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Kunst Kunst: Mysteriöser Teller-Handel

Von KATRIN LÖWE 07.05.2010, 19:48

QUEDLINBURG/MZ. - Ein Mann mit einem Koffer voller Geld. Unauffällig, verschwiegen. 200 000 Euro legt er dem Auktionshausbesitzer auf den Tisch und verschwindet. Per Geldkurier liefert er einen Tag später 52 000 Euro nach. Der Hammer ist längst gefallen, das Geschäft abgeschlossen. Wenig später schreibt die MZ über die ungewöhnliche Versteigerung italienischer Teller aus dem 16. Jahrhundert im Quedlinburger Auktionshaus Breitschuh. "Was sich wie der Teil eines Krimis anhört..." heißt es da.

Fürwahr. Ein Krimi. Denn Jochen Luckhardt ist sicher: Die wertvollen Majolika gehören eigentlich dem Braunschweiger Herzog Anton-Ulrich-Museum. 65 Jahre ist es her, dass die Keramiken mit Zinnglasur das Museum verlassen haben. Das Haus wurde geräumt, als Braunschweig zum Ende des Zweiten Weltkrieges bombardiert wurde. Wertvolle italienische Teller und Fürstenberger Porzellan wurden in einer Höhle in Börnecke (Landkreis Harz) eingelagert. "Seitdem galten sie als verschollen", sagt Museumsdirektor Luckhardt. Insgesamt 37 Kunstwerke.

Drei davon sind nun bei der Auktion in Quedlinburg aufgetaucht. Ein Teller, der Leonidas bei der Schlacht von Marathon zeigt, wird für 210 000 Euro versteigert. Zwei weitere wechseln für 12 000 beziehungsweise 30 000 Euro den Besitzer. Der unbekannte Käufer legt dabei nach längerem Wettbieten weit mehr Geld auf den Tisch, als ursprünglich im Mindestgebot verlangt: Beim Leonidas-Teller begann die Auktion bei 2 000 Euro.

Die Teller sind im Bestandskatalog des Braunschweiger Museums von 1979 als verschollen aufgeführt - mit genau der Beschriftung auf der Rückseite, wie sie das Quedlinburger Auktionshaus im Internet zeigt. Nur die Museumssignatur sei offenbar von ihnen entfernt, sagt Luckhardt. Nicht lange nach der Auktion erfährt er, welches Geschäft sich da im Harz abgespielt hat. Kunsthändler hätten ihn nach der Versteigerung über die verschollen geglaubten Teller informiert, inzwischen seien sie dem Museum zum Kauf angeboten worden. Üblicherweise, sagt Luckhardt nun, würde vor Auktionen geprüft, ob kostbare Kunstwerke irgendwo vermisst werden. Die Teller aus Braunschweig sind - wenn auch ohne Foto - im Lost-Art-Register eingetragen, einer Datenbank von Bund und Ländern mit verschollener Kunst. Nun werde geprüft, wie das Museum sein Eigentum zurückerlangen kann, sagt Luckhardt, räumt aber ein: "Das ist eine schwierige Geschichte."

Große Chancen, die Teller ohne üppige Zahlungen aus öffentlichen Mitteln zurückzuholen, räumt Wolfgang Savelsberg den Braunschweigern nicht ein. Er ist Abteilungsleiter bei der Dessau-Wörlitzer Kulturstiftung - und die streitet pikanter Weise seit Jahren mit eben jenem Anton-Ulrich-Museum um ein Gemälde von Philips Wouwerman aus dem Wörlitzer Schloss, das zu Kriegsende im Harz eingelagert und dort gestohlen wurde. In den 60ern habe das Braunschweiger Museum das Bild für 6 000 Euro gekauft. "Heute ist es 600 000 wert", sagt Savelsberg. "Natürlich wollten wir es zurück." Braunschweig aber verweigerte die Herausgabe. Das Bild sei damals zwar in entsprechenden Publikationen als gestohlen dokumentiert worden, so Savelsberg. Um den Eigentumsanspruch durchzusetzen, hätte man aber nachweisen müssen, dass das Museum die wahre Herkunft des Gemäldes kannte und es nicht in gutgläubiger Absicht erworben hat. Das sei sehr schwierig. Das Gemälde soll nun als Dauerleihgabe - nicht als Eigentum - nach Wörlitz zurückkommen.

Den Quedlinburger Auktionsfall hält Savelsberg zumindest für merkwürdig. Der Leonidas-Teller sei "der Rembrandt unter den Majolika. Da müsste man eigentlich genau recherchieren, wo er herkommt". Dass Auktionatoren vor jeder Versteigerung die Datenbanken verschollener Kunst prüfen, sei Wunschdenken, sagt indes Heinrich Arens, Präsident des Bundesverbandes deutscher Auktionatoren. "Sie können auch nicht alle wertvollen Sachen begutachten lassen, dafür ist der Markt zu groß." Eine Überprüfung, ob dem Verkäufer die Ware tatsächlich gehört, müsse erst stattfinden, wenn es Anhaltspunkte gebe, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

"Interessant ist, dass die Teller dort wieder auftauchen, wo sie verschwunden sind", sagt Museumsdirektor Luckhardt. Zwischen Quedlinburg und Börnecke liegen keine zehn Kilometer. Auktionator Klaus Breitschuh hatte zuletzt erklärt, eine Bekannte aus Süddeutschland habe ihm die Schätze ihres Sohnes zur Versteigerung übergeben. Ob und wie sie geprüft wurden, bleibt offen. Breitschuh war am Freitag nicht zu sprechen, das Auktionshaus schwieg und vertröstete auf Mitte / Ende Mai.