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Dokfilm über Frauen in der DDR „Durchbeißen oder durchgebissen werden“

Der Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen“ porträtiert Frauen, die in der DDR Politik nicht den Männern überließen. In Halle findet die Ost-Premiere statt.

Von Mathias Schulze 21.08.2024, 17:25
Schriftstellerin Katja Lange-Müller beim Interview für den Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“
Schriftstellerin Katja Lange-Müller beim Interview für den Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ (Foto: Majestic/Anne Misselwitz)

Halle/MZ. - Die Szene ist so berührend wie unvermeidlich: Zwischen den Erzählungen, die das am 27. September 1950 verabschiedete Gesetz „Über den Mutter- und Kinderschutz“ – eine von der SED propagierte Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau – als Feigenblatt blamieren, hört man im Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen“ die lasziv-verlebte und unter die Haut gehende Stimme von Tamara Danz.

Danz lädt den Silly-Song mit abgründigen Ambivalenzen auf: „So 'ne kleine Frau / Und so ’ne große Lust / Und hat schon Kinder drei / Und immer noch kein’ Frust / Und hat schon so gelitten / Und immer noch so’n Mut / Und hat so schlaffe Titten / Und hat so’n heißes Blut.“

Pauschales Pathos

Ist in diesen Sekunden schon alles zusammengetragen, was der Regisseur Torsten Körner, der im Vorgänger-Film und Kassenschlager – fast 200.000 Zuschauer strömten in die Kinos – Politikerinnen der Bonner Republik porträtierte? Die DDR-Frau als die Verwirklichung eines Nietzsche-Diktums aus „Also sprach Zarathustra“? „Tief ist ihr Weh / Lust – tiefer noch als Herzeleid: / Weh spricht: Vergeh! / Doch alle Lust will Ewigkeit / Will tiefe, tiefe Ewigkeit!“

Schon der Titel der Dokumentarfilme verrät den Ansatz, der Gefahr läuft, einen unreflektierten Mythos zu produzieren. Die Frau als widerständiges Wesen, das in beiden Teilen Deutschlands nach 1945 den mal sichtbaren, mal unsichtbarem Patriarchat trotzt? Und zwar immer und immer wieder und hartnäckig bis zum Erfolg?

Um die Filme von Torsten Körner, der 1965 in Niedersachsen geboren wurde und der seine Leipziger Großeltern regelmäßig zu Ostzeiten besuchte, gewinnbringend zu schauen, muss man dieses pauschale Pathos, das nicht unwesentlich zum Erfolg des ersten Teiles führte, aushalten können.

Die Frauen, die im Film sprechen dürfen, kommen aus verschiedensten gesellschaftlichen Schichten. Brunhilde Hanke, eine SED-Funktionärin, die von 1961 bis 1984 Oberbürgermeisterin von Potsdam war, kann ebenso unkommentiert berichten wie eine Künstlerin wie Gabriele Stötzer, die gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestierte und dafür in den Knast kam. Ein schockierender Alltag hinter Gittern: „Frauen haben sich aufgeschnitten, die haben sich Nadeln in die Arterien gemacht, um sich zu vergiften – die Nadeln wandern ja. Die haben Löffel geschluckt, die wurden operiert, da wurde dann immer ein Stück Magen raus genommen. Und irgendwann, beim dritten Löffel, ging dann nichts mehr rauszunehmen. Die sind dann daran gestorben“, erinnert sich Stötzer an ihre Haftzeit. Was wäre geschehen, wenn man Protagonistinnen wie Hanke und Stötzer in einen Dialog gesetzt hätte?

Der Film fördert Widersprüchliches zu Tage: Da der Stolz der werktätigen Frau, die einen Orden nach dem anderen ans Revers geheftet bekommt. Hier die Erzählungen, dass die Gleichberechtigung der Frau nur den Mangel an Arbeitskräften beheben sollte – eine deutliche Unterrepräsentanz in Führungspositionen und politischen Gremien inklusive. DDR-Ministerinnen wie Hilde Benjamin, Margot Honecker oder Elisabeth Zaisser blieben Ausnahmen. Aber auch hier gilt: Es ist nicht das Geschlecht, was einen guten Politiker ausmacht.

Der Film arbeitet mit Defa-Filmausschnitten, mit Originalaufnahmen und DDR-Liedern, er geht auf das erkämpfte „Gesetz zur Schwangerschaftsunterbrechung“ (1972), auf die Militarisierung in den 80er Jahren ein. Und er entwickelt inmitten von sozialistischen Mosaiken oder Wandbildern, inmitten der Erzählungen von Barbara Mädler, Doris Ziegler, Ulrike Poppe, Katja Lange-Müller oder Amrei Bauer eindeutige Tendenzen, die schon im „Frauenreport ´90“, den Marina Grasse in Auftrag gab, festgehalten wurden.

Obwohl die SED-Funktionäre gern auf die benachteiligte Rolle der Westfrau verwiesen, war auch die Mehrzahl der Frauen im Osten schlechter bezahlt. Eine Überforderung im Alltag: Arbeit, Kinder, Haushalt. Trotz ständig betonter Förderung hatten Frauen in der DDR keine gleichberechtigten Aufstiegschancen. Katja Lange-Müllers sagt es so: „Durchbeißen oder durchgebissen werden!“

Sexismus, mal andersrum

Den offen zur Schau getragenen Sexismus konnte man nur in wenigen Momenten entwaffnen. Annette Leo erzählt davon, wie sie mit Freundinnen und einem Abteilungsleiter in einem Fahrstuhl stand. Das übliche Verhalten mal umgedreht, nach den Komplimenten der Frauen verschwand der Mann mit hochrotem Kopf: „Ihr Hintern passt aber gut in diese schöne Hose!“

„Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen“: Ost-Premiere am 27. August um 20 Uhr mit Torsten Körner und Überraschungsgästen im Luchskino Halle in der Seebener Straße 172, Kinostart ab 29. August