Institut für Weinforschung Institut für Weinforschung: Die Rückkehr der Raritäten
Köthen/Freyburg/MZ. - Wenn es um alte Weinsorten geht, ist Dr. Klaus Epperlein in seinem Element. Dann denkt er etwa an den Kathertschen Weinberg im Burgenlandkreis und daran, welche Raritäten sich unter den über tausend Stöcken des Hangs befinden, die zum Teil mehr als ein Jahrhundert alt sind. "Schwarzer Heunisch" ist eine davon. "Hier stehen die sechs einzigen Stöcke in Deutschland", sagt der Experte. Bei der "Clairette", einer in Südfrankreich beheimateten Sorte, ist es gar nur einer. "Dass eine solche 150 Jahre alte Dame überhaupt bei uns steht, ist schon schön", sagt er.
Historische Weinsorten zu untersuchen und wieder anzubauen ist eines der Ziele des neu gegründeten Mitteldeutschen Instituts für Weinforschung an der Hochschule Anhalt. Gerade erst sind Ruten des Schwarzen Heunisch zur Vermehrung an die Humboldt-Universität Berlin gebracht worden. "In zwei Jahren haben wir die ersten Pflanzen virusfrei und gesund zum Aufreben auf dem Klöppelberg bei Bad Kösen", sagt Epperlein. Und obwohl dem lange nur noch in Büchern vorkommenden Heunisch aus historischen Gründen nicht der beste Geschmacksruf vorauseilt: Epperlein hat jüngst einen Weißen Heunisch getrunken, der im Rheingau wieder angebaut wird. "Der hatte eine ganz interessante Aromenvielfalt", sagt er.
Eine Vielfalt, die auch in den Laboren der Hochschule Anhalt in Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) untersucht werden wird. Dort steht Beatrix Parthey am Gas-Chromatographen, in dem unzählige 1,5-Milliliter-Weinproben auf ihre Bestandteile untersucht werden - um die 800 Aromaelemente pro Sorte gibt es. Manche davon beeinflussen den Geschmack schon bei einer Konzentration von einigen Mikrogramm pro Liter, manche erst bei einigen Milligramm, sagt Parthey. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Weinforschungsinstitut und hat sich bisher vor allem mit Gewürzen und Likören beschäftigt.
Dass sich nun vieles auch um Wein dreht, ist gerade Instituts-Chef Thomas Kleinschmidt sehr recht. Der Professor stammt aus einer Lauchaer Familie, die seit Generationen Weinbau im Saale-Unstrut-Gebiet betreibt. Schon als Jugendlicher hat der 50-Jährige selbst am Hang gestanden. Heute muss er schmunzeln, wenn er gefragt wird, wer gerade aus ihm spricht: der Wissenschaftler oder der Hobby-Winzer. Etwa dann, wenn er davon schwärmt, dass ostdeutsche Winzer von Masse auf Qualität umgeschwenkt und "die Weine an Saale und Unstrut deutlich besser geworden" sind. In der Region sieht er auch die Chance für alte Sorten: "Sie haben vielleicht nicht so einen hohen Ertrag wie ein Müller-Thurgau, könnten aber gerade für private Besitzer interessant sein, um
sich abzugrenzen", sagt Kleinschmidt, dessen Institut mit der Winzervereinigung Freyburg und dem Weinbauverband kooperiert.
Eine der Herausforderungen für sich und seine drei Mitarbeiter sieht Kleinschmidt neben der Erstellung von Aromaprofilen für mitteldeutsche Weine in Untersuchungen zum Klimawandel, der auch den Weinbau in Deutschlands nördlichstem Anbaugebiet an Saale-Unstrut beeinflusst. Wie reagiert der Wein auf fehlende Niederschläge, welche Rebsorten könnten künftig angebaut werden?
Dass sein Institut an Arbeitsmangel leiden könnte, hält der Hobbywinzer für ausgeschlossen. "Wir haben genügend Ideen." Für Lehre und internationale Seminare, für den Weinanbau mit allen Witterungs- und Schädlingsrisiken, aber auch für die Weinbereitung. So wollen sich die Forscher mit der Herstellung von Tresterbrand (vergleichbar mit italienischem Grappa) aus den Nebenprodukten hiesiger Weinproduktion beschäftigen.
Seit seiner Gründung stößt das Institut nicht nur auf internationales Interesse, sondern auch auf ein breites Echo in der Hochschule Anhalt. Designer wollen sich um Weinmarketing kümmern, Architekten am liebsten alte Wein-Villen aus der Zeit um 1920 rekonstruieren. Das wäre passend zur Wiederbelebung historischer Rebsorten, dürfte aber eine Geldfrage sein. Das Institut finanziert sich aus Drittmitteln, also mit nicht-staatlichem Geld. Und das müsse noch eingeworben Aber auch da ist Kleinschmidt Optimist: "Wein ist ein positiv belegtes Thema."