sind zum Beispiel auch die benachbarte Kita "Farbklecks" genau wie der Zerbster "Knirpsentreff" und das "Dürener Spatzennest" in Bitterfeld integrative Einrichtungen. "Anfangs standen wir vor dem Problem", so Neujahr, der selbst einen behinderten Sohn großgezogen hat, "wollen wir nur immer jammern oder etwas machen?" Sie unternahmen etwas. Weg von Sonderschulen und hin zu integrativen Einrichtungen, um das gegenseitige Verständnis und Akzeptanz zu fördern, war stets ihr Anliegen.
Die Initiativen des Vereins waren in den vergangenen Jahren vielseitig. Neben den Kindereinrichtungen gehören zu diesen auch Frühförder- und Beratungsstellen sowie Objekte des Betreuten Wohnens in der Region. Der fünfköpfige Vorstand fungiert als Gesellschafter der verschiedenen Einrichtungen. Träger der Kuschelburg und anderer Projekte ist das "Lebenshilfewerk Anhalt".
Das Ziel insbesondere der Kindertagestätten ist es, die Steppkes von Beginn an an Unterschiede zu gewöhnen. Schon Anfang der 90er Jahre wurde auf Initiative des Vereins, die damalige "kleine Förderstation des Wolfener Krankenhauses", so Frau Ahrens, mit der städtischen Kindereinrichtung zusammengelegt. Die Hälfte der derzeit etwa 70 betreuten Kinder haben körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Trotzdem ginge es grundsätzlich nicht anders zu als in anderen Kitas. "Gerade weil sie von Anfang an damit konfrontiert werden, sind die Unterschiede und Probleme für die Kinder etwas ganz normales", beschreibt die Erzieherin und Vorstandsmitglied Brigitte Wolf den Alltag in der Einrichtung. Die "Kuschelburg" ist im Übrigen eine komplett - nicht nur infrastrukturell - Barriere freie Einrichtung. "Lediglich zum Essen und Schlafen sind unsere Kinder in Gruppen eingeteilt", so Frau Wolf. Die Schützlinge können sich ansonsten im gesamten Gebäude frei bewegen und entfalten. Und so ist es nicht nur für Jonas und Alexander, sondern für alle Kinder ganz selbstverständlich, Florian und die vielen anderen zum Spielen immer mitzunehmen.